Ungewöhnlich: Die Parteien wollen sich vergleichen - doch der Richter will nicht protokollieren

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 29.08.2011
Rechtsgebiete: VergleichProtokollierungFamilienrecht1|7925 Aufrufe

Oft wird den Richtern vorgeworfen, sie nötigten die Parteien zum Vergleichsabschluss.

Hier war es umgekehrt: Die Parteien wollten anlässlich des Scheidungstermins eine umfangreiche Folgenvereinbarung (einschließlich einer Grundstücksübetragung) schließen. Der Richter weigerte sich, diesen Vergleich zu protkollieren.

Der BGH hat dazu jetzt klargestellt:

 

1. Ein Anspruch auf Protokollierung eines gerichtlichen Vergleichs nach § 127 a BGB besteht lediglich insoweit, als die Prozessparteien den Streitgegenstand des Verfahrens teilweise oder abschließend regeln.

2. Soweit die Einigung der Parteien darüber hinausgeht, aber noch in einem inneren Zusammenhang mit dem Streitgegenstand steht, liegt es im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts, ob und in welchem Umfang es die Einigung als gerichtlichen Vergleich im Sinne von § 127 a BGB protokolliert. 

 

Bei Ausübung des Ermessens hat das Gericht zu berücksichtigen, dass die Beurkundsungstätigkeit grundsätzlich den Notaren übertragen ist. Das Gericht hat also zu prüfen, ob es selbst den notwendigen Belehrungs- und Mitteilungspflichten nachkommen kann.

Schließlich kann auch das Haftungsrisiko im Falle der Protokollierung eines gerichtlichen Vergleichs nicht völlig unberücksichtigt bleiben. Selbst wenn der gerichtliche Vergleich als Spruchrichtertätigkeit unter das zum Schutz der richterlichen Unabhängigkeit geltende Richterprivileg fiele (Art.34 GG iVm § 839 BGB; vgl. zum Spruchrichterprivileg BGHZ 155, 306 = FamRZ 2003, 1541 f.; OLG Bremen NJW-RR 2001, 1036, 1037 und schon RGZ 48, 183, 186 f.), wäre das Haftungsrisiko des Dienstherren zu beachten. 

 

BGH v. 03.08.2011 - XII ZB 153/10

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1 Kommentar

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Mein AG-Leiter hat mal erzählt, dass er die Parteien in einem ähnlich gelagerten Fall vom Abschluss eines Kaufvertrags abbringen und zum vergleichsweisen Abschluss eines Vorvertrags auf Übertragung eines Grundstücks bringen konnte...

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