Erstmals ermitteln deutsche Staatsanwälte gegen Ex-Rotarmisten wegen einer Massenexekution in Deutschland

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 31.12.2008

Wenige Tage vor Ende des Zweiten Weltkriegs erschossen Rotarmisten am 23. April 1945 nahe dem brandenburgischen Städtchen Treuenbrietzen im Zuge einer Massenexekution zahlreiche Männer. Die Schätzungen liegen zwischen 88 und mehr als 700 Toten.

Nach einer Strafanzeige ermittelt nun die Staatsanwaltschaft Potsdam "gegen unbekannte Angehörige der Roten Armee wegen Mordes zum Nachteil deutscher Zivilpersonen". Mitte November wandte sich die Staatsanwaltschaft im Rahmen des "Rechtshilfeverkehrs in strafrechtlichen Angelegenheiten" an den russischen Generalstaatsanwalt mit der Frage, welche Einheiten und Kommandeure für die Erschießungen verantwortlich sein könnten. Eine Antwort aus Moskau steht noch aus (Quelle: Der SPIEGEL Nr. 1 vom 29.12.2008 S. 31).

Warum erfolgen die Ermittlungen allein wegen Mordes und nicht wegen eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit? Weil sich wegen des Rückwirkungsverbots, § 2 Abs. 1 StGB, die Strafe nach dem zur Zeit der Tat, § 8 StGB, geltenden Gesetz bestimmt. Zwar kennt das Völkerstrafgesetzbuch (VStGB) diese beiden Tatbestände, jedoch ist es erst am 30.6.2002 in Kraft getreten. Damit verbleibt es allein bei einer Strafbarkeit nach dem Strafgesetzbuch (StGB), das diese beiden Tatbestände jedoch nicht kennt. Übrigens: Eine Zuständigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs ist nicht gegeben, weil nach Art. 11 Abs. 1 Römisches Statut des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH-Statut) seine Gerichtsbarkeit sich nur auf Verbrechen erstreckt, die nach Inkrafttreten des Statuts begangen worden sind - also nach dem 1.7.2002.

Dies ist mein letzter Beitrag im alten Jahr: Deshalb allen Lesern einen guten Rutsch und alles Gute für das Neue Jahr!

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