Ex-Ministerpräsident Peter Müller wird Richter am Bundesverfassungsgericht

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 25.11.2011

"Einstimmige Wahl" bedeutet meist, dass die gewählte Person für das Amt, in das sie gewählt wird, praktisch unbestritten qualifiziert ist. Dass dies bei Richterwahlen nicht unbedingt gilt, daran hat man sich gewöhnt. Aber dass nun trotz Diskussionen in allen Parteien (Bericht auf SPON) Peter Müller praktisch direkt aus einem höchsten Amt der Exekutive in ein höchstes Amt der Judikative wechselt - und dies "einstimmig" im Bundesrat beschlossen wird (Bericht FAZ), hat für mich einen unguten Geschmack. Ganz unabhängig von der juristischen Qualifikation Peter Müllers, die ja durchaus exzellent sein mag: Als Politikerversorgungsstelle ist das Bundesverfassungsgericht zu wichtig, diese Funktion hat das Gericht nicht verdient. Und wenn Politiker anderer Parteien  einen Politiker trotz Kritik einstimmig an diese Stelle mitwählen, steht leider zu befürchten, dass sie damit das Gericht als Versorgungsstelle  auch für die eigenen Leute "öffnen" wollen; demnächst wird dann "eine Hand wäscht die andere" womöglich  auch hier funktionieren. Welcher SPD-Ministerpräsident/Politiker wird wohl als nächstes vorgeschlagen?

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11 Kommentare

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Ich halte das für eine sehr bedauerliche Entscheidung und bei mir wird dieses Geschmäckle sicher ziemlich langanhaltend sein.

Zum einen ist die von Ihnen erwähnte "eine Hand wäscht die andere" Mentalität bei einer Institution wie dem BVerfG extrem bedenklich. Es gibt wohl kaum irgendeine staatliche Einrichtung, die in der gesamten Bevölkerung ein so hohes Vertrauen und Ansehen genießt, wie das BVerfG. Mit diesem Vorgehen ist man auf dem besten Wege diese Reputation zu beschädigen. Auch wenn sich vermutlich ein großer Teil der Bevölkerung und insbesondere  Nichtjuristen bald nicht mehr daran erinnern wird. Da hätte ich mir etwas mehr Widerstand, ähnlich wie bei Schmalzls Kandidatur zum Generalbundesanwalt gewünscht. Hat sich wahrscheinlich keiner getraut, um das "Ansehen des BVerfGs nicht zu schädigen".

Was ich besonders problematisch finde, ist dieser schnelle Wechsel von der Politik zum BVerfG. Der Eindruck der Neutralität des BVerfGs wird damit doch sehr angegriffen und ich hoffe sehr, dass diese unglückliche Personalie ein Einzelfall bleibt. Auch wenn eine längere Pause von der Politik und ein Abstecher "in das normale Leben" vor einer Berufung ans BVerfG natürlich nicht automatisch die bessere Variante ist. Man stelle sich nur den worst case vor, dass Roland nach 2-3 Jahren bei Bilfinger Berger, wo er Abstand von der Politik genommen hat, ans BVerfG gerufen wird.

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Man sollte das auseinanderhalten:

- mangelnde juristische Qualifikation (seit 21 Jahren nicht mehr juristisch gearbeitet)

- fliegender Wechsel aus hohem Exekutivamt

- Versorgung eines wegen Lustlosigkeit abgehalfterten Politikers.

Dass hier alle drei Aspekte so deutlich zutreffen, macht die Berufung allerdings zu einem handfesten Skandal.

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@Leser:

Dass eine Richterkür ohne Aussprache und möglichst ohne Gegenstimmen (also vorher abgesprochen) erfolgt, wird häufig damit legitimiert, man wolle "das Ansehen des BVerfG nicht schädigen" (wie Sie oben schreiben). 

