Fall Mollath - die Wiederaufnahmeanträge unter der Lupe

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 26.03.2013

Nachdem in der letzten Woche auch der Wiederaufnahmeantrag der Staatsanwaltschaft und eine Stellungnahme zum Antrag des Verteidigers Gerhard Strate zum Fall Gustl Mollath ans Licht der Öffentlichkeit gekommen sind, möchte ich hier eine Einschätzung zu diesen Dokumenten abgeben. Natürlich kann ein Blogbeitrag nicht die Anforderungen erfüllen, die man sonst an eine wissenschaftliche Anmerkung anlegt. In diesem Fall, der seit Monaten in der Öffentlichkeit und auch im Landtag diskutiert wird, halte ich es aber für legitim, eine solche Kommentierung zu versuchen, insbesondere weil durch die vorherige Verfahrensweise von Justiz und Politik nicht immer eine offene Debatte gewährleistet war.

Es ist schwierig, sich in den beiden jeweils weit über 100 Seiten langen Schriftsätzen mit komplexen Begründungen und eingeschobenen Zitaten zu orientieren. Die jeweilige Gliederung ist unübersichtlich. Im Folgenden werde ich mich deshalb an meiner eigenen durchnummerierten Aufstellung orientieren (V1-V12=WA-Antrag RA Strate, zit. nach Seitenzahlen des Antrags, S1-S4=WA-Antrag der Staatsanwaltschaft, zit. nach Blattzählung der Akte).

Überblick Strate-Antrag
Herr Strate führt insgesamt zwölf Sachverhalte an, davon sieben (V1 – V6 und V11), die eine Rechtsbeugung des VorsRiLG Brixner begründen sollen und damit den absoluten Wiederaufnahmegrund nach § 359 Nr. 3 StPO, drei „neue Tatsachen“ i.S. d. § 359 Nr.5 StPO (V7, V8, V9), ein WA-Grund nach § 79 BVerfGG (V10), sowie eine Bemerkung zu den Gutachten im Vollstreckungsverfahren (V12).

Im Einzelnen:

V1. Die Nichteinräumung einer Erklärungsfrist nach § 225 a II 1 StPO (S. 6 ff., S. 34-36),

V2. Das Versäumnis, Herrn Mollath nach Festnahme unverzüglich einem Richter vorzuführen (S. 6 ff., 37-43)

V3. Nichtbearbeitung von Beschwerden in der Vollstreckung der vorl. Unterbringung (S. 6 ff., 44 – 48)

V4. Nichtbearbeitung der Beschwerde gegen den Unterbringungsbefehl (S. 6 ff., 49 – 51)

V5. Verweigerung des Widerrufs der Verteidigerbestellung ( S. 52 – 90)

V6. Manipulation der Gerichtsbesetzung (S. 91 – 94)

V7. Hauptverfahren ohne Eröffnungsbeschluss durchgeführt, als neue Tatsache nach § 359 Nr.5 StPO (S. 95 – 105)

V8. Der Sonderrevisionsbericht der Hypo-Vereinsbank vom 17.03.2003, als neue Tatsache nach § 359 Nr.5 StPO (S. 106 – 113)

V9. Der Sachverhalt um Dr. Wörthmüller und seinen Nachbarn, als neue Tatsache nach § 359 Nr.5 StPO (S. 114 – 128)

V10. Beweisverwertung nach verfassungswidriger Anordnung der Unterbringung zur Beobachtung im Ermittlungsverfahren vom 16.09.2004 als WA-Grund nach § 79 I BVerfGG (S. 129 – 133)

V11. Sachverhaltsverfälschungen in den Urteilsgründen als Wiederaufnahmegrund nach § 359 Nr. 3 StPO (S. 134 – 135)

V12. Mängel in den Gutachten von Prof. Kröber und Prof. Pfäfflin (S. 136 – 139).

Überblick Antrag der StA

Die StA führt vier Sachverhalte an, die aus ihrer Sicht die Wiederaufnahme begründen:

S1. Die Unechtheit des ärztlichen Attests als Grund nach § 359 Nr.1 StPO (Bl. 202 – 207).

S2. Die Tatsache des Zustandekommens des Attests als Grund nach § 359 Nr. 5 StPO (Bl. 208)

S3. Tatsachen, die die Glaubwürdigkeit der Zeugin Petra M. in Zweifel ziehen, als Grund nach § 359 Nr. 5 StPO (Bl. 209 – 243)

S4. Die unter falschen Annahmen im Urteil behauptete Wahnausweitung als Grund nach § 359 Nr. 5 StPO (Bl. 243 – 254)

Zu den von Strate angeführten Gründen nimmt die Staatsanwaltschaft in einem weiteren Schriftsatz Stellung, der dem Wiederaufnahmegesuch beigefügt ist.

Kommentar zu den Wiederaufnahmeanträgen

Nur ein Teil der Fehler in diesem Verfahren kommen als Wiederaufnahmegründe in Betracht. Deshalb finden sich auch nur wenige Ausführungen zum psychiatrischen Gutachten des Dr. Leipziger, in denen m. E. Fehler schlummern, die aber unmittelbar in der Wiederaufnahme keine Rolle spielen. Wenn also sowohl im Antrag Strates als auch in demjenigen der StA bestimmte Fehler unerwähnt bleiben, die bei Kenntnis der Akten auf der Hand liegen, dann heißt das nicht, dass sie nicht existieren – sie sind eben nur nicht rechtlich bedeutsam für die Wiederaufnahme. Das gilt auch für einen Teil der Gründe, die Herr Strate angeführt hat: Ihm ist ausdrücklich bewusst, dass etwa seine Bemerkungen zu den Gutachten Kröber und Pfäfflin (V12) zur Wiederaufnahme formal nichts beitragen, sondern eher colorandi causa Bedeutung haben (S. 134). Zudem muss ein Verteidiger auch solche Sachverhalte vortragen, die die Rechtsfolge zwar nicht mit Sicherheit begründen, aber die eine Chance haben, in der gerichtlichen Entscheidung zugunsten seines Mandanten berücksichtigt zu werden. Insofern ist auch klar, dass nicht alle von Strate vorgetragenen Sachverhalte und Würdigungen juristisch gleichermaßen überzeugen für eine Wiederaufnahme. Dies ist aber keine Kritik am Verteidigungsvorbringen, im Gegenteil.

