Umgang nur auf polnisch = Geldentschädigung?

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 01.09.2011
Rechtsgebiete: Umgangbegleiteter UmgangFamilienrecht13|5707 Aufrufe

Das OLG Hamburg hatte darüber zu entscheiden, ob eine Auflage des Jugendamtes, beim begleiteten Umgang mit seinen Kindern Deutsch anstatt Polnisch zu sprechen, eine Geldentschädigung wegen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung rechtfertigt.

Das Oberlandesgericht hatte über Amtshaftungsansprüche zu befinden, die der Kläger gegen die Freie und Hansestadt Hamburg mit der Begründung geltend machte, das Jugendamt Hamburg-Bergedorf habe ihn dadurch in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt, dass es ihm bei begleiteten Umgangskontakten mit seinen Kindern nicht ermöglicht habe, Polnisch zu sprechen.

Der Kläger ist Vater zweier Kinder. Er schloss 2003 mit seiner von ihm getrennt lebenden Ehefrau vor dem AG Pinneberg eine Vereinbarung über den Umgang mit den bei der Mutter lebenden Kindern. Die Vereinbarung sah vor, dass die Umgangskontakte begleitet, d.h. im Beisein eines Jugendamtsmitarbeiters, stattfinden sollten. Der Kläger verfügt über die polnische sowie die deutsche Staatsangehörigkeit und beherrscht beide Sprachen. In einem Vorgespräch teilte er dem Jugendamt Hamburg-Bergedorf mit, er wolle mit den Kindern bei den Umgangskontakten auch Polnisch sprechen. Dies lehnte das Jugendamt mit der Begründung ab, es stehe kein Mitarbeiter zur Verfügung, der Polnisch verstehe und die Umgangskontakte begleiten könne. Daraufhin nahm der Kläger die vereinbarten Umgangskontakte nicht wahr und erhob stattdessen Klage vor dem VG Hamburg. Dieses Verfahren erledigte sich, nachdem es vor dem Familiengericht zu einer Einigung gekommen war, wonach nunmehr begleiteter Umgang in polnischer Sprache stattfinden sollte.

Anschließend verlangte der Kläger vor dem LG Hamburg von der Beklagten ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 15.000 Euro. Er begründete dies damit, das Jugendamt habe dadurch, dass es die polnischsprachigen Umgangskontakte abgelehnt habe, gegen seine Verpflichtung zur Unterstützung des Umgangs verstoßen und ihm rechtswidrig die Kinder entzogen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es könne offen bleiben, ob die Jugendamtsmitarbeiter ihre Amtspflichten verletzt hätten, denn selbst wenn dies der Fall gewesen wäre, sei nach Abwägung der Gesamtumstände die Beeinträchtigung des Klägers nicht so erheblich gewesen, dass er eine Geldentschädigung verlangen könne. Eine Geldentschädigung wegen einer Persönlichkeitsverletzung komme nur in Betracht, wenn es sich um eine schwerwiegende Verletzung handele und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise ausgeglichen werden könne. Ein solcher Fall liege hier u.a. deshalb nicht vor, weil es dem Kläger durchaus möglich gewesen sei, seine Kinder zu sehen, wenn er bereit gewesen wäre, einen begleiteten Umgang in deutscher Sprache zu führen.

Das OLG Hamburg hat die Berufung des Klägers gegen das landgerichtliche Urteil zurückgewiesen.

Auch das Oberlandesgericht ist der Auffassung, dass die vom Kläger behauptete Rechtsverletzung eine Wiedergutmachung durch eine Geldentschädigung nicht rechtfertigt. Der Kläger habe eine Genugtuung bereits dadurch erhalten, dass das Verwaltungsgericht die von der Beklagten gewählte Begründung für die Ablehnung des polnischsprachigen Umgangs als "kaum haltbar" bezeichnet habe. Auch sei von deutscher Seite gegenüber dem Petitionsausschuss des Europäischen Parlaments Bedauern über das Vorgehen des Jugendamts zum Ausdruck gebracht worden. Die vom Kläger behauptete Rechtsverletzung sei nicht von solch einer Schwere, dass über diese Genugtuung hinaus eine zusätzliche Wiedergutmachung durch eine Geldentschädigung nötig sei. Zu berücksichtigen sei dabei u.a., dass der Kläger 2003 die Möglichkeit, im Wege eines verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens gegen das Jugendamt vorzugehen, nicht genutzt habe. Entgegen der Auffassung des Klägers liege auch keine Verletzung seiner Ehre und Würde als polnischsprachiger Bürger vor. Das Problem, ob der begleitete Umgang auch in einer Fremdsprache durchgeführt werden könne, hätte sich auch bei jeder anderen Fremdsprache stellen können.

