Finanz- gegen Strafgericht - BGH ruft EuGH an
Gespeichert von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg am
Zwischen deutschen Finanz- und Strafgerichten ist ein Streit über die Behandlung von "Umsatzsteuerkarussellen" entbrannt, den nunmehr auf Vorlage des BGH der EuGH entscheiden muss:
Das LG Mannheim hatte den Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt, weil er den deutschen Fiskus innerhalb von zwei Jahren um mehr als 2,5 Millionen EURO geschädigt haben soll. Durch Scheinrechnungen soll er dafür gesorgt haben, dass die Abnehmer seiner Autos in Portugal die dort anfallende Mehrwertsteuer umgehen konnten.
Das Finanzgericht Baden-Württemberg (Az. 1 V 4305/08) kam jedoch ein halbes Jahr später zu dem Schluss, der Geschäftsführer habe trotz unzutreffender Rechnungen an die Abnehmer die Abgaben auch bei der Ausfuhr nicht entrichten müssen, weil "innergemeinschaftliche Lieferungen" im Land der Ausfuhr generell von der Steuer befreit sind.
Der BGH hat mit Beschluss vom 7.7.2009 - Az. 1 StR 41/09 - den "Streit" dem EuGH vorgelegt.
Wenn der EuGH sich dem Finanzgericht anschließt, hat die Revision des des Angeklagten Erfolg. Statt der verhängten Freiheitsstrafe käme dann nur wegen eine Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße von bis zu 5000 EURO in Betracht. Denn die Beteiligung an Steuersünder in Portugal ist in Deutschland nicht strafbar, weil es an der "Verbürgung gegenseitiger Strafverfolgung" fehlt, die § 370 AO voraussetzt.
Für mich überzeugend hält der BGH dies nicht für gerechtfertigt. Der Geschäftsmann habe durch ein "aufwendiges Täuschungssystem" die Identität der tatsächlichen Käufer verschleiert und dazu Bescheinigungen für das Bundeszentralamt für Steuern ebenso manipuliert wie seine eigene Buchführung. Bei der organisierten Hinterziehung von Umsatzsteuer entsteht auch ein enormer volkswirtschaftlicher Schaden. Redliche Mitbewerber erleiden Wettbewerbsnachteile, weil diese wegen der einzuhaltenden Steuerpflichten von ihren Kunden höhere Preise verlangen müssen.