Aber es scheint mir eine größere Beschädigung des BVerfG, wenn man zuvor öffentlich die Eignung des Kandidaten anzweifelt, und ihn dann trotzdem ohne nähere Erklärung (etwa: "Er erschien uns bei näherem Hinsehen dann doch aus diesem Grund geeignet") mitzuwählen. Das bedeutet doch: Wir halten es für das Ansehen des BVerfG für unschädlich, wenn wir einen ungeeigneten Kandidaten zum Richter wählen, damit die andere Partei ggf. zukünftig auch die von uns vorgeschlagenen Kandidaten unabhängig von ihrer Eignung mitwählt. Ich denke, die SPD hat hier sehenden Auges das Ansehen des BVerfG beschädigt. Peinlich.

@Gerd Kraemer:

"Mangelnde juristische Qualifikation" kann ich allerdings nicht unbedingt erkennen (Peter Müller soll immerhin ein "sehr gut" im 2. Staatsexamen erzielt haben)  - eine langjährige Praxis in der Justiz scheint mir für das Richteramt am BVerfG nicht unbedingt erforderlich.

 

@Prof. Müller

Meine Bemerkung bzgl. der Ansehensschädigung bezog sich auf den von Ihnen ausgeführten Fall, nämlich dass das BVerfG letztlich erst durch die Politiker beschädigt wird. Bei kontroversen Entscheidungen des BVerfGs, die für die Politik problematisch sind, werden dann von verärgerten Politikern ja gerne mal Sprüche wie "weltfremd" oder "das Gericht beschädigt sein Ansehen selbst" geäußert. Dabei sind es häufig genau diese Fälle, die ein gutes Indiz für die die Freiheit und Unabhängigkeit des BVerfGs darstellen. Der Ansehensaspekt ist letztlich immer nur ein Instrument der Politiker, der nach Bedarf als vordergründiges Argument eingeführt wird, wenn man versuchen will seine eigene Linie möglichst ohne große Diskussionen durchzusetzen oder etwas instrumentalisieren möchte.

Besonders schlimm ist es dann, wenn die gesamten großen Parteien an solcher Mauschelei und Demontage mitwirken. Erstaunlicherweise erinnern sich die Parteien nach den schlechten Wahlergebnissen bei ihren Analysen aber regelmäßig nicht daran.

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Den Hinweis selbst in der Tagesschau, einer möglichen parteipolitischen Befangenheit und mangelnden juristische Erfahrung, sehe ich so auch. Er mag ja vor Jahrzehnten ein gutes Examen gemacht haben, jedoch würde ich auch etwa bei einem examinierten Mediziner ohne hinreichende Praxis bzw. fortwährende wissenschaftliche Tätigkeit mangelnde Erfahrung konstatieren. Und dass es unter der Vielzahl von juristischen Wissenschaftlern in Deutschland exorbitant viele kompetentere und geeignetere Personen gibt, dürfte unter Juristen, Politikern aber auch der Bevölkerung unumstriten sein. Das Geschmäckle einer Instrumentalisierung des BVerfG und der einhergehende Glaubwürdigkeitsverlust sind nicht zu unterschätzen.

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Das Ansehen des BVerfG als Verfassungsorgan ist durch diese unsägliche politische Entscheidung schwer beschädigt worden.

 

Der Umgang mit der Causa Guttenberg hat die Richtung deutlich gemacht. In diesen Tagen ist eben nichts mehr "heilig"; am wenigsten akademische und wissenschaftliche Institutionen.

 

Die Irren übernehmen die Anstalt...

