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Massenhungerstreik in Freiburgs Gefängnis

Meyer-Falk

2015-05-11 08:27

Nachdem schon im November 2014 ein Hungerstreik eines Sicherungsverwahrten Schlagzeilen machte, sind aktuell Strafgefangene in der JVA Freiburg in einen Hungerstreik getreten; die Rede ist von dutzenden Gefangenen.

Die Vorgeschichte

Wie so oft bei Gefängnisprotesten in Deutschland, hat sich offenbar der Unmut an der Situation der Gefängnisküche entzündet. Ein dort eingesetzter Insasse soll es mit der Hygiene nicht so genau nehmen. Aus der Gruppe der sogenannten 'Russland-Deutschen' (vgl. zu diesen im Kapitel 'Der Vollzug' meine Ausführungen) regte sich nachdrücklicher Protest.

 

Der 05. Mai 2015

Aus Sicht der Anstalt drohte nun die Eskalation, denn es soll angekündigt worden sein, wenn die Gefängnisleitung nicht auf die Proteste eingehe, würden zahlreiche Gefangenen nach der ihnen zustehenden Hofstunde nicht mehr ins Gebäude zurückgehen.

Prompt wurden alle Strafgefangene nach dem Ende der vormittäglichen Arbeitszeit in ihren Zellen weggeschlossen, die Arbeitsbetriebe nachmittags geschlossen. Der Zugang zum Hof wurde streng überwacht und nach Hofende erneut alle Insassen weggeschlossen; alle abendlichen Sport- und Freizeitgruppen strich der Anstaltsleiter ersatzlos. Auch durfte die Gruppe der Sicherungsverwahrten, denen eigentlich die Teilnahme am Strafhaft-Hofgang zusteht, nicht in den Hof.

Zwischenzeitlich sollen sich türkischstämmige Mitgefangene dem Protest angeschlossen haben.

Als erste Reaktion folgten auch Repressalien: so sollen mehrere 'führende Köpfe' aus der Gruppe der 'Russland-Deutschen' in andere Anstalten verlegt worden sein.

 

Der 06. Mai

Auch am Mittwoch, den 06. Mai herrschte aus Sicht der Anstalt Alarmstimmung: erneut wurden alle Freizeitaktivitäten gestrichen, die Arbeitsbetriebe schlossen um 12 Uhr ihre Tore und die Strafgefangenen wurden weggeschlossen. Für den nachmittäglichen Hofgang trennte die Anstaltsleitung die Gefangenen in zwei Gruppen. Von 13 bis 14 Uhr hatte die eine Hälfte Hofgang und eine Stunde später wurde die andere Hälfte aus ihren Zellen gelassen, um in den Hof zu gehen; jedoch soll einer größeren Anzahl insbesondere der 'russland-deutschen' Insassenschaft der Hof verwehrt worden sein.

Ferner hätte eine zweistellige Anzahl aus dieser Gruppe, aber vereinzelt auch türkischstämmige Insassen die Annahme des Gefängnisessens verweigert. Des weiteren solle, um die Ernsthaftigkeit ihres Hungerstreiks zu belegen, eine größere Anzahl von Gefangenen auch alle privat gekauften Lebensmittel aus ihren Zellen heraus gegeben haben.

 

Hungerstreik als Protestform

Insbesondere seit dem Hungertod eines in Isolationshaft gehaltenen Gefangenen in der JVA Bruchsal im vergangenen Jahr (http://community.beck.de/gruppen/forum/neuigkeiten-ber-hungertod-eines-gefangenen) ist das Interesse an der oftmals desolaten Haftsituation von Inhaftierten etwas größer als noch zuvor. Dabei ist die Ernährung sicherlich nur ein Punkt von ganz vielen Missständen. Gerade hier in Freiburg wäre aktuell zu nennen: die nunmehr rigoros praktizierte Regelung, dass alle BesucherInnen, selbst wenn sie von weit anreisen und ein Zug leichte Verspätung hat, oder ein Stau auf der Autobahn die Anreise verzögerte, fort geschickt werden, wenn sie weniger als 20 Minuten vor Besuchsbeginn am Tor klingeln. Selbst bei nur einer- oder zweiminütigen Verspätung erfolgt ohne Prüfung des Falls die Wegweisung. Für die familiären und freundschaftlichen Bindungen eine enorme Belastung.

Oder es ist zu denken an die ökonomische Situation. Ein großer Teil der Gefangenen lebt von ca. 35 Euro Taschengeld im Monat, bzw. wenn jemand arbeitet und Geld verdient, hat er kaum mehr als 80 oder 90 Euro im Monat zur Verfügung. Davon muss jeder dann hohe Strompreise bezahlen – zum 01.01.2014 erfolgte eine Erhöhung auf 29,09 Cent/kwH, obwohl die JVA selbst in mehreren Gerichtsverfahren einräumen musste (vgl. https://linksunten.indymedia.org/de/node/139885). Wenn Gefangene rund 20 Prozent ihres Taschengeldes, so wie zzgl. 5 Euro im Monat an die Freiburger Gefangenenhilfe bezahlen müssen, die die Satellitenanlage betreibt, stehen für Duschgel, Tabak oder sonstige kleine Vergünstigungen kaum noch Gelder zur Verfügung. Und nur wer vor Gericht klagte, hat überhaupt eine Chance zu viel bezahlte Gelder zurück zu erhalten.

Viele der jetzigen Protestierer werden einen hohen Preis für ihren Widerstand zu zahlen haben: Isolationshaft, Verlegung in andere Anstalten (und damit Verlust der bisher aufgebauten sozialen Beziehungen) und womöglich auch zusätzliche Haftkosten, denn die Anstalten in Baden-Württemberg behalten sich vor, für alle medizinisch erforderlichen Maßnahmen im Zusammenhang mit einem Hungerstreik, die Gefangenen in Regress zu nehmen.

Thomas Meyer-Falk, c/o JVA (SV)

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