Öffentliche Diskussion mit Strafanzeigen - sinnvoll?
Gespeichert von Prof. Dr. Henning Ernst Müller am
Heute liest man in der Welt Kriminalbeamte hätten gegen den Bundestagsabgeordneten Volker Beck Strafanzeige erstattet wegen falscher Verdächtigung, übler Nachrede und Beleidigung:
Der BDK-Bundesvorsitzende André Schulz nannte die Äußerungen des Grünen-Bundestagsabgeordneten "unverschämt, unangemessen und eine Beleidigung für jeden Ermittler". Sie unterstellten, dass Polizei und Staatsanwaltschaft wissentlich gehandelt haben, sagte Schulz in Berlin. Becks Anzeige offenbare sein gefährliches Halbwissen über polizeiliche Ermittlungsarbeit im Allgemeinen und über diesen Fall im Besonderen. Der Grünen-Politiker agiere als geistiger Brandstifter und habe seiner Partei und der Politik insgesamt einen Bärendienst geleistet. "Herr Beck wäre gut beraten, wenn er sich umgehend für seine Kurzschlusshandlung entschuldigen und die weiteren Ermittlungen abwarten würde." Er habe vollstes Vertrauen in die Fähigkeiten der Dresdner Polizei und der Staatsanwaltschaft, so Schulz.
Hintergrund ist der Fall "Khaled": Auf der Straße in Dresden hatte man die Leiche des jungen Khaled Idris Bahray aufgefunden; es wurde aber zunächst seitens der Polizei kein Fremdverschulden erkannt. Erst mit einem Tag Verspätung wurden bei der Obduktion Stichverletzungen entdeckt und erst dann eine einem Tötungsdeklikt entsprechende Spurensicherung am Tatort veranlasst.
Volker Beck hatte zuvor seinerseits Strafanzeige gestellt wegen Strafvereitelung im Amt und auf seiner Homepage dies wie folgt begründet:
„Die Ermittlungspannen im Tod des Asylbewerber Khaled Idris Bahray müssen rückhaltlos aufgeklärt werden. Heute habe ich deshalb Strafanzeige gegen unbekannt wegen möglicher Strafvereitelung im Amt gestellt. Mir fehlt jedes Verständnis für das nachlässige Vorgehen der Ermittlungsbehörden.
Am vergangenen Montagabend, als Pegida durch Dresden marschierte, wurde der Asylbewerber Khaled Idris Bahray durch Messerstiche getötet. Als man den Toten blutüberströmt am Dienstagmorgen fand, verbreitete die Dresdner Polizei zunächst die Nachricht, sie hätte keine Anhaltspunkte auf Fremdeinwirkung. Erst nach der Obduktion des Opfers räumt die Polizei ein Fremdverschulden ein und schickt erst 30 Stunden nach der Tat die Spurensicherung an den vermeintlichen Tatort. Dies wirkt dilletantisch. Ich gehe davon aus, dass man das auch in Dresden so sehen wird und Ermittlungen aufnimmt, um Zweifel auszuräumen.“
Strafvereitelung ist ein Vorsatzdelikt - es bedarf sogar der "absichtlichen oder wissentlichen" Vereitelung. Volker Beck selbst behauptet konkret nur "Ermittlungspannen" und "nachlässiges Vorgehen". Seine Strafanzeige hatte also von vornherein wenig Substanz.
Allerdings sieht es mit der Reaktion des BDK-Vorsitzenden nicht viel anders aus. § 164 StGB (falsche Verdächtigung) setzt weit mehr voraus als eine unsubstantiierte Strafanzeige gegen unbestimmte Behördenangehörige. In einer Demokratie ist zudem die Schwelle zur Ehrverletzung sehr hoch anzusetzen, wenn es um die Kritik an Behördenverhalten geht. Die Reaktion des BDK-Vorsitzenden scheint deshalb überzogen und könnte zudem zu dem Schluss verführen: "Getroffene Hunde bellen". Herr Schulz, denke ich, offenbart ebenfalls "gefährliches Halbwissen" und leistet damit seiner Organisation und der Polizei seinerseits einen "Bärendienst". Gerade wenn man anderen Unsachlichkeit vorwirft, sollte man selbst sachlich bleiben.
Ob Polizeibeamte beim Auffinden der Leiche des Bahray tatsächlich fahrlässig gehandelt haben, ob - wie es zunächst den Anschein hat - hier (ggf. grobe) Ermittlungsfehler gemacht wurden, wird sich wohl noch zeigen. Immerhin scheint man nun nach der öffentlichen Kritik alles daran zu setzen, ggf. Fehler wieder auszubügeln, hoffentlich mit einem Ermittlungserfolg.
In den vergangenen Jahren war leider zu konstatieren, dass die polizeiliche Einordnung von Gewaltdelikten mit (möglicherweise) rechtsextremem Hintergrund zu wünschen übrig ließ. Das ist sicherlich auch ein Hintergrund der Aufregung Volker Becks.
Insgesamt erscheint mir aber eine solche öffentliche Auseinandersetzung mittels Strafanzeigen wenig sinnvoll.