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WIDERSPRUCH: einen Politiker ans BVerfG zu bringen, finde ich grundsätzlich gut. Wenn demnächst noch ein, zwei Politiker (für SPD,...) dazukommen wäre das wohl auch nicht schlimm: Bei 16 Richtern ist das noch immer eine Minderheit. Aber eine Minderheit, die neue Perspektiven durch lange Erfahrungen in Exekutive und Legislative einbringen kann, damit das BVerfG nicht nur noch aus Revisionsrichtern und Ö-Rechts-Professoren besteht. (nur letzterem stimmt auch Ex-BVerfG-Richterin Jäger zu: http://www.faz.net/aktuell/politik/staat-und-recht/rechtspersonen/im-ges... ) Solch eine stärkere Vielfalt halte ich für eine Institution, in der Grundfragen der Gesellschaft verhandelt werden, für angemessener. Aus diesem Grund fände ich übrigens auch die gelegentlich geäußerte Idee, einen Anwalt ans BVerfG zu bringen, nicht schlecht.
Ob dieser Vorteil die Politikerversorgungsstellengefahr und die Gefahr einer zu starken Politisierung aufwägen kann, ist eine empirische Frage, die ich nicht beantworten kann.
-Allgemein müsste man dafür die Erfahrungen anderer Verfassungsgerichte auswerten. Ich bin aber optimistisch: zB in den USA waren lange Zeit (Ex-)Politiker wie Hugo Black am Supreme Court durchaus üblich und immerhin hat sich während dieser Zeit dies Gericht weltweit als Vorbild entwickelt bzw. gehalten.
-zu Politisierungsgefahr bei Peter Müller kann ich Max Steinbeiß nur zustimmen: "Wenn Merkel jetzt, sagen wir, Ronald Pofalla nach Karlsruhe schicken würde, als Aufpasser und U-Boot und mit klarem politischem Auftrag, dann wäre das was anderes. Aber Peter Müller? Der ist ein gescheiter Mann, der sich – wer will es ihm verdenken – in seinem saarländischen Landratsamt krumm und dumm langweilt.
Er steht Angela Merkel zwar nahe, aber nicht in ihrer Schuld. Er hat Wahlkämpfe geführt und gewonnen – Kenntnisse, die er in Karlsruhe zwar nicht unmittelbar brauchen kann, die aber auch nichts schaden, wenn man sich mal von seinen deutsch-bürgerlichen Reflexressentiments gegen Parteipolitik frei macht. Also, ich quieke zwar nicht vor Begeisterung, aber aufregen kann ich mich über den Vorgang auch nicht wirklich." (http://verfassungsblog.de/mellinghoff-soll-bfhprsident-werden/)

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Jutta Limbach war vor ihrer Berufungs ans BVerfG Senatorin für Justiz in Berlin, Roman Herzog war Innenminister in Baden-Württemberg. Der direkte Wechsel aus dem Ministeramt an das Gericht hat ihrer Arbeit nicht geschadet.

Ernst Benda war zuvor Bundesinnenminister der großen Koalition, wenn auch längere Zeit zwischen den Ämtern verstrichen ist.

Wo ist der Unterschied zu Müller?

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Jurist schrieb:

Jutta Limbach war vor ihrer Berufungs ans BVerfG Senatorin für Justiz in Berlin, Roman Herzog war Innenminister in Baden-Württemberg. Der direkte Wechsel aus dem Ministeramt an das Gericht hat ihrer Arbeit nicht geschadet.

...

Wo ist der Unterschied zu Müller?

die beiden waren als vorherige Professoren juristisch ganz andere Kaliber als Müller und darum auch in der "Fachwelt" weit weniger umstritten ...?

Auch die FTD schreibt zu Recht im prägnanten Kommentar Per Kuhhandel ins höchste Gericht:

 

"Es kann sein, dass der ehemalige saarländische Ministerpräsident Peter Müller ein guter Verfassungsrichter wird. Doch die Umstände seiner Wahl sind des höchsten Gerichts nicht würdig."

 

"Er ist als Jurist vergleichsweise mager für den Posten qualifiziert, er ist als früherer Ministerpräsident und profilierter Parteipolitiker in vielen Themen befangen, und es widerspricht dem Grundsatz der Gewaltenteilung, Regierungs- und Richteramt so dicht aufeinander folgen zu lassen."

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Müller ist erheblich glaubwürdiger als ein Durchschnittspolitiker, da er als eine seiner ersten Amtshandlungen die Einschränkungen der Pressefreiheiten aufgehoben hat. Und das ohne Not oder dazu aufgefordert worden zu sein.

ZUr Erinnerung: Müllers Vorgänger Lafontaine hat via Gesetze die Pressefreiheit im Saarland erheblich eingeschränkt. Wie Lafontaine das fertiggebracht hat wundert mich noch heute, war aber ein bedenklicher Eingriff in die Grundrechte und Pressefreiheit.

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