BGH-Präsident Tolksdorf gegen "Deals" im Strafverfahren
Gespeichert von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg am
Der Präsident des Bundesgerichtshofs Prof. Dr. Klaus Tolksdorf kritisierte beim Jahrespresseempfang des Bundesgerichtshofs am 29.1.2009 harsch die weit verbreitete Praxis der Absprachen im Strafprozess:
Nach vielen dieser "Deals" würden Strafen verhängt, die man schwerlich als schuldangemessen bezeichnen könne: "Für welche Taten zwei Jahre mit Bewährung verhängt werden, da reibe auch ich mir verwundert die Augen." Dass in etwa 2/3 aller Strafprozesse die Urteile zwischen den Beteiligten und dem Gericht abgesprochen würden, sei eine Entwicklung, die er für gefährlich halte. Das Strafensystem sei in eine gefährliche Schieflage geraten, die "verheerend" für das Ansehen der Justiz sei.
Grundsätzlich begrüßte Tolksdorf die Initiative zur gesetzlichen Regelung. Allerdings unterscheidet sich der Gesetzentwurf kaum von den Vorgaben,die der Große Senat des BGH bereits in seinem Grundsatzbeschluss vom 3.3.2005 (BGHSt 50, 40 = NJW 2005, 1440) formuliert habe - Vorgaben, "die in der Praxis nicht immer eingehalten werden. " Der BGH-Präsident zeigte sich wenig zuversichtlich, dass die geplante gesetzliche Neuregelung Abhilfe schaffen werde.
Leitsätze des Beschlusses vom 3.3.2005 - GSSt 1/04
1. Das Gericht darf im Rahmen einer Urteilsabsprache an der Erörterung eines Rechtsmittelverzichts nicht mitwirken und auf einen solchen Verzicht auch nicht hinwirken.
2. Nach jedem Urteil, dem eine Urteilsabsprache zu Grunde liegt, ist der Rechtsmittelberechtigte, der nach § 35a S. 1 StPO über ein Rechtsmittel zu belehren ist, stets auch darüber zu belehren, dass er ungeachtet der Absprache in seiner Entscheidung frei ist, Rechtsmittel einzulegen (qualifizierte Belehrung). Das gilt auch dann, wenn die Absprache einen Rechtsmittelverzicht nicht zum Gegenstand hatte.
3. Der nach einer Urteilsabsprache erklärte Verzicht auf die Einlegung eines Rechtsmittels ist unwirksam, wenn der ihn erklärende Rechtsmittelberechtigte nicht qualifiziert belehrt worden ist.