Bestellung von Betäubungsmitteln im Internet – ab wann macht man sich nach dem BtMG wegen versuchten Erwerbs strafbar?
Gespeichert von Dr. Jörn Patzak am
In meinem letzten Blog-Beitrag habe ich eine Entscheidung des 3. Strafsenats thematisiert, in der es um einen Angeklagten ging, der Betäubungsmittel über einen Online-Shops bestellt hatte. Die Betäubungsmittel erreichten den Käufer jedoch nicht, da sie von der Polizei im Postverteilzentrum sichergestellt wurden. Da der Angeklagte versucht hatte, die Bestellung zu stornieren, lag nach Auffassung des Senats wegen Rücktritts gem. § 24 Abs. 1 S. 2 StGB kein versuchter Erwerb von Betäubungsmitteln vor, soweit die Betäubungsmittel zum Eigenkonsum bestimmt waren (s. hier). Es blieb nur ein (unproblematisches) Handeltreiben mit Betäubungsmittel hinsichtlich der Betäubungsmittel, die der Angeklagte gewinnbringend weiterverkaufen wollte.
Hier soll der in der Entscheidung nicht angesprochenen Frage nachgegangen werden, ab wann bei Bestellungen von Betäubungsmitteln zum Zwecke des Eigenkonsum im Internet überhaupt der Bereich der straflosen Vorbereitung hin zum strafbaren Versuch eines Erwerbs gem. § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BtMG, §§ 22, 23 StGB überschritten wird.
Grundsätzlich wird beim Erwerb die Grenze von der Vorbereitungshandlung zum Versuch dann überschritten, wenn nach dem Tatplan der Abschluss des Geschäftes im engeren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang zu den Verhandlungen unmittelbar in die Übertragung der Verfügungsmacht an den Betäubungsmitteln einmünden soll.
Beispiel aus Patzak/Bohnen, Betäubungsmittelrecht, 5. Auflage, Kap. 2, Rn. 71a, erscheint im Juli: A bestellt bei B 10 g Marihuana für 100 Euro. Die Lieferung ist für den Folgetag geplant. Wegen der Verhaftung des B kommt es jedoch nicht mehr dazu. Es liegt noch kein versuchter Erwerb durch A vor, der Abschluss des Verpflichtungsgeschäfts ohne Erfüllungsgeschäft ist bloße straflose Vorbereitung des Erwerbs und noch kein Versuch.
Im Falle der Bestellung von Betäubungsmitteln bei einem Online-Shop ist umstritten, wann die Grenze der straflosen Vorbereitungshandlung überschritten wird.
Teilweise wird vertreten, dass bereits mit Bestellung und Bezahlung der Betäubungsmittel ein Versuch des Erwerbs vorliegt.
Einige Amtsgerichte dagegen nehmen an, dass das Versuchsstadium erst erreicht wird, wenn die bestellten Betäubungsmittel vom Verkäufer tatsächlich versendet werden (AG Freiburg Beschl. v. 10. 3. 2017 – 28 Ds 620 Js 19369/16, BeckRS 2017, 107249; AG Rudolstadt Urt. v. 6. 12. 2018 – 710 Js 2396/16 1 Ls, BeckRS 2018, 33602).
Das AG Freiburg führt in der genannten Entscheidung aus:
Der unter Ziffern 4, 5 und 6 der Anklage dargestellte Sachverhalt stellt nach Auffassung des Gerichts schon kein strafbares Verhalten dar, sondern - die Nachweisbarkeit vorausgesetzt - eine straflose Vorbereitungshandlung. Beim Erwerb von Betäubungsmitteln ist die Grenze von der Vorbereitungshandlung zum Versuch dann überschritten, wenn nach dem Tatplan der Abschluss des Geschäfts im engeren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang zu den Verhandlungen unmittelbar in die Übertragung der Verfügungsmacht an den Betäubungsmitteln einmünden soll. Das Verpflichtungsgeschäft eines Konsumenten ohne Erfüllungsgeschäft ist bloße Vorbereitung des Erwerbs und noch kein Versuch (vgl. Patzak in Körner/Patzak/Volkmer, BtmG, 8.A. 2016, § 29 Teil 10 Rn. 36f).
Die bloße Bestellung in den Fällen Ziffern 4., 5. und 6. stellt deshalb kein strafbares Verhalten dar. Weshalb auf die vorgeworfenen Bestellungen keine Auslieferung erfolgte, ist nicht bekannt. Mithin ist unklar bzw. kann nicht aufgeklärt werden, ob der Verkäufer die Bestellung bereits abgesendet hatte und die Grenze der straflosen Vorbereitungshandlung überschritten gewesen sein könnte. Da nach dem Ermittlungsergebnis bei den Ziffern 4., 5. und 6. nicht bekannt ist, welche Personen sich hinter den Verkäufer-Pseudonymen verbergen, bestehen auch keine Ermittlungsansätze zu einer weiteren Aufklärung.
In der Entscheidung des AG Rudolstadt heißt es:
Beim Erwerb von Drogen über Postversand ist das Vorbereitungsstadium überschritten und, weil damit eine unmittelbare Gefährdung des geschützten Rechtsguts einsetzt, bereits ein Versuch gegeben, wenn der Lieferant vereinbarungsgemäß die Sendung mit dem Rauschgift bei der Post im In- oder Ausland zur Weiterleitung an den Käufer aufgegeben hat (vgl. BayObLG, NStE Nr. 89 zu § 29 BtMG). Mit der Einlieferung bei der Post ist nach der Vorstellung beider Vertragspartner alles geschehen, um bei ungestörtem Fortgang, ohne daß es weiterer Handlungen des Täters bedürfte, die Verwirklichung des Tatbestands herbeizuführen (vgl. BGH, StV 1990, 408, 409; BGH, NStZ-RR 2004, 110, 111; Weber, BtMG, 5. Aufl., § 29 Rn. 1217). In Fällen, in denen der Erfolg erst zu einem späteren Zeitpunkt an einem anderen Ort eintreten soll, liegt Versuch bereits dann vor, wenn der Täter das Geschehen „aus der Hand gegeben“ hat (S/S-Eser/Bosch, StGB, 30. Aufl., § 22 Rn. 42).
Ich halte die in den amtsgerichtlichen Entscheidungen vertretene Auffassung für richtig. In Patzak/Volkmer/Fabricius, BtMG, 10. Auflage, 2022, § 29 Rn. 921 begründe ich dies wie folgt:
Da es beim Erwerb maßgeblich auf die Übertragung der tatsächlichen Sachherrschaft ankommt, tritt Versuchsbeginn erst mit dem Tätigwerden des Verkäufers und dessen Versand der Betäubungsmittel ein, weil erst damit – auch nach der Vorstellung des Täters – das deliktische Geschehen so weit fortgeschritten ist, dass es bei ungestörtem Fortgang unmittelbar in die Tatbestandsverwirklichung einmündet und eine unmittelbare Gefährdung des Rechtsguts des Erwerbers eintritt (vgl. BGHSt. 43, 177 = NJW 1997, 3453; Kühl in Lackner/Kühl StGB § 22 Rn. 8; Cornelius in BeckOK StGB § 22 Rn. 35)
Ich bin gespannt, was die obergerichtliche Rechtsprechung zu dieser Rechtsfrage dazu sagen wird…