Das Vereinsrecht muss weg!
Gespeichert von Prof. Dr. Claus Koss am
Das deutsche Volk ist zweigeteilt: Vereinsmitglieder und solche, die sich in Vereinen engagieren. Das deutsche Vereinsrecht ist auch zweigeteilt: da gibt es den nicht wirtschaftlichen Verein (§ 21 BGB), der durch Eintragung in das Vereinsregister Rechtsfähigkeit erlangt - und da gibt es den wirtschaftlichen Verein (§ 22 BGB), der durch staatliche Verleihung Rechtsfähigkeit erlangt. Auch das deutsche Vereinssteuerrecht teilt die Vereine in zwei Lager: die steuerbegünstigten Körperschaften und die nicht-ertragsteuerbefreiten Vereine. Die Rechtsfähigkeit spielt im Steuerrecht grundsätzlich keine Rolle.
Die große Unruhe unter den deutschen Vereinen begann wohl in Rheinland-Pfalz. Das OLG Zweibrücken (Beschluss vom 03.09.2013 - 3 W 34/13) entschied, dass ein Fitnessstudio könne nicht als Idealverein in das Vereinsregister eingetragen werden, weil es sich im Regelfall um einen wirtschaftlichen Verein handelt. Siehe hierzu bereits: http://community.beck.de/2014/03/12/ein-fitnessstudio-als-eingetragener-verein.
Das wirkliche Beben ging dann vom Kammergericht aus: Mit Beschluss vom 07.03.2012 - 25 W 95/11 hatte dieses die Eintragung eines Vereins abgelehnt, der seine steuerbegünstigten Zwecke im Wesentlichen als Konzertveranstalter verwirklichen wollte.
Mit zwei Beschlüssen, jeweils vom 16.02.2016 - 22 W 88/14 bzw. 22 W 71/15, wurde die Löschung von zwei Kindertagesstätten-Betreibern verfügt, Begründung immer:
- Ein Verein, der mehrere Kindertagesstätten betreibt, ist kein Idealverein, wenn er Kinderbetreuung nur oder im Wesentlichen am freien Markt in Konkurrenz zu Dritt-Anbietern anbietet.
- Es kommt bei der Frage 'Idealverein oder nicht?' nicht auf die eigentlichen Satzungszwecke an.
- Die Anerkennung als steuerbegünstigte Körperschaft (vom KG mit dem steuerrechtlich laienhaften Begriff "Bestehen von Gemeinnützigkeit" beschrieben) sei unerheblich.
Geht der Berater die Liste der klassischen Vereinszwecke (Sport, Wohlfahrtspflege, Geselligkeit) durch, kommt er schnell zu dem Ergebnis, dass es eigentlich keinen Vereinszweck mehr gibt, bei dem es nicht eine Konkurrenz zu Dritt-Anbietern gibt. Der Verfasser kennt zumindest keinen. Wenn die Entscheidungen des KG herrschende Meinung wird, gibt es bald keinen Idealverein mehr.
Zweite Überlegung: was bedeutet die Löschung? Oder dogmatisch gefragt: ist die Eintragung in das Vereinsregister deklaratorisch oder konstitutiv? Was heißt die Löschung dann für die Verantwortlichen im Verein? Stehen sie dann rückwirkend seit Gründung des Vereins in der persönlichen Haftung? Wer möchte sich dann noch in einem Verein engagieren?
Der Lösungsvorschlag des Verfassers: weg mit der Zweiteilung im deutschen Vereinsrechts!
Warum soll nicht ein Verein - wie die Kapitalgesellschaften - zu jedem beliebigen Zweck gegründet werden dürfen? Um die Wettbewerbsgleichheit der Rechtsformen aufrecht zu erhalten und den Rechtsverkehr zu schützen, bedarf es der gleichen Anforderungen an die Transparenz aller rechtsfähigen Körperschaften.
Konkret: Bevor eine Bank ein Darlehen an eine GmbH ausreicht, kann sie sich durch die Vorlage der Jahresabschlüsse und aus allgemein zugänglichen Quellen informieren (z.B. Handelsregister, Bundesanzeiger). Außerdem wissen die Geschäftspartner einer Kapitalgesellschaft, dass die Anforderungen an die Erhaltung des gesetzlich vorgeschriebenen oder statuarischen Kapitals gesetzlich normiert sind - Kapitalgesellschaften besitzen damit eine grundsätzlich höhere Kreditwürdigkeit als ein Verein - der ohne Eigenkapital gegründet werden kann.
Lassen wir doch den Rechtsverkehr, Ökonomen würden sagen: 'den freien Markt', entscheiden, ob ein Verein genug Kredit aufnehmen kann, um ein neues Krankenhaus zu bauen oder eine Kindertagesstätte zu betreiben.
Der Gesetzgeber müsste nur die gleichen Rechnungslegungs- und Offenlegungsvorschriften für alle juristischen Personen gelten lassen. Wenn die Lieferanten das Sommerfest bestücken oder die Sporthalle bauen, ohne sich vorher über die finanzielle Situation zu informieren, ist das ihr Problem. Wenn aber keine nach anerkannten Rechnungslegungsstandards ermittelten Zahlen verfügbar sind und damit keine Vergleichbarkeit gegeben ist, dann tut sich auch der willigste Kreditor mit einer Beurteilung schwer.
Wem die Transparenz zu viel oder die kaufmännische Buchhaltung zuviel ist, der kann seine Aktivitäten ja als nicht-rechtsfähiger Verein betreiben. Diese Mühen sind eben der Preis für die Beschränkung der Haftung auf das Vereinsvermögen.
Auf einer zweiten Stufe sollten dann Finanzbehörden entscheiden, ob die Satzung und tatsächliche Geschäftsführung den Anforderungen den Gemeinnützigkeitsrechts in einem Maße entsprechen, dass der Fiskus auf seinen Anspruch der Ertragsbesteuerung grundsätzlich verzichtet. Das ist dann aber keine Frage der Rechtsfähigkeit mehr, sondern einer fiskalischen Entscheidung, welche Zwecke dem Gemeinwohl dienen.
Damit wäre für Vereine Rechtssicherheit geschaffen. Denn für das Gemeinnützigkeitsrecht gibt es durch die Abgabenordnung, Finanzrechtsprechung und Verwaltungsanweisungen einen hinreichend beschriebenen und weitgehend bundeseinheitlich geltenden Rechtsrahmen.