Entwurf eines zweiten Gesetzes zur Teilhabe von Frauen an Führungspositionen (FüPoG II)
Gespeichert von Dr. Cornelius Wilk am
Der am 19. Februar 2020 bekannt gewordene, bislang nicht offiziell veröffentlichte „Referentenentwurf“ des Justiz- und des Familienministeriums vom 16. Januar 2020 sieht u. a. eine Ausweitung der Frauenquote in Aufsichtsräten und die Bestellung mindestens einer Frau in Vorständen mit mehr als drei Mitgliedern vor.
Mindestbeteiligung von Frauen im AG- und SE-Vorstand
Nach § 76 Abs. 3a AktG-E müsste der Vorstand einer AG zukünftig aus mindestens einer Frau bestehen, wenn die Gesellschaft (i) über einen Vorstand mit mehr als drei Mitgliedern verfügt, (ii) börsennotiert ist und (iii) nach dem Mitbestimmungsgesetz, dem Montan-Mitbestimmungsgesetz oder dem Mitbestimmungsergänzungsgesetz mitbestimmt ist. Hiergegen verstoßende Bestellungen sollen nichtig sein.
Dieselbe Mindestbeteiligung sieht § 16 SEAG-E für den Vorstand einer dualistischen SE vor, die (i) über einen Vorstand mit mehr als drei Mitgliedern verfügt, (ii) börsennotiert ist und (iii) über einen gleichmäßig mit Anteilseigner- und Arbeitnehmervertretern besetzten Aufsichtsrat verfügt. Nicht vorgesehen ist eine vergleichbare Mindestbeteiligung für die monistische SE.
Frauenquote im AG- und SE-Aufsichtsrat unabhängig von Börsennotierung
Die bereits 2015 mit dem FüPoG I eingeführte Geschlechterquote für den AG- und SE-Aufsichtsrat sowie den SE-Verwaltungsrat soll geändert und deutlich ausgeweitet werden. Die bislang für Männer und Frauen geltende Mindestbeteiligung von 30 % soll künftig nur für Frauen gelten (§ 96 Abs. 2, 3 AktG-E, § 17 Abs. 2 und § 24 Abs. 3 SEAG-E). Erfasst sein soll eine AG oder SE bereits dann, wenn sie der paritätischen Mitbestimmung unterliegt. Auch nichtbörsennotierte Gesellschaften lägen damit künftig im Anwendungsbereich der Quote. Weiterhin nicht erfasst wären Gesellschaften, die börsennotiert und unterparitätisch (oder gar nicht) mitbestimmt sind.
Frauenquote im mitbestimmten GmbH-Aufsichtsrat
Eine verbindliche 30 %-Frauenquote soll künftig auch für den Aufsichtsrat einer paritätisch mitbestimmten GmbH gelten (§ 52 Abs. 1a GmbHG-E). Verfahren und Berechnungsweisen sollen sich dann wie in der AG gestalten.
Erweiterte Angaben bei der Festlegung von Zielgrößen
Die ebenfalls bereits 2015 mit dem FüPoG I eingeführte Pflicht für Gesellschaften, sich selbst Zielgrößen für den Frauenanteil in bestimmten Gremien und Führungsebenen zu setzen, wird im Entwurf erweitert. Die Zielgrößen, die der Vorstand einer börsennotierten oder mitbestimmten AG oder SE für den Frauenanteil in den beiden Führungsebenen unterhalb des Vorstands setzen muss, sollen künftig sowohl als Prozentangabe als auch als absolute Anzahl von Frauen angegeben werden (§ 76 Abs. 4 S. 2 AktG-E). Soweit der Vorstand auf einer Ebene die Zielgröße Null angibt, muss er dies „klar und allgemein verständlich“ begründen und „ausführlich die Erwägungen darlegen, die der Entscheidung zugrunde liegen“ (§ 76 Abs. 2 S. 3, 4 AktG-E). Entsprechende Zielgrößen-Angaben soll ein AG- oder SE-Aufsichtsrat in Bezug auf die Aufsichtsrats- und Vorstandsbesetzung machen, wenn die Gesellschaft börsennotiert oder mitbestimmt ist und soweit sie keiner festen Frauenquote bzw. -mindestbeteiligung unterliegt (§ 111 Abs. 5 AktG-E).
In der mitbestimmten GmbH ist die Geschäftsführung entsprechend weiterhin in Bezug auf die beiden nachgeordneten Führungsebenen angabepflichtig (§ 36 GmbHG-E). Ebenso hat die GmbH-Gesellschafterversammlung weiterhin Zielgrößen-Angaben in Bezug auf die Zusammensetzung von Aufsichtsrat und Geschäftsführung zu machen, wenn die Gesellschaft einen Aufsichtsrat nach dem DrittelbeteiligungsG zu bilden hat. Der Aufsichtsrat einer paritätisch mitbestimmten GmbH ist in Bezug auf die Zusammensetzung der Geschäftsführung verpflichtet (§ 52 Abs. 2 GmbHG-E).
Berichterstattung
Parallel zu den neuen Quoten- und Mindestbeteiligungsregeln enthält der Entwurf erweiterte Berichtspflichten zu den anwendbaren bzw. selbst gesetzten Werten, deren Erreichen sowie ggf. zu den Gründen für ein Nichterreichen bzw. eine Null-Zielgröße (§ 289f Abs. 2, 4 HGB-E).
Geplantes Inkrafftreten und Übergangsregelungen
Als Inkrafttretenstermin fasst der Entwurf den 1. Mai 2021 ins Auge. Die Quoten- und Mindestbeteiligungsregeln sollen bei Neuwahlen, -bestellungen und -entsendungen ab dem 1. Januar 2022 gelten; ein Eingriff in laufende Amtszeiten ist nicht vorgesehen. Speziell für den SE-Vorstand und -Verwaltungsrat ist abweichend – und möglicherweise versehentlich – der 1. Januar 2021 vorgesehen. Die geänderten HGB-Berichtspflichten sollen erstmals für nach dem 31. Dezember 2020 beginnende Geschäftsjahre gelten.
Ein parlamentarisches Verfahren zum Entwurf ist noch nicht eingeleitet. Ob und wann dies beginnen wird, ist nicht absehbar.