Für den Antrag der Staatsanwaltschaft gelten etwas andere Maßstäbe. Die Regensburger Staatsanwälte hatten hier die durchaus heikle Aufgabe, Gründe für eine Wiederaufnahme zu finden und dazu auch Ermittlungen anzustellen, die zugleich möglicherweise gravierendes und rechtswidriges Fehlverhalten der Justizbehörden (Strafkammer des LG Nürnberg und verfahrensbeteiligte Staatsanwaltschaft) im Fall Mollath aufdecken. Insofern hat es die Regensburger Staatsanwälte in gewisser Weise „entlastet“, dass Herr Strate einige ganz wesentliche Verfahrensfehler bereits in seinem Antrag als Wiederaufnahmegründe nach § 359 Nr.3 StPO herausgestellt hat. Die von Strate selbst berichtete Arbeitsteilung (S. 5) hat die Staatsanwaltschaft insofern teilweise davon befreit, als „Nestbeschmutzer“ auftreten zu müssen. Denn natürlich haben die Staatsanwälte erkannt, was sie da vor sich haben: Eine geradezu skandalöse Verfahrensweise, an der nicht nur der VorsRiLG Brixner sondern auch Staatsanwälte beteiligt sind, die ihre gesetzliche Aufgabe nicht erfüllt haben, für ein ordnungsgemäßes Verfahren zu sorgen. Denn nicht nur die Strafkammer, auch die beteiligten Nürnberger Staatsanwälte waren offensichtlich der Ansicht, bei einem „Irren“ brauche man es mit den Verfahrensrechten nicht so genau zu nehmen, selbst wenn es um eine zeitlich unbefristete Einsperrung in der Psychiatrie und damit der zweitschärfsten Sanktion der Justiz geht. Dahinter steckt eine erschreckende Mentalität, deren Grundlage hoffentlich angesichts dieses Falls schon erschüttert worden ist. Vor diesem Hintergrund sind die Regensburger Staatsanwälte dafür zu loben, dass sie in ihrer Chronologie des Verfahrensablaufs bis zum Urteil (Bl. 164 – 170) und in ihrer Stellungnahme (Bl. 256 ff.) die Fehler, die Strate z.T. als Rechtsbeugung rügt, durchweg in der Sache bestätigen, wenn sie auch nicht in jedem Fall dieselbe Rechtsfolge daraus schließen. Wenn – wie Strate ausgeführt hat – und wie es jetzt auch durch die beiden Anträge bestätigt wird, die Anträge sich im wesentlichen gegenseitig ergänzen also nicht überschneiden sollten, dann kann man auch nicht kritisieren, die Staatsanwaltschaft habe sich auf die Gründe nach § 359 Nr. 5 StPO konzentriert.

Auch das, was in Kommentaren hier und im Blog von Frau Wolff zu lesen ist, dass der StA-Antrag alle Schuld auf Frau M. ablade und die Justiz bewusst verschone (als Plan B bezeichnet), ist m. E. nicht berechtigt. Im Rahmen eines staatsanwaltlichen Wiederaufnahmeantrags war eine Generalkritik der bayerischen Justiz samt Fehlereingeständnissen und eine Entschuldigung bei Herrn Mollath nicht zu erwarten – all dies ist der Zeit nach einer gerichtlichen Entscheidung vorbehalten, und auch darauf kann man derzeit nur hoffen.

Im Ergebnis stimmen die StA Regensburg und RA Strate insoweit überein: Das rechtskräftige Urteil gegen Mollath, also die Entscheidung, ihn nach § 63 StGB unterzubringen, ist aufzuheben.

Enttäuschend für viele Beobachter des Verfahrens ist, dass die Staatsanwaltschaft nicht beantragt, die Vollstreckung zu unterbrechen und Herrn Mollath sofort freizulassen (Bl. 255). Das wäre zwar insofern konsequent, wenn die Staatsanwaltschaft trotz der auch von ihr gesehenen Wiederaufnahmegründe dem Ergebnis einer neuen Hauptverhandlung nicht vorgreifen wollte. So erscheint es aber, als hielte sie es für möglich, dass eine neue Hauptverhandlung erneut eine Unterbringung des Herrn Mollath zum Ergebnis hätte. Dies ist aber nach derzeitigem Stand kaum zu erwarten. Denn die Beweismittel für zwei der Anlasstaten (Körperverletzung, Freiheitsberaubung) sind durch die Staatsanwaltschaft selbst derart in Zweifel gezogen, dass man eine erneute zweifelsfreie Feststellung derselben kaum annehmen kann, denn weitere Beweismittel sind nicht ersichtlich und ohne diese Straftaten lässt sich auch keine Unterbringung begründen. Mit der Beweiswürdigung hinsichtlich der dritten Anlasstat setzt sich keiner der beiden Anträge auseinander. Denn auch diese bietet Anlass für erhebliche Skepsis, ob die Sachbeschädigungen (Reifenstechereien) Herrn Mollath nachgewiesen werden können. Der Videofilm, der immerhin Anlass für eine Durchsuchung und zwei indizielle Feststellungen im Urteil war, wurde in der Hauptverhandlung gar nicht als Beweismittel eingeführt und wurde zudem an einem Datum aufgenommen, zu dem gar keine der angeklagten Taten begangen wurde. Diese „Sachverhaltsverfälschung“ erscheint mir sogar gravierender als diejenigen, die Strate (V11) anführt.

Zu der Stellungnahme der StA zum Strate-Antrag

Die StA nimmt hier zu jedem einzelnen Punkt Stellung, macht aber nur nähere Ausführungen, soweit sie anderer Ansicht ist als Strate.

Wer genau liest (Bl. 256 ff.), erfährt, dass die StA die Punkte V2, V3, V4 und V5 in der Sache genauso sieht wie Herr Strate. Lediglich hinsichtlich der subj. Begründetheit des Rechtsbeugungsvorwurfs äußert sich die StA nicht – hiervon ist sie ja auch quasi „entlastet“ (s.o.). Bei Punkt V1 (Verstoß gegen § 225 a StPO) wendet die StA Regensburg ein, hierin liege kein so bedeutsamer Verstoß, dass dies eine Rechtsbeugung begründe (Bl. 257). D.h. aber im Umkehrschluss: Die StA Regensburg hält die von Strate vorgetragenen Gründe V2, V3, V4 und V5 für so bedeutsam, dass der Sache nach eine vorsätzliche Rechtsbeugung Brixners auch aus ihrer Sicht naheliegt! Insbesondere dass Brixner entgegen Menschenrechten, Grundgesetz, Bay. Verfassung  und Strafprozessordnung Mollath wochenlang „schmoren“ lässt, bevor er ihn richterlich vorführen lässt bzw. einvernimmt, ist wohl auch aus Sicht der Staatsanwaltschaft Regensburg ein so klarer Verstoß gegen richterliche Pflichten, dass objektiv Rechtsbeugung vorliegt.

Hinsichtlich V6 wendet die StA ein, eine vorsätzliche Manipulation der Gerichtsbesetzung aus sachfremder Motivation und damit ein vorsätzlicher Verfassungsverstoß lasse sich nicht nachweisen (Bl. 260).  

Juristisch sicherlich am interessantesten ist die Diskussion um die Frage, ob ein Eröffnungsbeschluss und damit eine Prozessvoraussetzung fehlt (V7, S. 95 ff.). Tatsächlich belegen die Akten, dass die Strafkammer ohne entsprechenden Antrag der StA ein „Sicherungsverfahren“ durchzuführen gedachte und demzufolge ein regulärer Eröffnungsbeschluss hinsichtlich der Sachbeschädigungsvorwürfe fehlte. Strate wertet diesen Aktenfund als „neue Tatsache“, die belege, dass das Hauptverfahren insgesamt nichtig sei. Die StA bestätigt den von Strate dargestellten Sachzusammenhang (Bl. 265) ausdrücklich(!), meint aber trotzdem, die Kammer sei nicht der irrigen Ansicht gewesen, ein Sicherungsverfahren durchzuführen (Bl. 266 f.) – es soll also praktisch ein Fall der falsa demonstratio vorliegen. Die dafür angeführten Gründe überzeugen mich allerdings nicht. Das Hauptargument – nämlich dass der BGH schließlich auch nicht das Fehlen des Eröffnungsbeschlusses bemerkt habe (Bl. 267) – ist jedenfalls zurückzuweisen: Dieses Argument geht contra factum von einem „unfehlbaren“ BGH aus. Der BGH hat aber dieselben Akten vorliegen wie die StA Regensburg und hat offenbar nicht genau hingeschaut und deshalb das Verfahrenshindernis (wie alle Richter und Staatsanwälte vorher) „übersehen“. Insofern liegt die StA Regensburg falsch: Es hat keinen Eröffnungsbeschluss gegeben, ein Verfahrenshindernis lag vor! Jedoch habe auch ich Zweifel daran, ob dieses Fehlen des Eröffnungsbeschlusses bzw. der gerichtliche Irrtum als „neue Tatsache“ im Sinne des § 359 Nr.5 StPO zu werten ist. Ohnehin ist umstritten, ob Prozesstatsachen überhaupt als Tatsachen i. S. d. § 359 Nr.5 StPO anzusehen sind. Ob „neu“ etwas sein kann, was allen Verfahrensbeteiligten zum Zeitpunkt der Urteilsfindung aus den Akten erkennbar war, kann zudem durchaus bezweifelt werden –  dies ist der Stellungnahme der StA Regensburg einzuräumen (Bl. 267). 

