Baden-Württemberg führt als erstes Bundesland "elektronische Fußfessel" im Strafvollzug ein

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 05.08.2009Der baden-württembergische Landtag hat einem Gesetzesentwurf des Landesjustizministers Ulrich Goll (FDP) zur Einführung der elektronischen Aufsicht im Strafvollzug zugestimmt. Nach einer Mitteilung des Justizministeriums vom 29.07.2009 soll die Fußfessel, die das Bewegungsprofil des Verurteilten aufzeichnet, bei der Entlassungsvorbereitung von Inhaftierten und bei der Ableistung von Ersatzfreiheitsstrafen wegen unbezahlter Geldstrafen zur Anwendung kommen. Nun folgt die Ausschreibung für die technische Durchführung. Nach Aussage des Ministers ist mit einem erstmaligen Einsatz Ende des Jahres 2009 zu rechnen.

Goll: Haftvermeidung ist die beste Resozialisierung

Das Land nutzt damit seine durch die Föderalismusreform neu erworbene Gesetzgebungskompetenz im Strafvollzug. Laut Justizminister kommt die Regelung besonders der Resozialisierung Verurteilter zu Gute, da Haftvermeidung die beste Resozialisierung sei. Die neue elektronische Aufsicht sei deswegen eine sinnvolle Ergänzung zu bekannten Lockerungsmöglichkeiten des Strafvollzugs. Auch die Anwendung bei der Ableistung von Ersatzfreiheitsstrafen befürwortet Goll, denn «das Gefängnis ist nicht der richtige Ort für den, der eigentlich zu einer Geldstrafe verurteilt wurde und diese nicht bezahlen kann.»

Voraussetzungen und Ablauf

Neben der Zugehörigkeit zu einer der beiden genannten Teilnehmergruppen ist Voraussetzung für eine Anwendung, dass weder eine Flucht- noch eine Missbrauchsgefahr durch den Häftling besteht, erläutert das Ministerium weiter. Des Weiteren müssen der Verurteilte und andere in deren Privatwohnung lebende Erwachsene der Überwachung zustimmen. Der Teilnehmer muss zudem über eine eigene Wohnung sowie über eine Arbeits- oder Ausbildungsstelle oder eine vergleichbare Tagesstruktur verfügen. Zu Beginn der elektronischen Aufsicht werden ein Vollzugsprogramm und der vorgesehene Tages- oder Wochenablauf festgelegt, der neben Arbeits- und Freizeitintervallen auch die Teilnahme an Therapien oder Schulungen vorsehen kann. Während der gesamten Dauer der elektronischen Aufsicht ist den Anweisungen der für die elektronische Aufsicht zuständigen Mitarbeiter Folge zu leisten. Zudem sind Weisungen möglich, wo sich der Gefangene aufhalten muss, ob er sich in ärztliche Betreuung zu begeben hat oder ob er auf Alkohol oder andere Drogen verzichten muss. Es besteht kein Anrecht auf Freizeit außerhalb der Wohnung. Bei Verstößen gegen die Anordnungen reichen die Konsequenzen von einer einfachen Verwarnung über die Streichung von Freizeit außerhalb der Wohnung bis hin zur Verlängerung der Maßnahme oder dem Abbruch und Rückführung in die Vollzugsanstalt.

Befristung und Evaluierung

Das Gesetz ist zunächst auf vier Jahre befristet. Vor Ablauf der vierjährigen Frist soll das Gesetz unter Beteiligung des Innenministeriums evaluiert werden. Die Gesamtkosten für den Modellversuch werden auf 85.000 Euro geschätzt. An den Kosten der Maßnahme soll sich ein Gefangener - anders als noch im Anhörungsentwurf geplant - nicht beteiligen müssen.

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3 Kommentare

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Könnte man gut im Zusammenhang mit dem anderen Blog-Beitrag diskutieren wo es um mit Schwarzfahrern gefüllte Gefängnisse geht.

Fußfesseln benötigt man m.E. hautpsächlich dort flächig wo andere Sachen im Argen liegen.

In GB ist glaube ich zu Zeiten Blairs (8 jahre) die Anzahl der Gefängnisinsassen von 60.000 auf >90.000 angestiegen, mit dramatischen Zuständen u.a. in Jugendgefängnissen. Man hat neben Auslagerungen auf Gefängnisschiffe dann die Fußfessel eingesetzt.

Passt daher (brandaktuell) auch zum Thema:

http://www.20min.ch/news/ausland/story/Mit-Kameras-gegen-Problem-Familie...

Anstatt Methodik des Strafvollzuges anzupasssen könnte man auch die Methodik der Verurteilung/Justiz (Politik) anpassen. Womöglich würde man feststellen das dies effektiver ist.

Grüße

ALOA

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Sehr geehrter Herr Bothge,

vielen Dank für Ihren zutreffenden Hinweis auf den früheren Blog-Beitrag von Herrn Kollegen Müller. Ein solches Missgeschick, auf das mich zwischenzeitlich auch Herr Kollege Müller schon aufmerksam gemacht hat, sollte nicht passieren. Tut mir leid. Abends, im Eifer des Gefechts ist es eben passiert. Nachdem jetzt schon zwei Zuschriften vorliegen, möchte ich den Beitrag nicht löschen.

Beste Grüße
Bernd von Heintschel-Heinegg

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