Alles fließt - auch im Kartellrecht? Zur Entscheidung des BGH "Wasserpreise Calw"

von Dr. Rolf Hempel, veröffentlicht am 10.08.2012

Zwischen Neckar und Rhein knöpfen sich die Kartellbehörden die Wasserpreise vor. Binnen weniger Monate liegt jetzt schon die dritte, ja sogar vierte Entscheidung des Kartellsenats des Bundesgerichtshofs zur Wasserpreismissbrauchsaufsicht der Kartellbehörden vor (vgl. zu den früheren Entscheidungen meine Berichte hier und hier; der BGH entschied gleichzeitig zum hier behandelten Fall in der Sache Trossingen, vgl. hier).

Am 15.05.2012 hob der Bundesgerichtshof die Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart in der Sache "Wasserpreise Calw" auf, das sich nun wieder mit der verfahrensgegenständlichen Verfügung der baden-württembergischen Landeskartellbehörde befassen muss. Letztere hatte dem Wasserversorger der Stadt Calw aufgegeben, für die Zeit von 01.01.2008 bis 31.09.2009 eine Rückerstattung wegen überhöhter Wasserpreise an die Kunden vorzunehmen. Das Oberlandesgericht hatte die Verfügung aufgehoben. Der Bundesgerichtshof korrigierte die Rechtsprechung des Oberlandesgerichts.

Die wesentlichen rechtlichen Aspekte der Entscheidung sind die Folgenden:

  • Die Kartellbehörde muss bei der Wasserpreismissbrauchsaufsicht nicht auf das Vergleichsmarktkonzept zurückgreifen. Dieses hat keinen Vorrang vor der Kostenkontrolle.
  • Es ist ein sog. Erheblichkeitszuschlag vorzunehmen.
  • Die Kartellbehörde durfte die Rückerstattung zuviel bezahlter Entgelte an die Kunden anordnen.

Dies alles ist nicht wirklich revolutionär.

Es war schon bisher so, dass die Kartellbehörde zwischen den Konzepten für die Ermittlung des wettbewerbsanalogen Preises wählen konnte. Allerdings handelt es sich bei der Kostenkontrolle, wenn gefragt wird, ob sich die fraglichen Kostenpositionen auch unter Wettbewerb ergeben, um eine zirkuläre Methode.

Dass ein Erheblichkeitszuschlag anzusetzen ist, war auch geklärt und das auch für natürliche Monopole. Der BGH verweist zurecht auf seine eigene Rechtsprechung. Insoweit ist die Klarstellung von Bedeutung, dass der Erheblichkeitszuschlag bei allen Methoden der Ermittlung des wettbewerbsanalogen Preises zu Anwendung kommt, wichtig. Es handelt sich aber um eine Selbstverständlichkeit, denn die Anwendung des Erheblichkeitszuschlags ist der Feststellung des wettbewerbsanalogen Preises nachgelagert.

Dass der BGH sein obiter dictum aus der Stadtwerke Uelzen-Entscheidung zur Berechtigung der Kartellbehörden, nach § 32 GWB Rückzahlungsanordnungen zu treffen, bestätigt, war leider zu erwarten. Die Auffassung ist aber fragwürdig, nicht nur, weil sie die Grenzen zwischen behördlicher und privater Kartellrechtsdurchsetzung verwischt. Funktionell handelt es sich bei dem durch diese Auslegung geschaffenen Instrument um ein solches des kollektiven Rechtsschutzes. Der Unterschied zu class action oder Verbandsklage besteht darin, dass nicht ein Anwalt oder ein Verband die Ansprüche der Geschädigten bündelt, sondern die Behörde. Sie braucht für die Durchsetzung allerdings noch nicht einmal ein Gericht. Der BGH weist allerdings zutreffend daraufhin, dass er den Rückenwind des Gesetzgebers hat.

 

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