Zu V8 (Bl. 268 ff.) führt die StA aus, der Sonderrevisionsbericht der HVB sei zwar eine neue Tatsache, aber er begründe nicht die Wiederaufnahme, da weder der Gutachter noch das Gericht den Wahn des Herrn Mollath allein auf die Schwarzgeldverschiebungen, an denen seine Frau beteiligt war, bezogen hätten (Bl. 291). Mit dieser Wertung stimme ich nicht überein: Ich bin sicher, dass die Kenntnis des Revisionsberichts sowohl dem Gutachter als auch dem Gericht (objektiv) eine andere Wertung nahegelegt hätte. Daher stimme ich in diesem Punkt Herrn Strate zu: Der Sonderrevisionsbericht ist als erhebliche neue Tatsache zu werten!

Allerdings legt die StA mit ihrer eigenen Würdigung des Komplexes „Dr. Wörthmüller“( S4, Bl. 243 ff. bei Strate V9, S. 114 ff.) dar, dass die Wahnbeurteilung an einem anderen bedeutsamen Mangel leidet. Die Darlegung in S4 (Bl. 243 ff.) erscheint mir eine mustergültige Wiederaufnahmebegründung der Staatsanwaltschaft.

Hinsichtlich V10 (Bl. 291 ff.) schließt sich die Regensburger StA zunächst der Wertung der Augsburger StA an: Eine verfassungswidrige Anordnung der Unterbringung zur Beobachtung habe nicht vorgelegen, deshalb auch kein Verwertungsverbot hinsichtlich der während der Beobachtung erzielten Erkenntnisse (Bl. 301). Ich bin hierzu anderer Auffassung: Es muss nicht erst ausdrücklich eine „Totalbeobachtung“ angeordnet werden. Eine (subjektiv empfundene, und darauf kommt es an!) Totalbeobachtung liegt dann vor, wenn ohne Einwilligung des Beobachteten und ohne dessen Wissen jegliche seiner Lebensäußerungen für das Gutachten verwertet werden können (!). Denn darüber, ob dies tatsächlich verwertet wird, hat der Untergebrachte keine Kontrolle. Ob dies allerdings als WA-Grund durchschlägt, ist eine andere umstrittene Frage, zu der ich mich ggf. später noch äußere.

Hinsichtlich V11 räumt die Staatsanwaltschaft ein, dass es die von Strate geschilderten (und mittlerweile jedem Interessierten bekannten) Sachverhaltsverfälschungen im Urteil gibt (Bl. 305). Allerdings würdigt sie dies anders als Strate nicht als Beleg für eine vorsätzliche Rechtsbeugung (Bl. 306). Der Vortrag Strates sei lediglich eine „Meinung“, eine „monströse Verfälschung“ sei in den Urteilsgründen nicht zu erkennen. Richtig ist, dass die Sachverhaltsverfälschungen für sich genommen einen Rechtsbeugungsvorwurf wohl nicht begründen könnten. Jedoch sind sie als Indizien dafür, wie der Vors. Richter in dieser Sache insgesamt verfahren ist, durchaus relevant: Der Richter war in der Sachverhaltsdarstellung nicht neutral, sondern hat sich hier offenbar von seiner schon längst vor der Hauptverhandlung bestehenden Vorfestlegung leiten lassen. Auch das wäre – wenn auch nicht allein mit diesen Gründen beweisbar – objektiv Rechtsbeugung.

UPDATE vom 27.03.2013

Nun ist schon gleich am nächsten Tag ein Update fällig. Vielen Beobachtern (zum Beispiel Oliver Garcia) war schon aufgefallen, dass der Fall Mollath Mittte des Jahres 2005 gleichsam "zum Stillstand" gekommen war - und dies, obwohl das psychiatrische Gutachten dem in Freiheit befindlichen Herrn Mollath eine Gefährlichkeit für die Allgemeinheit attestierte. Aber das AG leitete die Sache monatelang nicht an das nunmehr zuständige LG weiter. Dies geschah erst zum Jahreswechsel 2006. Dann verging zwischen Ausgangsstempel AG und Eingangsstempel StA (im Nachbargebäude) wiederum einige Zeit, bevor die Sache in der 7. Strafkammer des LG auf den Tisch kam und plötzlich auch Eile geboten war. Für die erstaunliche Verzögerung hatte bisher keiner eine plausible Erklärung. Wenn sich  nun die Erklärung bestätigt, die RA Strate anführt, dann ist dies nicht nur ein weiterer "handwerklicher Fehler", sondern dann zeigt sich eine (weitere) schlimme Manipulation in der Nürnberger Justiz. Nach Herrn Strates Deutung hängt die Verzögerung der Sache Mollath im Jahr 2005 damit zusammen, dass der RiAG den  neuen Geschäftsverteilungsmodus, der ab 1. Januar 2006 gelten sollte, abwarten wollte, um dann punktgenau den Fall Mollath der 7. Strafkammer unter Vorsitz Brixner zuzuspielen. Nachzulesen hier, ab Seite 33

UPDATE vom 09.04.2013/11.04.2013

Das LG Bayreuth hat in einer Pressemitteilung angekündigt, über die (weitere) Vollstreckung der Maßregel  im Fall Mollath noch im Verlauf des April zu entscheiden.

In dieser Entscheidung geht es NICHT um die Aufhebung des früheren Urteils, sondern darum, ob die Maßregel weiter zu vollstrecken ist oder ob sie für erledigt erklärt wird. Letzteres kann deshalb geschehen, weil das Gericht Herrn Mollath nicht (mehr) als gefährlich ansieht, weil es schon die ursprüngliche Einweisung als fehlerhaft oder weil es eine weitere Vollstreckung für nicht mehr verhältnismäßig ansieht. Die zuständige Strafvollstreckungskammer des LG Bayreuth kann (theoretisch) auch zu dem Ergebnis kommen, Herr Mollath sei weiterhin unterzubringen.

In der Stellungnahme der Anstalt und in derjenigen der Staatsanwaltschaft wird eine weitere Unterbringung befürwortet, da sich seit der letzten positiven Gefährlichkeitsprognose (Gutachter Pfäfflin) nichts geändert habe. Die in den Wiederaufnahemanträgen der StA Regensburg und  von RA Strate aufgeführten Fakten (s.o.) sind in diesen Stellungnahmen allerdings nicht berücksichtigt.

(11.04.) Ich möchte noch kurz zur Gefährlichkeitsprognose Stellung nehmen, soweit sie durch das Urteil und den Inhalt weiterer Gutachten und Stellungnahmen bekannt geworden ist. Sie wird auch in der bevortsehenden Entscheidung des LG bayreuth eine wichtige Rolle spielen:

Das entscheidende erste Gutachten enthielt die Feststellung, Herr Mollath leide zum Beurteilungszeitpunkt unter einem Wahn, der sich u.a. (und ausschlaggebend) darin manifestiere, dass er "beliebige Personen"  mit den Schwarzgeldkreisen seiner Frau in Verbindung bringe und sie in sein "Wahnsystem" einbeziehe. Dieses Wahnsystem beeinträchtige ihn mit Sicherheit schon seit Jahren in zunehmender Weise. Es liege ein "schweres zwingend zu behandelndes Krankheitsbild" vor.

