Fiktive Mängelbeseitigungskosten im Baurecht - nächste Runde! (BGH VII ARZ 1/20 v. 8.10.2020)
Gespeichert von Dr. Michael Selk am
An anderer Stelle hatte ich hier bereits über den Streit zwischen dem V. und dem VII. Zivilsenat berichtet - gibt es noch fiktive Mängelbeseitigungskosten im privaten Baurecht?
Nun hat der VII. Zivilsenat des BGH (Bausenat) die Anfrage des V. Zivilsenats beantwortet - er hält, wenig überraschend, an seiner Auffassung fest, wonach der "kleine Schadensersatz" nicht anhand der noch nicht aufgewendeten, also "fiktiven" Mängelbeseitigungskosten berechnet werden kann. Der Beschluss ist recht ausführlich begründet. Sieht man sich die Argumentation näher an, so wiederholt und vertieft der Senat die schon früher vorgebrachten Gedanken.
Wenn der VII. Zivilsenat allerdings davon spricht, dass es sich bei der früheren Linie, die die fiktiven Mängelbeseitigungskosten als Schaden auf Nettobasis bejahte, von einer "Fehlentwicklung" spricht, von einer Auffassung, die als "lukrative Geldquelle" genutzt worden sei, so geht dies m.E. allerdings schon von der Diktion her zu weit. Der Senat zitiert auch noch Voit, der gar von einer "dritten Säule" zur Finanzierung eines Bauvorhabens sprach (NJW 2018, 2166).
Derartige Sätze allerdings dürfte bei manchen Bauherren, die nach Bezahlung der Baufirma oft angesichts gravierender Mängel vor dem finanziellen Nichts stehen, - vorsichtig formuliert - zynisch klingen. So lässt der Senat unberücksichtigt, dass gerade in der heutigen Zeit es selbst bei sehr gutem Willen oft ein Ding der Unmöglichkeit ist, überhaupt noch Firmen zu finden, die bereit sind, ohne Weiteres die Arbeiten an einem mangelhaften Werk fortzusetzen. Falls man dann doch welche gefunden hat, dann ist der von Ihnen genannte Preis oft ein Mehrfaches dessen, was die Sachverständige im Gutachten anhand der Baukostenindizes vorgerechnet haben. Das wiederum wissen manche Baufirmen und lehnen sich so in den Prozessen durchaus entspannt zurück.
Zudem überzeugt das vom VII. Zivilsenat genannte Beispiel (Rn 42 des Beschlusses) nicht wirklich - wenn immer wieder auf die Fälle der hohen Mängelbeseitigungskosten bei nur geringen Mängeln verwiesen wird, so mag dies letztlich der vom Gesetzgeber ja durchaus gesehene Fall der unverhältnismäßigen Mängelbeseitigungskosten des § 635 III BGB sein, auch wenn der Senat im Beschluss dies mit einem Satz kurz verwirft. Die Lösung muss daher an anderen Stellschrauben anzusetzen sein.
Wie geht es weiter? Selbst wenn der V. Ziviilsenat nun die Entscheidungserheblichkeit - und damit die Divergenz - verneinen sollte, kann er noch immer die Vorlage gem. § 132 IV GVG zum Großen Senat veranlassen. Es ist davon auszugehen, dass der V. Senat in seinem Beschluss vom 13.3.2020 die folgenden Schritte schon vorausgesehen hat, so dass der nächste Schritt der konsequente wäre: die Vorlage der Frage beim Großen Senat für Zivilsachen. Historisch ist dies allemal - und prüfungsrelevant sind die Fragen ohnehin.