Revisionsproblem: "verminderte Einsichts- und Steuerungsfähigkeit"
Gespeichert von Carsten Krumm am
Manchmal geraten Formulierungen in Urteile, die in ihrer Tragweite dem Tatrichter gar nicht so klar sind. Eine davon ist sicher die Annahme "verminderter Einsichts- und Steuerungsfähigkeit":
Das Landgericht ist "zu Gunsten des Angeklagten" jeweils von einer "erheblich verminderten Schuldfähigkeit" ausgegangen, weil es angesichts des vom Angeklagten vor beiden Taten genossenen Alkohols nicht hat ausschließen können, dass der Angeklagte dadurch "in seiner Einsichts- und Steuerungsfähigkeit beeinträchtigt" (UA S. 17 hinsichtlich der zweiten Tat) bzw. dass dessen "Steuerungs- und Einsichtsfähigkeit aufgrund des vorher konsumierten Alkohols vermindert" war (UA S. 27 hinsichtlich der ersten Tat).
Mit der Annahme erheblich verminderter Einsichtsfähigkeit hat das Landgericht hier dem Schuldspruch den Boden entzogen, denn es fehlt die notwendige Feststellung, welche Wirkung dies im konkreten Fall für die Unrechtseinsicht des Angeklagten hatte. § 21 StGB regelt, ebenso wie § 20 StGB, soweit er auf die Einsichtsfähigkeit abstellt, einen Fall des Verbotsirrtums. Fehlt dem Täter die Einsicht wegen seiner krankhaften seelischen Störung oder aus einem anderen in § 20 StGB benannten Grund, ohne dass ihm dies zum Vorwurf gemacht werden kann, so ist - auch bei an sich nur verminderter Einsichtsfähigkeit - nicht § 21 StGB, sondern § 20 StGB anzuwenden. Die Vorschrift des § 21 StGB kann in den Fällen der verminderten Einsichtsfähigkeit nur dann angewendet werden, wenn die Einsicht gefehlt hat und dies dem Täter vorzuwerfen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Juli 2003 - 2 StR 215/03 mwN juris; Fischer, StGB, 58. Aufl., § 21 Rn. 3).
Der Senat kann hier auch bei Würdigung des Gesamtzusammenhangs der Urteilsgründe nicht davon ausgehen, dass es sich nur um ein offensichtliches Versehen im Ausdruck handelt und das Landgericht tatsächlich von der Unrechtseinsicht überzeugt war. Die Erwägungen, mit denen das Landgericht eine Schuldunfähigkeit abgelehnt hat (UA S. 16 und 26), beziehen sich erkennbar nur auf die Steuerungsfähigkeit infolge des Alkoholgenusses. Die Sache muss deshalb erneut verhandelt und entschieden werden.
BGH, Beschluss vom 1.3.2011 - 3 StR 22/11