Ausschlaggebend sei, dass Herr Mollath "fast alle Personen, die mit ihm zu tun haben, völlig undifferenziert" mit diesem Skandal in Verbindung bringe. "Die Störungen dürften sich verschlimmern". "Eine Besserung sei nicht zu erwarten".

Alle diese Zitate stammen aus dem Urteil. Sie geben das wieder, was das Gericht dem Gutachten von Dr. Leipziger entnommen hat und dem Urteil zugrundelegte. Diese Ausführungen sind bis heute die Grundlage für die Unterbringung.

Was wissen wir heute über diese Erwägungen aus dem Gutachten, die zur Grundlage der Entscheidung gem. § 63 StGB wurden?

1. Dass er "beliebige" Personen mit dem Schwarzgeldskandal in Verbindung gebracht hätte, wird im Urteil allein mit Dr. Wörthmüller belegt. Es steht heute fest, dass die dem zugrundeliegende Tatsache schlicht nicht zutrifft - Herr Mollath hat eine "Verbindung" zwischen Dr. Wörthmüller und dessen Nachbarn zutreffend erkannt, sie war Grund für die Befangenheitserklärung Dr. Wörthmüllers, der eben nicht "beliebig" und "undifferenziert" mit den Operationen seiner Frau in Verbindung gebracht wurde. Dies ist seit der Vernehmung Dr. Wörthmüllers durch die Staatsanwaltschaft Regensburg bekannt, denn weder die Nürnberger Staatsanwaltschaft noch das LG Nürnberg, noch der Pflicht-"Verteidiger" haben es damals für nötig befunden, Dr. Wörthmüller als Zeugen zu dieser Tatsache zu vernehmen.

Ergänzung: Zu diesem Punkt siehe auch die Stellungnahme von RA Strate vom heutigen Tage (12.04.), hier.

2. Dass der Gutachter die von ihm festgestellte wahnhafte Störung auf die Ehekonflkt-Tat, die sich mehrere Jahre zuvor ereignet haben sollte, zurückdiagnostiziert, ist m. E. mit keiner medizinischen Theorie oder ärztlichen Kunst belegbar. Auf bloße Vermutungen darf aber eine Entscheidung nach § 63 StGB nicht gestützt werden.

3. Die Prognose, Herrn Mollaths Zustand werde sich ohne Behandlung nicht bessern und Herr Mollath würde "fast alle" Personen, die ihm begegnen mit dem Schwarzgeldskandal in Verbindung bringen, kann nach sieben Jahren Unterbringung in mehreren Anstalten und vielen nicht immer konfliktfreien Begegnungen mit vielen verschiedenen Menschen (Mitpatienten, Ärzten, Pflegepersonal, Anwälte, Richter als Briefadressaten)  ohne Weiteres überprüft werden. Ich bin auch sicher, dass in den Berichten, die in den sieben Jahren erstellt worden sind, solche wahnhaften Beschuldigungen des Herrn Mollath erwähnt worden wären. Offenbar hat Herr Mollath aber gerade nicht beliebige Personen beschuldigt, den Schwarzgeldkreisen seiner Frau anzugehören. Auch andere wahnhafte Beschuldigungen gegen beliebige Personen sind nicht bekannt. Diese Prognose ist also als widerlegt anzusehen. Selbst wenn zum Zeitpunkt des ersten Gutachtens also eine Wahnsymptomatik vorgelegen haben sollte, dann hat sich ganz offenbar deren diagnostizierte Schwere und prognostizierte Entwicklungstendenz nicht bestätigt. Eine Begründung der weiteren Gefährlichkeit allein damit, dass Herr Mollath sich nicht behandeln lässt, erscheint daher ausgeschlossen.

UPDATE vom 15.04.2013

Nun ist allgemein bekannt geowrden, dass am Donnerstag, 18.04. ein Anhörungstermin im Vollstreckungsverfahren in der Sache Mollath stattfindet. Da ich von Vielen gefragt wurde, was dieser Termin zu bedeuten hat und ob Herr Mollath möglicherweise an diesem Tag freikommt, möchte ich ein paar Dinge dazu klarstellen:

Es handelt sich um einen Anhörungstermin in einem ansonsten schriftlichen Verfahren. Der Termin, bei dem Herr Mollath "angehört" wird, ist keine Hauptverhandlung und ist auch nicht "so etwas ähnliches". Der Termin ist nicht öffentlich. An ihm nehmen nur Gericht (Strafvollstreckunsgkammer), Staatsanwaltschaft, Herr Mollath und seine Verteidiger teil. Das Gericht kann weitere Personen (als Vertrauenspersonen o.ä.) zulassen, muss dies aber nicht. Am Ende dieses Termins könnte das Gericht theoretisch seine Entscheidung treffen, wenn die Sache entscheidungsreif ist,  muss dies aber nicht tun. Es ist auch eher unwahrscheinlich, dass das Gericht sofort eine Entscheidung trifft, insbesondere, wenn in der Anhörung etwa noch Punkte (z.B. von Herrn Mollath oder von der Verteidigung) genannt werden sollten, die das Gericht dann noch prüfen will. Eine Entscheidung wird erst getroffen, wenn das Gericht die Sache für entscheidungsreif hält. Und sie wird dann schriftlich bekannt gemacht, nicht öffentlich verkündet.

Das Gericht wird m. E. nicht umhin kommen, auch mittlerweile bekannt gewordene Fakten aus dem WA-Verfahren bei der Entscheidung zu berücksichtigen, ob Herr Mollath gefährlich ist (siehe mein vorheriges Update oben). Dennoch wage ich keine Prognose, wie die Entscheidung ausfällt.

UPDATE vom 29.04.2013

Das Wochenblatt gibt soeben eine Mitteilung der StVK des LG Bayreuth wieder. Jetzt auch als Pressemitteilung (pdf) bei Justiz.Bayern Zitat:

Pressemitteilung Mit Beschluss vom 26. April hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bayreuth beschlossen, eine ergänzende Stellungnahme des zuletzt mit der Begutachtung des Untergebrachten befassten psychiatrischen Sachverständigen einzuholen. 

Der Sachverständige soll die Fragen beantworten, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass der Untergebrachte erneut Straftaten begehen wird, welcher Art diese Straftaten sein werden, welche Häufigkeit und welchen Schweregrad sie haben werden.

Die Kammer erachtet es im Interesse einer sorgfältigen Aufklärung und verantwortungsvollen Abwägung und unter Berücksichtigung der von ihr durchgeführten umfangreichen Anhörung vom 18. April für geboten, noch einmal einen externen Sachverständigen zu Rate zu ziehen. Da der Untergebrachte die von der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth beantragte Begutachtung durch einen neuen Sachverständigen im Januar abgelehnt hatte greift die Kammer auf den psychiatrischen Sachverständigen zurück, der den Untergebrachten bereits in der Vergangenheit ausführlich exploriert hat. 

Die Strafvollstreckungskammer und der Sachverständige haben dabei weiterhin davon auszugehen, dass der Untergebrachte die Taten, wegen derer das Landgericht Nürnberg-Fürth am 08.08.2006 rechtskräftig die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet hat, begangen hat.

