Braucht Deutschland eine unabhängige Ermittlungsinstanz bei Vorwürfen gegen Polizeiverhalten wie in England und Wales?
Gespeichert von Prof. Dr. Henning Ernst Müller am
Nach den monatelangen inzwischen eingestellten Ermittlungen gegen zwei Polizeibeamte im Fall des getöteten Tennessee Eisenberg in Regensburg und seit dem vom BGH aufgehobenen Freispruch im Fall des im Gewahrsam verbrannten Ouri Jallow in Dessau steht das Thema polizeiunabhängiger Ermittlungen bei schwerwiegenden Vorwürfen gegen Polizeibeamte im Raum. So verschieden die Anlässe sind: Eine Behörde wie die IPCC (Independent Police Complaints Commission) im Vereinigten Königreich England und Wales, die Beschwerden gegen die Polizei nachgeht und bei schweren Vorwürfen diese auch selbst untersucht, hätte wohl in beiden angesprochenen Fällen selbständig ermittelt.
Die IPCC existiert seit 2004. Vorausgegangen waren jahrelange Forderungen von Initiativen und Menschenrechtsorganisationen, die anmahnten, Beschwerden gegen Polizeiverhalten werde in polizeiinternen Untersuchungen nicht mit dem nötigen Nachdruck nachgegangen.
Einflussreich war der hundertseitige Bericht (pdf) der britischen Menschenrechtsorganisation Liberty, welcher die IPCC strukturell vorbereitete.
Das IPCC besteht aus einem von der Krone ernannten Vorsitzenden und 12 öffentlich ernannten Mitgliedern, die zuvor nicht bei der Polizei tätig gewesen sein dürfen. Der Kommission stehen ein Exekutivstab und insgesamt 400 Ermittler zur Seite.
In den meisten Fällen von Beschwerden werden lediglich die internen Ermittlungen der Polizeibehörden überwacht oder begleitet. Bei schweren Vorwürfen kann die IPCC allerdings selbständig ermitteln (independent investigation), z. B. wenn jemand aufgrund Polizeiverhaltens getötet oder schwer verletzt wurde, beim Vorwurf von sexuellen Angriffen, beim Vorwurf schwerer Korruption; eine solche unabhängige Untersuchung wird insbesondere durchgeführt in Fällen, die in der Öffentlichkeit Aufsehen erregt haben, in Fällen, die erhebliche Bedeutung für das Zusammenleben in der Gesellschaft haben und in Fällen, die ernsthafte Folgen für den Ruf der Polizei haben können.
Bei ihrer ermittelnden Tätigkeit stehen den Ermittlern der IPCC dieselben Rechte zu wie Kriminalbeamten.
Zu schwerwiegenden Vorwürfen, die meist auch in der Öffentlichkeit diskutiert wurden, erscheinen ausführliche Berichte (reports), die im Internet verfügbar gestellt werden (zum Beispiel hier).
Die Berichte enthalten eingehende Darstellungen zum Ablauf des Sachverhalts, der Gegenstand der Beschwerde ist, dazu, ob seitens der Polizei Fehler begangen wurden und wenn dies der Fall ist, enthalten die Berichte auch Angaben zu vorgeschlagenen Reaktionen.
Unabhängige Ermittlungsorgane zur Polizeiarbeit sind auch in anderen europäischen Ländern - vor allem zur Korruptionskontrolle - bekannt, die IPCC ist momentan nach meiner Einschätzung allerdings die umfassendste.
Hauptziel der Kommission ist es, das öffentliche Vertrauen in die Polizei und deren in England bestehendes Beschwerdesystem zu fördern.
Dieses Ziel wird auch durch die Veröffentlichung regelmäßiger Berichte zu allgemeineren Themen verfolgt, etwa einem jährlichen Bericht zu "Todesfällen während oder nach Polizeikontakt" (pdf), eine solche Transparenz vermisst man in Deutschland seit Langem.
Amnesty International hat ein entsprechendes unabhängiges Ermittlungsorgan in Deutschland vor fünf Jahren gefordert. (pdf).
Sicherlich ist das IPCC nicht eins zu eins auf Deutschland übertragbar, insbesondere entspricht das englische Beschwerdesystem nicht dem hiesigen Vorgehen; außerdem passt eine zentrale unabhängige Ermittlungsinstanz nicht zur föderalistischen Struktur der Polizei in Deutschland. Aber dennoch sollte man die Schaffung einer Institution mit ähnlichen Aufgaben, gerade auch im Interesse der Polizei und des öffentlichen Vertrauens in ihre Arbeit, ernsthaft in Betracht ziehen.
Liebe Leserinnen und Leser,
ein im Beck-Blog schon hinlänglich bekannter Troll, vermutlich ein Münchener Rechtsanwalt, hat sich offenkundig zum Ziel gesetzt, den Beck-Blog unlesbar zu machen, indem er im Minutenabstand immer wieder dieselben Kommentare unter beliebige Beiträge setzt. Ich habe durchaus Mitleid mit dem Münchener Juristenkollegen, der dazu vermutlich von einem Wahn getrieben wird. Aber ich sehe im Moment keine andere Möglichkeit als die Kommentarspalte (auch hier) zu schließen.
Beste Grüße
Henning Ernst Müller