Ein (zu) mitteilsamer Bewerber
Gespeichert von Prof. Dr. Markus Stoffels am
Die Problematik der Grenzen des arbeitgeberseitigen Fragerechts im Bewerbungsverfahren ist jedem Arbeitsrechtler gut bekannt. Was aber ist, wenn ein Bewerber von sich aus Umstände aus seinem Privatleben mitteilt, die den Arbeitgeber nichts angehen? Grundsätzlich ist er von Rechts wegen nicht gehindert dies zu tun. Das Datenschutzrecht steht einer freiwilligen Preisgabe persönlicher Daten nicht entgegen. Ein Rechtsproblem wurde daraus aber im folgenden Fall. Der Kläger stand im Leistungsbezug nach dem SGB II. Die beklagte Agentur für Arbeit hatte dem arbeitslosen Kläger aufgegeben, in seinen Bewerbungen auf die von ihm den Bewerbungsunterlagen beigefügte „Mottoliste“ zu verzichten, in der er Stichworte zu persönlichen und teilweise intimen Anschauungen präsentierte. Es fanden sich dort Stichwörter u.a. zu den Themen "Erholen", "Schlafen", "Gymnastik", "Zahnweh", "Grippe", "Migräne", "Sex", "Kunst". Das Weglassen der Mottoliste sei erforderlich, um überhaupt eine Einstellungsaussicht zu ermöglichen. Die darin enthaltenen Schilderung der in der Intimsphäre angesiedelten Vorlieben des Klägers würden potentielle Arbeitsgeber abhalten, seiner Bewerbung näherzutreten. Der Kläger sah dies anders und wollte von seiner Mottoliste nicht abgehen. Das LSG Hamburg (16.6.2011 - L 5 AS 357/10) gab hingegen der Behörde recht. Das Gericht führte aus: „Dass die Beifügung der Mottoliste des Klägers mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Scheitern jeglicher Bewerbungsbemühungen führen würde, ergibt sich daraus, dass es den Üblichkeiten von Bewerbungsverfahren offensichtlich widerspricht, Darlegungen über die innersten Einstellungen und Anschauungen zu Sexualität und Geistes- bzw. Gefühlswelt vorzulegen. Dem Leser solcher Darlegungen wird sich der Eindruck aufdrängen, dass es dem Bewerber jedenfalls nicht um die angebotene Stelle, sondern eher um das Erforschen und Umkreisen des eigenen Persönlichkeitskerns geht. Die darin liegende Manifestation des Desinteresses an der konkreten Tätigkeit und der Konzentration auf die eigene Persönlichkeit wird potentielle Arbeitgeber nach der Lebenserfahrung abhalten, den Kläger für eine Stelle auszuwählen. Anders als der Kläger meint, gibt seine Mottoliste keinen Aufschluss über seinen Leistungswerdegang; sie hat erkennbar weder beruflichen Bezug noch berufliche Relevanz.“