Die Strafvollstreckungskammer hat gleichzeitig von Gesetzes wegen die Beiordnung der bisherigen Pflichtverteidigerin des Untergebrachten zurückgenommen. Nachdem für diesen nunmehr ein Wahlverteidiger tätig ist, folgt diese Entscheidung unmittelbar aus § 143 StPO.

Weitergehende Auskünfte zu dem Strafvollstreckungsverfahren können wegen dessen Nichtöffentlichkeit nicht erteilt werden.

Zitat Ende.

Kommentar
Bei dem angesprochenen Sachverständigen handelt es sich um Prof. Pfäfflin, der Gustl Mollath im Jahr 2011 exploriert und begutachtet hatte. Die damalige Begutachtung kam zwar zum Ergebnis, Herr Mollath sei weiterhin gefährlich, die Gründe für diese Schlussfolgerung waren im Gutachten selbst aber wenig überzeugend dargestellt.

Wenn die StVK dem Sachverständigen nun vorschreibt, er habe die rechtskräftig festgestellten Straftaten zu unterstellen, dann verpflichtet sie ihn, Tatsachen anzunehmen, deren Wahrheitsgehalt erheblich infrage gestellt ist. Wissenschaftlich wäre das kaum zu rechtfertigen.

Allerdings erinnert man sich, dass selbst bei Unterstellung dieser Straftaten die Gefährlichkeitsprognose dieses Sachverständigen zunächst „wacklig“ schien – damals hat er sie dann mündlich "nach oben" korrigiert, nachdem er darauf hingewiesen wurde, dass eine „normale“ Wahrscheinlichkeit der Begehung weiterer Straftaten nicht ausreiche, um Herrn Mollath weiterhin unterzubringen.

Faktisch führt aber dieser Aufschub der Entscheidung der StVK am LG Bayreuth wohl dazu, dass das Wiederaufnahmeverfahren zeitlich wieder weiter nach vorn rückt. Denn bis Herr Pfäfflin den Gutachtenauftrag erledigt hat, wird möglicherweise das LG Regensburg schon über die Wiederaufnahme entscheiden.

Nun erreicht mich eine gemeinsame Presseerklärung der beiden Verteidiger (Frau Lorenz-Löblein und Herrn Dr. Strate) zu dieser Entscheidung des LG Bayreuth. Zitat:

Presseerklärung der Verteidigung zum Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bayreuth

Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bayreuth hat am 26.4.2013 beschlossen, eine ergänzende gutachterliche Stellungnahme des Psychiaters Prof. Dr. Friedemann Pfäfflin einzuholen. Die Strafvollstreckungskammer sieht sich zu diesem Schritt motiviert" im Interesse einer sorgfältigen Aufklärung und verantwortungsvollen Abwägung".

Obwohl der Beschluss bereits am 26.04.2013 getroffen wurde, wurde Herr Mollath bis Montag morgen hierüber im Unklaren gelassen. Dies zeigt, dass nach wie vor kein Verständnis für die Situation von Herrn Mollath besteht.

Im Gegensatz zu dem behaupteten Interesse an einer sorgfältigen Aufklärung steht allerdings die Vorgabe an den Sachverständigen, es "möge arbeitshypothetisch nach wie vor davon ausgegangen werden. dass die Anlasstaten so, wie sie in dem Urteil des Landgerichts Nürnberg­Fürth vom 08.08.2006 beschrieben worden sind, stattgefunden haben", obwohl der Strafvollstreckungskammer aus dem ihr überlassenen Wiederaufnahmeantrag der Staatsanwaltschaft Regensburg bekannt ist, dass ein wesentliches Beweismittel für eine der angeblichen Anlasstaten ein gefälschtes ärztliches Zeugnis gewesen ist. Auch hätte die Strafvollstreckungskammer nicht schlicht ignorieren dürfen, dass die Staatsanwaltschaft Regensburg aufgrund neuer Tatsachen und Beweismittel die Glaubwürdigkeit der ehemaligen Ehefrau Mollaths als" tiefgreifend erschüttert" sieht.

Der Strafvollstreckungskammer ist weiterhin bekannt, dass eine wesentliche Annahme des seinerzeit angeblich festgestellten Wahnsymptoms, nämlich die angebliche Wahnausweitung auf unbeteiligte Dritte, sich als falsch herausgestellt hat. Dies hätte die Strafvollstreckungskammer ebenfalls dem ihr vorliegenden Wiederaufnahmeantrag der Staatsanwaltschaft Regensburg entnehmen können, dort den BI. 243 -254:

http://www.strate.net/de/ dokumentation/Mollath-Wiederaufnahmeantrag-StA-Regensburg ­2013-03-18.pdf

Diesen unzweifelhaft feststehenden Tatsachen begegnet die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bayreuth mit verschlossenen Augen. Ihr Beschluss dient nicht der sorgfältigen Aufklärung, sondern perpetuiert das Gustl Mollath zugefügte Unrecht.

Die allein auf die "Gefährlichkeit" Mollaths abstellenden Fragen der Straf vollstreckungskammer haben außerdem die Unterstellung einer psychischen Erkrankung Mollaths und deren Fortbestehen sowie eine damit (zum Urteilszeitpunkt) einhergehende Gefährlichkeit zur Voraussetzung. Wie sehr sich die Strafkammer von den im Strafvollstreckungsverfahren geltenden Maßstäben der Sachverhaltsaufklärung entfernt, kann mit dem Hinweis auf eine jüngst ergangene Entscheidung des Oberlandesgerichts Sachsen-Anhalt vom 24.10.2012 (1 Ws 442/12) erläutert werden, in der es heißt:

"Bei der Beauftragung eines externen Sachverständigen mit der Erstellung eines Gutachtens nach § 463 Abs. 4 StPO hat die Strafvollstreckungskammer eine ergebnisoffene Begutachtung sicherzustellen. Dem widerspricht die Bezugnahme auf eine als vorhanden vorausgesetzte psychische Erkrankung des Untergebrachten im Gutachtenauftrag. "

Zur Klarstellung sei mitgeteilt, dass Frau Rechtsanwältin Lorenz-Löblein Herrn Gustl Mollath weiterhin - ebenfalls als Wahlverteidigerin - vertritt.

Rechtsanwältin Erika Lorenz-Löblein, München

Rechtsanwalt Dr. Gerhard Strate, Hamburg

Zitat Ende.

UPDATE vom 02.05.2013

Bisher haben mich Gesprächspartner aus der Justiz immer mal wieder darauf hingewiesen, dass zwar die Urteilskritik im Hinblick auf die Aussage-gegen-Aussage-Konstellation bei den (angeblichen) Straftaten Mollaths gegen seine Ehefrau berechtigt sei, dass aber doch die auf "gefährliche Weise" durchgeführten Reifenstechereien wohl tatsächlich stattgefunden hätten und Herr Mollath dessen wohl zu Recht beschuldigt worden sei. Meine Hinweise darauf, dass auch die Feststellungen zu den Sachbeschädigungen keineswegs als "bewiesen" anzusehen seien, wenn man in die Akten schaut und diese mit den Urteilsgründen vergleicht, hat dann meist Achselzucken hervorgerufen. Leider hat das Schweigen der beiden Wiederaufnahmeanträge zu diesen Tatkomplexen nicht dazu beigetragen, den Eindruck meiner Gesprächspartner zu zerstreuen.