Die Revision gegen das Urteil wurde nicht zugelassen.

OLG Hamburg v. 04.07.2011 - 1 U 34/10 (Pressemitteilung des Gerichts)

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13 Kommentare

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Schon erstaunlich, worauf Jugendämter so kommen. Ob mit einem Vater z.B. aus Frankreich wohl ebenso verfahren worden wäre?

"Dies lehnte das Jugendamt mit der Begründung ab, es stehe kein Mitarbeiter zur Verfügung, der Polnisch verstehe und die Umgangskontakte begleiten könne."

 

Ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Situation auch bei französisch aufgetreten wäre, da lässt sich sicherlich leichter jemand mit entsprechenden Sprachkenntnissen finden.

 

Natürlich ist es sinnvoll, wenn die Kinder mehrsprachig aufwachsen. Aber wenn der Sinn der Anwesenheit des Jugendamtmitarbeiters nicht "Personenschutz" für das Kind aus Sorge vor körperlichen Übergriffen ist, sondern auch die Kontrolle dessen, was der Umgangsberechtigte den Kindern mitteilt, ist Sprachkenntnis des Jugendamtmitarbeiters erforderlich.

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@I.S.

Aus welchem Grund sollte der Auftrag des JA über den "Personenschutz" des Kindes hinaus gehen?

Mir ist kein, durch irgendeine Rechtsgrundlage gestützter, Grund bekannt wieso das JA das Recht haben sollte, zu kontrollieren, was ein Vater seinem Kind mitzuteilen hat.

Das wär ja wohl noch schöner.

Käme jemals jemand auf die Idee, zu kontrollieren, was eine Mutter ihrem Kind mitzuteilen hat?

 

Vielleicht ist es gerade diese Übergriffigkeit des JA, die den Vater zu seiner Klage veranlasst hat.

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Rechtsgrundlage für Umgang (und auch speziell für begleiteten Umgang) ist 1684 BGB.

 

Der sagt aber auch:

"Die Eltern haben alles zu unterlassen, was das Verhältnis zum anderen Elternteil beeinträchtigt oder die Erziehung erschwert." (Abs.2)

 

Wenn der Umgang begleitet wird, um erwartete Verstöße des Umgangsberechtigten gegen Abs. 2 zu verhindern, geht das nur, wenn der Begleiter auch dem Gespräch zwischen Elternteil und Kind folgen kann.

 

Unabhängig davon, dass das im vorliegenenden Fall wohl nicht der Grund für den begleiteten Umgang war (s. die Aussage des OLG, "[...]dass das Verwaltungsgericht die von der Beklagten gewählte Begründung für die Ablehnung des polnischsprachigen Umgangs als 'kaum haltbar' bezeichnet habe."), ist ein entsprechender Grund jetzt nicht völlig fernliegend. Pauschal zu sagen "das JA hat nie das Recht, die Gespräche des Umgangsberechtigten auch zu verstehen, es darf nur dabei sein", halte ich deshalb für genauso falsch wie das Gegenteil.

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@I.S.

Umgang zwischen Vater und Kind sind ein Grundrecht und sind nur in ganz besonders begründeten Fällen durch begleiteten Umgang (BU) zu beschränken. Dazu gehört auch und gerade die Wahrung der Intinmsphäre.

 

Der einzig sinnvolle Grund für BU kann aus meiner Sicht sein, dass das Kind an Leib und Leben bedroht sein könnte und er ist, wegen des massiven Einfriffs in das Menschenrecht auch stets zu befristen.

 

Heute wird von diesem Mittel schon viel zu häufig und zu lange, alleine aus Rücksicht auf diffuse und einseitige Ängste der Mutter zurück gegriffen.

 

Eine Beeinträchtigung des Verhältnisses zum anderen Elternteil nach §1684 Abs. 2 BGB ist dabei schon per se in erster Linie vom betreuenden Elternteil zu erwarten, einfach weil er das Kind fast rund um die Uhr um sich hat und beeinflussen kann. Stichwort PAS.

Erst recht nicht, wenn dieses dem Umgangselterteil im Beschluss gar nicht vorgeworfen wird und nicht Begründung für den BU ist.

Hier hat das JA eigenmächtig gegen das Grundrecht von Vater und Kind verstoßen und ist dabei weder vom Gesetz noch vom Gericht dazu ermächtigt worden.

