ArbG Hamburg ersucht EuGH um Vorabentscheidung in Sachen "Kopftuchverbot"
Gespeichert von Prof. Dr. Christian Rolfs am
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Abmahnung. Die Arbeitgeberin betreibt eine Vielzahl von Kindertagesstätten. Zur Betreuung der insgesamt ca. 3.500 Kinder beschäftigt sie rund 600 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, darunter seit 2014 die Klägerin. Diese ist muslimischen Glaubens und entschied sich Anfang 2016, künftig ein religiöses Kopftuch zu tragen. Die Beklagte mahnte die Klägerin ab. Sie beruft sich auf eine bei ihr geltende „Dienstanweisung zur Einhaltung des Neutralitätsgebots“. Diese verpflichtet Mitarbeiter mit Kundenkontakt zur politischen, weltanschaulichen und religiösen Neutralität. Sie untersagt insbesondere das Tragen sichtbarer Zeichen einer derartigen Überzeugung.
Das ArbG Hamburg nimmt den Fall zum Anlass, den EuGH um Vorabentscheidung zu ersuchen:
Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden nach Art. 267 AEUV folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Benachteiligt eine einseitige Weisung des Arbeitgebers, die das Tragen jedes sichtbaren Zeichens politischer, weltanschaulicher oder religiöser Überzeugungen verbietet, Beschäftigte, die aufgrund religiöser Bedeckungsgebote bestimmte Bekleidungsregeln befolgen, im Sinne von Art. 2 Abs. 1 und 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf1 unmittelbar wegen ihrer Religion?
2. Benachteiligt eine einseitige Weisung des Arbeitgebers, die das Tragen jedes sichtbaren Zeichens politischer, weltanschaulicher oder religiöser Überzeugungen verbietet, eine Arbeitnehmerin, die wegen ihres muslimischen Glaubens ein Kopftuch trägt, im Sinne von Art. 2 Abs. 1 und 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/78 mittelbar wegen der Religion und/oder wegen des Geschlechts?
Insbesondere:
a) Kann nach der Richtlinie 2000/78 eine Benachteiligung wegen der Religion und/oder wegen des Geschlechts auch dann mit dem subjektiven Wunsch des Arbeitgebers, eine Politik politischer, weltanschaulicher und religiöser Neutralität zu verfolgen, gerechtfertigt werden, wenn der Arbeitgeber damit den subjektiven Wünschen seiner Kunden/Kundinnen entsprechen möchte?
b) Stehen die Richtlinie 2000/78 und/oder das Grundrecht der unternehmerischen Freiheit nach Art. 16 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union angesichts Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie einer nationalen Regelung entgegen, nach der zum Schutz des Grundrechts der Religionsfreiheit ein Verbot religiöser Bekleidung nicht schon aufgrund einer abstrakten Eignung zur Gefährdung der Neutralität des Arbeitgebers, sondern nur aufgrund einer hinreichend konkreten Gefahr, insbesondere eines konkret drohenden wirtschaftlichen Nachteils für den Arbeitgeber oder einen betroffenen Dritten gerechtfertigt werden kann?
ArbG Hamburg, Beschluss vom 21.11.2018 - 8 Ca 123/18, BeckRS 2018, 33797
Aktenzeichen beim EuGH: C-804/18 - WABE