Nun hat RA Strate gerade in dieser Beziehung "nachgelegt": Wenn man die neue Stellungnahme Strates vom gestrigen Tage liest, wird man nicht umhin kommen, auch in Beziehung auf die Sachbeschädigungen zu der Auffassung zu gelangen: Hier wurde eine kaum mit Indizien belegte polizeiliche Hypothese ("Der Molllath könnte ein Motiv haben") vom Gericht trickreich zu einer Tatfeststellung ausgebaut, einzig und allein dazu, eine Grundlage für Herrn Mollaths "Gemeingefährlichkeit" zu schaffen.

Einige Einzelpunkte:

Tatsache ist, es gab ein Schreiben Mollaths, in dem einige der von Reifenstechereien betroffenen Personen genannt wurden. Jedoch: Weder alle in den Schreiben genannten Personen waren betroffen, noch alle in der Anklage Herrn Mollath zugerechneten Taten trafen die im Brief genannten.

Tatsache ist: Die meisten Reifenschäden wurden vor der Fahrt von den Betroffenen entdeckt. Im Urteil steht, sie seien meist erst während der Fahrt entdeckt worden.

Tatsache ist: Wie genau die Reifen beschädigt wurden, wurde gar nicht aufgeklärt; bei den Reifen, in denen es von der Polizei überhaupt Ermittlungen dazu gibt, deutet sich als "Tatwaffe" eher ein Messer an. Im Urteil heißt es, sie seien alle in derselben Art und Weise und zwar in irgendeiner "sachverständigen" Form (vom ehemaligen Reifenhändler Mollath) mit einem dünnen spitzen Gegenstand beschädigt worden. Tatsache ist: Keiner der Reifen wurde überhaupt näher inspiziert. Der dazu vernommene Polizeizeuge hat keinen der Reifen persönlich gesehen, sondern nur Ermittlungen der Kollegen zusammengetragen.

Tatsache ist: Auf einem Video, das die Polizei extra zur Ermittlung der Reifenstechereien aufgenommen haben soll, soll eine Täterperson zu sehen sein, die Mollath nach Auskunft seiner Frau zumindest ähnelt. Jedoch: weder das Video wurde gezeigt, noch wurde Frau M. dazu im Gerichtssaal vernommen (obwohl anwesend!). Die Angabe stammt wiederum von einem Polizeibeamten (als Zeuge vom "ungefähr"-Hören-Sehen-Sagen?). Und hinzu kommt: Das Video stammt von einer (angeblichen) Tat, die gar nicht angeklagt war.

Das ist noch nicht alles - bitte lesen Sie den Schriftsatz Strates, der im Übrigen noch weitere Sachverhaltsverfälschungen des Gerichts aufdeckt und damit den Vorsatz der Rechtsbeugung (als Wiederaufnahmegrund) zu untermauern sucht.

UPDATE 28.05.2013

Die Entscheidung* des LG Regensburg (Bericht der SZ), Herrn Mollath vorerst nicht nach § 360 Abs. 2 StPO aus der Unterbringung zu befreien, hat mich und alle, die den Fall näher kennen, enttäuscht. Denn einige Monate nachdem sowohl Verteidigung als auch Staatsanwaltschaft je auf mehrere Gründe basierende Wiederaufnahmeanträge gestellt haben, die zum größeren Teil nach meiner Überzeugung die WA auch begründen, wäre dieser Schritt ein wichtiges Signal gewesen - ein Hoffnungsschimmer nicht nur für Herrn Mollaths(endgültige)  Freiheit, sondern auch für das Ansehen der Justiz. Nun verfestigt sich leider der Eindruck, dass die bayrische Justiz nicht in der Lage ist,  in angemessener Weise und gehöriger Schnelligkeit bei einem Fall mit (für mich) offenkundiger unrechtmäßiger Inhaftierung eines Bürgers Fehler einzugestehen und zu korrigieren. Natürlich kann man weiterhin hoffen, dass die Prüfung des komplexen Falls und der umfangreichen WA-Gründe doch am Ende zu einem für Mollath - und für das Vertrauen in die bayerische Justiz - positiven Ergebnis kommt.
*(Ergänzung 30.05.): Bei der Äußerung des LG Regensburg handelt es sich um einen Aktenvermerk, in dem begründet wird, warum eine Entscheidung gem. § 360 Abs.2 StPO derzeit (noch) nicht getroffen wird. Die Verteidigung (RA Strate) hat gegen diese (Nicht-)Entscheidung dennoch Beschwerde eingelegt, da "der Sache nach" eine Herrn Mollath belastender Beschluss, die Vollstreckung der Unterbringung nicht zu unterbrechen vorliege.

UPDATE 19.06.2013

Es findet sich jetzt ein neuer Beitrag hier.

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1617 Kommentare

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Die Rechtsfindung ist nicht selten eine Mischung aus Spiel, Theater, Willkür und dumpfem Mittelalter

Gast schrieb:

Frage: Muss Prof. Dr. Pfäfflin den Gutachtenauftrag ablehnen? Hat er nicht im Jahr 2011 bewiesen, dass er die Aufgabe nicht mächtig ist? 

Wenn Sie sich ansehen, was sich die Richter und Schlechtachter im Fall Mollath – und vermutlich noch in vielen anderen Fällen – erdreisten (zuletzt erst wieder der crème de la crème Gutachter Prof. Henning Saß im Fall Zschäpe), dann werden Sie auch feststellen müssen, dass alles geht. Es gibt faktisch, realiter keine Pflicht zur Wahrheit, zu korrekter Methodik, zur Beachtung der Natur- und Sozialgesetze, des gesunden Menschenverstandes. Das ethische und wissenschaftliche Niveau der Mollath Justiz ist vergleichbar der dumpfen Geisteshaltung im Mittelalter mit der nach Prantl gut vertretbaren Option, selbst wahnsinnig zu sein. Die kritische Aufklärung scheint an der Justiz so vorübergegangen zu sein wie an den Kirchen (wo es nicht so verwundert). Pfäfflin muss gar nichts. Kahler muss gar nicht. Leipziger muss gar nichts. Brixner muss gar nichts. Die müssen alle offensichtlich gar nichts. Und so zeigt sich abermals: Die Rechtsfindung ist nicht selten eine Mischung aus Spiel, Theater, Willkür und dumpfem Mittelalter. Ein alter Freund und Rechtsanwalt sagte mir kürzlich: Vor Gericht kriegt man nicht Recht, sondern ein Urteil. Immerhin: Das Gute am Schlechten: Mollath und viele seiner kompetenten Helfer führen das System vor, wie es offenbar ist. In dieser Intensität und Breite dürfte es einen solchen Aufstand der Kritischen, Anständigen und Zivilcouragierten in Deutschland noch nicht gegeben haben: Recht und Freiheit für Gustl F. Mollath – und alle anderen!

 

Reifenstechen zum "versuchten Mord" umzudeuten, halte ich für Unsinn - das wird i.d.R. auch kein Polizist so aufnehmen, allenfalls bearbeitet der Verkehrsdienst das als "Gef. Eingriff in den Straßenverkehr".

 

Hierzu eine interessante Statistik, aus Franken, mit besonderem Hinweis auf Seite 17/18:

 

http://www.polizei.bayern.de/content/3/7/6/9/7/pks_2007.pdf

 

Dort ist die Rede, 2006, von "61 Sachbeschädigungen durch Reifenstechen in Fürth, Nürnberg und Zirndorf...."Diplom-Mathematiker" wurde auf "frischer Tat festgenommen."

 

Motiv: "private Probleme"...

 

Von einer Unterbringung im forensischen Massregelvollzug ist nicht die Rede! 

 

Ich gehe jetzt mal davon aus, dass es sich nicht um die gleichen Reifenstechereien in Nürnberg handelt, die Mollath vorgeworfen werden.....oder die ihm vorgeworfenen Taten längst von einem anderen "eingeräumt" wurden ....

wundern würde es mich ehrlich gesagt nicht! 