 

Diese Beeinflusung ausschließlich einem, auf BU reduzierten, Umgangselternteil zu unterstellen ist absurd und die Kontrolle, was der Umgangselternteil dem Kind zu sagen hat, wäre nur gerechtfertigt, wenn der Betreuungselternteil ebenso überwacht würde, was sie vermutlich genauso ablehnen würden wie ich.

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Aha.

Dann hat das OLG das JA also zu unrecht zurecht gewiesen?

 

Wo steht denn genau, dass das JA das Recht und den Auftrag hatte, die Kommunikation zwischen Vater und Sohn nach §1684 Abs. 2 BGB zu überwachen?

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§ 1684 IV 3 BGB:

Das Familiengericht kann insbesondere anordnen, dass der Umgang nur stattfinden darf, wenn ein mitwirkungsbereiter Dritter anwesend ist.

Steht zu befürchten, dass der umgangsberechtigte Elternteil den begleiteten Umgang nutzt, um das Kind illoyal gegen den anderen Elternteil zu beinflussen, kann das Gericht (nicht das Jugendamt) anordnen, dass die Kommunikation während des Umgangs in einer Sprache stattfindet , die auch der Umgangsbegleiter versteht.

Gleiches gilt, wenn das Wohl des Kindes in anderer Weise durch die fremdsprachige Kommunikation gefährdet wird.

Eben.

Im Gesetz steht nichts, womit sich die Unterdrückung der Muttersprache des Vaters rechtfertigen lässt. Schon gar nicht durch das JA.

Und im Beschluss auch nicht.

 

Das hat das OLG auch richtig erkannt.

 

Und wo auch immer Sie den 2. Teil ihres Textes her haben, aus dem §1684 BGB jedenfalls nicht.

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Eine blosse Behauptung ins Blaue hinein darf jedenfalls nicht ausreichen, um in die Gespräche zwischen Vater und Kind hineinzuregieren. 

 

Mein Gott!

ja, natürlich.

Es ging mir um ein rein theoretisches Beispiel für einen für von Mr. Fawkes für unvorstellbar gehaltenen Sachverhalt.

Bloße Behauptungen reichen schon nicht für einen nur begleiteten Umgang.

Von mir aus nehmen Sie auch eine fremdsprachige Prostituierte, die anlässlich von Besuchskontakten ihre minderjährige Tochter in der Landessprache von den Vorteilen einer Teamarbeit überzeugen will.

Hopper schrieb:

Es ging mir um ein rein theoretisches Beispiel für einen für von Mr. Fawkes für unvorstellbar gehaltenen Sachverhalt.

...

Von mir aus nehmen Sie auch eine fremdsprachige Prostituierte, die anlässlich von Besuchskontakten ihre minderjährige Tochter in der Landessprache von den Vorteilen einer Teamarbeit überzeugen will.

Also ich finde die Behauptung, dass es gerechtfertigt und notwendig sein könnte, die Konversation zwischen Eltern und Kind überwachen zu lassen erschreckend und für ebenso an den Haaren herbei gezogen wie ihr Beispiel.

 

Ich dachte eigentlich, dass so etwas endgültig vorbei wäre und hoffe, ein heutiges Gericht würde sowas nicht mehr beschließen würde oder kennen sie tatsächlich solche Fälle?

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Hopper schrieb:

Es ging mir um ein rein theoretisches Beispiel für einen für von Mr. Fawkes für unvorstellbar gehaltenen Sachverhalt.

...

Von mir aus nehmen Sie auch eine fremdsprachige Prostituierte, die anlässlich von Besuchskontakten ihre minderjährige Tochter in der Landessprache von den Vorteilen einer Teamarbeit überzeugen will.

Also ich finde die Behauptung, dass es gerechtfertigt und notwendig sein könnte, die Konversation zwischen Eltern und Kind überwachen zu lassen erschreckend und für ebenso an den Haaren herbei gezogen wie ihr Beispiel.

 

Ich dachte eigentlich, dass so etwas endgültig vorbei wäre und hoffe, ein heutiges Gericht würde sowas nicht mehr beschließen würde oder kennen sie tatsächlich solche Fälle?

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Es gibt den begleiteten Umgang zum Schutz für das Kind, wie soll es geschützt werden, wenn man nicht die Sprache des Vaters versteht, der ja auch Deutsch kann? 

ach ja, nur weil er Vater ist, bedeutet das nicht, dass er per se ein guter Vater ist. Es wird schon seinen Grund geben, warum hier  nur begleiteter Umgang angedacht war. 

 

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