 

 

 

 

5

Ich bin der Meinung dass Professor Pfäfflin den Gutachtenauftrag ablehnen sollte. Ob er damit fachlich überfordert ist, kann ich nicht beurteilen. Aber als Wissenschaftler ist man der Wahrheit verpflichtet und soll nach bestem Wissen und Gewissen berichten. Das ist nicht möglich, wenn zweifelhafte Vorgaben gemacht werden, z. B. dass Mollath die Tat begangen hat.

 

5

Dass es Sitte ist aufzustehen, ohne sich lächerlich zu machen, wenn ein Richter den Sitzungssaal betritt, kenne ich nur aus dem Hollywood. Mit Hubers Aufforderung dazu, sollte Herr Mollath düpiert oder für dumm verkauft werden.

WR Kolos schrieb:

Dass es Sitte ist aufzustehen, ohne sich lächerlich zu machen, wenn ein Richter den Sitzungssaal betritt, kenne ich nur aus dem Hollywood. Mit Hubers Aufforderung dazu, sollte Herr Mollath düpiert oder für dumm verkauft werden.

 

Naja, Zucht und Ordnung im königlich-bayrischen.....

Hoffentlich bringt Strates Nachschlag die zuständigen Richter jetzt nicht in Verwirrung, nicht, daß sie mit der Prüfung der WA- Anträge noch mal von vorn anfangen müssen.....Wort für Wort....

 

5

WR Kolos schrieb:

Dass es Sitte ist aufzustehen, ohne sich lächerlich zu machen, wenn ein Richter den Sitzungssaal betritt, kenne ich nur aus dem Hollywood. Mit Hubers Aufforderung dazu, sollte Herr Mollath düpiert oder für dumm verkauft werden.

Deutsche Richter erwarten Demutsgesten, Unterwerfung, wer dem nicht nachkommt dem wird es schlecht gehen bei einem deutschen Gericht.

Das gilt sogar für das Zivilverfahren. 

Deutsche Justizjuristen, inklusive Staatsanwälte, empfinden sich als der Obrigkeit zugehörig, nicht nur in Bayern.

 

5

@Bille

neue Erkenntnisse darf er ja nicht berücksichtigen.

Das sind keine neue Erkenntnisse.

Zu dem gleichen Ergebnis hätten die Gutachter alle Jahre auch kommen können.

Eine Gefährlichkeitsprognose, die keine Gefährlichkeit prognostiziert, war alle Jahre Tatsache.

Frage mich, wie man rechtfertigen kann, dass Mollath noch eingesperrt ist.

Gruss

Tine Peuler

5

Soeben ist ein sehr interessanter Hinweis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (im Blog von Gabriele Wolff) aufgetaucht; Hans G. schrieb dort um 22:16 Uhr:
 

Der Beschluss der StvK Bayreuth ein externes Gutachten einzuholen und dabei die Vorgabe zu machen, dass arbeitshypothetisch davon ausgegangen werden soll, dass die Anlasstatten, so wie sie in dem Urteil vom 8.8.2006 beschrieben worden sind, stattgefunden haben, gibt den Anlass auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts 2 BvR 1334/10 vom 22.11.2011 (http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rk20111122_2bvr133410.html) hinzuweisen.

In der Entscheidung heißt es:
Abs. 13 aa) Aus der freiheitssichernden Funktion des Art. 2 Abs. 2 GG ergeben sich Mindesterfordernisse für eine zuverlässige Wahrheitserforschung (vgl. BVerfGE 57, 250 ; 70, 297 ), die nicht nur im strafprozessualen Hauptverfahren, sondern auch für die im Vollstreckungsverfahren zu treffenden Entscheidungen zu beachten sind. Sie setzen unter anderem Maßstäbe für die Aufklärung des Sachverhalts und damit für eine hinreichende tatsächliche Grundlage der richterlichen Entscheidungen. Es ist unverzichtbare Voraussetzung eines rechtsstaatlichen Verfahrens, dass Entscheidungen, die den Entzug der persönlichen Freiheit betreffen, auf zureichender richterlicher Sachaufklärung beruhen (vgl. BVerfGE 58, 208 ; 70, 297 ) und eine in tatsächlicher Hinsicht genügende Grundlage haben, die der Bedeutung der Freiheitsgarantie entspricht (vgl. BVerfGE 58, 208 ; 70, 297 ).
Abs. 14 Nicht nur im sogenannten Strengbeweisverfahren, sondern auch in denjenigen Verfahren, die dem sogenannten Freibeweis unterliegen, gilt die richterliche Aufklärungspflicht, wie sie für die Hauptverhandlung in der Regelung des § 244 Abs. 2 StPO ihren Niederschlag gefunden hat (vgl. BVerfGE 57, 250 ; 70, 297 ).

Abs. 20 § 246a StPO ordnet die Hinzuziehung eines Sachverständigen bereits im Erkenntnisverfahren zwingend an, so dass bei jeder Fortdauerentscheidung bereits das Gutachten eines (externen) Sachverständigen aus dem Erkenntnisverfahren vorhanden ist. Vor diesem Hintergrund kann es jedenfalls dann von Verfassungs wegen geboten sein, die Akten des Erkenntnisverfahrens beizuziehen und das dort vorhandene Gutachten bei der Fortdauerentscheidung zu verwerten, wenn der Verteidiger des Untergebrachten, der Untergebrachte selbst oder ein sonst am Verfahren Beteiligter dies anregt und zugleich auf mögliche Besonderheiten im zu entscheidenden Einzelfall hinweist. In solchen Fällen darf die Strafvollstreckungskammer die ohne großen Aufwand zugängliche, zusätzliche Erkenntnisquelle des bereits vorhandenen Sachverständigengutachtens nicht unbeachtet lassen.
Abs. 21 Hier hat die Strafvollstreckungskammer dies jedoch unterlassen und die Akten des Erkenntnisverfahrens nicht beigezogen, obwohl der Verteidiger der Beschwerdeführerin dies mehrfach schriftsätzlich angeregt und auf eine mögliche Lückenhaftigkeit der von den Fachgerichten herangezogenen Erkenntnisquellen hingewiesen hatte. Das im Erkenntnisverfahren eingeholte Sachverständigengutachten ist somit nicht zu den Vollstreckungsakten gelangt und konnte bei der Fortdauerentscheidung nicht herangezogen werden. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass die Strafvollstreckungskammer bei Kenntnis dieses Gutachtens und auf der Grundlage einer dadurch verbreiterten Entscheidungsgrundlage zu einer günstigeren Einschätzung für die Beschwerdeführerin gelangt wäre.

Ob die Kammer diese Entscheidung kennt?

5

noch'n'gast schrieb:
 Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts 2 BvR 1334/10 vom 22.11.2011

In der Entscheidung heißt es:
Abs. 13 aa) Aus der freiheitssichernden Funktion des Art. 2 Abs. 2 GG ergeben sich Mindesterfordernisse für eine zuverlässige Wahrheitserforschung (vgl. BVerfGE 57, 250 ; 70, 297 ), die nicht nur im strafprozessualen Hauptverfahren, sondern auch für die im Vollstreckungsverfahren zu treffenden Entscheidungen zu beachten sind.

Ob die Kammer diese Entscheidung kennt?

Natürlich.

Auf die BVerfGE 70,297  (auf die das BVerfG selbst Bezug nimmt) hat Strate bereits in seinem Schriftsatz an die StVK vom 12.04. hingewiesen (Seite 3).

Mein Name schrieb:

noch'n'gast schrieb:
 Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts 2 BvR 1334/10 vom 22.11.2011

In der Entscheidung heißt es:
Abs. 13 aa) Aus der freiheitssichernden Funktion des Art. 2 Abs. 2 GG ergeben sich Mindesterfordernisse für eine zuverlässige Wahrheitserforschung (vgl. BVerfGE 57, 250 ; 70, 297 ), die nicht nur im strafprozessualen Hauptverfahren, sondern auch für die im Vollstreckungsverfahren zu treffenden Entscheidungen zu beachten sind.

Ob die Kammer diese Entscheidung kennt?

Natürlich.

Auf die BVerfGE 70,297  (auf die das BVerfG selbst Bezug nimmt) hat Strate bereits in seinem Schriftsatz an die StVK vom 12.04. hingewiesen (Seite 3).

 

Nur weil Strate darauf schon früher hingewiesen hat, heißt es ja nicht, dass die Kammer diese Entscheidung auch wirklich 'kennt'.

Merke: Die bayerische Justiz nimmt sich die Freiheit heraus, solche Entscheidungen zu verkennen und/oder zu ignorieren...

5

noch'n'gast schrieb:

Soeben ist ein sehr interessanter Hinweis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (im Blog von Gabriele Wolff) aufgetaucht; Hans G. schrieb dort um 22:16 Uhr:
 

Der Beschluss der StvK Bayreuth ein externes Gutachten einzuholen und dabei die Vorgabe zu machen, dass arbeitshypothetisch davon ausgegangen werden soll, dass die Anlasstatten, so wie sie in dem Urteil vom 8.8.2006 beschrieben worden sind, stattgefunden haben, gibt den Anlass auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts 2 BvR 1334/10 vom 22.11.2011 (http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rk20111122_2bvr133410.html) hinzuweisen.

I

 

 

 

In dieser Entscheidung wird gerügt, dass die Strafvollstreckungskammer das psychiatrische Gutachten des Ausgangsverfahrens bei ihrer Fortdauerentscheidung nicht verwertet hat. (übertragen auf den Fall Mollath bedeutet dies, dass die Kammer das Gutachten Leipziger zu verwerten hatl)

 

 

 

3

auchGast schrieb:

noch'n'gast schrieb:
http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rk20111122_2bvr133410.html

In dieser Entscheidung wird gerügt, dass die Strafvollstreckungskammer das psychiatrische Gutachten des Ausgangsverfahrens bei ihrer Fortdauerentscheidung nicht verwertet hat. (übertragen auf den Fall Mollath bedeutet dies, dass die Kammer das Gutachten Leipziger zu verwerten hatl)
Aus diesem Grund hat ja Strate nicht auf diesen Beschluss, sondern auf den bereits genannten in seiner Stellungnahme für die StVK verwiesen:

Aus der freiheitssichernden Funktion des Art. 2 Abs. 2 GG ergeben sich Mindesterfordernisse für eine zuverlässige Wahrheitserforschung (vgl. BVerfGE 57, 250 ; 70, 297 ), die nicht nur im strafprozessualen Hauptverfahren, sondern auch für die im Vollstreckungsverfahren zu treffenden Entscheidungen zu beachten sind.

Dazu gehört es auch, die Beweisaufnahme der Staatsanwaltschaft für einen von ihr gestellten Wiederaufnahmeantrag zur Kenntnis zu nehmen.

Das ist in diesem Fall nicht geschehen - ein Verstoß gegen § 31 BVerfGG und damit gegen Art. 20 (3) GG.

RA Dr. Strate, auf S. 21 in seiner Stellungnahme vom 1.5.2013 schrieb:

Die gesamte Akte wegen Sachbeschädigung gegen den Beschuldigten Gustl Mollath wurde, erkennbar an den vorgehefteten Tatblättern (welche als Beschuldigten Gustl Mollath ausweisen), erst am 11. und 12.4.2005 angelegt und die entsprechenden als relevant empfundenen Anzeigen gegen Unbekannt nachgeheftet.

Das habe ich schon befürchtet und auf diese Information die ganze Zeit gewartet.

Herr Mollath wurde aus der "Totalbeobachtung" in der Psychiatrie am Montag, den 21. März 2005 (13. Kalenderwoche) entlassen.

Noch in derselben Kalenderwoche telefonierte Leipziger mit RiAG Eberl und teilte ihm mit, dass nach Aktenlage und der vorgenommenen "Totalbeobachtung" die Grundlage einer Begutachtung sehr dünn wäre, wörtlich: "dass es für die Begutachtung relevant wäre, Ermittlungsergebnisse jüngeren Datums ... in die aktuelle Begutachtung mit einbeziehen zu können." (Bl. 306 d.A.)

Ist das nicht eine hellseherische psychiatrische Meisterleistung oder ein wundersamer Zufall? Denn zu diesem Zeitpunkt hat nicht einmal die Polizei eine Akte darüber geführt.

Aber, es kommt noch besser. Was würde man von einem unvoreingenommenen Richter wohl für eine Antwort darauf erwarten? Ich denke, in etwa so eine: "Machen Sie das Gutachten, so wie Sie es anhand der ihnen vorliegenden Akte können. Mich interessieren nur die angeklagten Taten."

Aber, nein. Die Antwort, die Leipziger nach seiner eigenen Darstellung von RiAG Eberl bekam war eine völlig andere: "Herr Richter Eberl hatte erklärt, er würde sich darum bemühen, dass die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth die entsprechenden Unterlagen beizieht und zur Begutachtung zur Verfügung stellt." (Bl. 306 d.A.)

Wie ist denn das zu verstehen? Es gab zu diesem Zeitpunkt noch nicht "die entsprechenden Unterlagen", die hätten beigezogen werden können. Denn selbst die Polizei hatte noch keine Unterlagen angelegt.

Nach dem Telefonat mit RiAG legte Leipziger den Vorgang für ein Monat auf Frist. Nachdem er dann immer noch nichts von der StA bekommen hatte, wandte er sich am 26.04.2005 direkt an den (zuständigen) StA Schorr, mit der Bitte um Übersendung der versprochenen Ermittlungsakten.

Immerhin. Zu diesem Zeitpunkt war die polizeiliche Ermittlungsakte schon zwei Wochen alt.

Am 11.5.2005 kann StA Schorr Leipziger mitteilen, dass tatsächlich ein Ermittlungsverfahren jüngeren Datums vorliege, das er ihm nebst seiner Zusammenfassung übersende. Schorr fügte hinzu, dass aber die "Täterschaft des Beschuldigten weitgehend ungeklärt" sei.

Am 25.07. erstellt Leipziger das psychiatrische Gutachten.

WR Kolos schrieb:

RA Dr. Strate, auf S. 21 in seiner Stellungnahme vom 1.5.2013 schrieb:

Die gesamte Akte wegen Sachbeschädigung gegen den Beschuldigten Gustl Mollath wurde, erkennbar an den vorgehefteten Tatblättern (welche als Beschuldigten Gustl Mollath ausweisen), erst am 11. und 12.4.2005 angelegt und die entsprechenden als relevant empfundenen Anzeigen gegen Unbekannt nachgeheftet.

Das habe ich schon befürchtet und auf diese Information die ganze Zeit gewartet.

Herr Mollath wurde aus der "Totalbeobachtung" in der Psychiatrie am Montag, den 21. März 2005 (13. Kalenderwoche) entlassen.

Noch in derselben Kalenderwoche telefonierte Leipziger mit RiAG Eberl und teilte ihm mit, dass nach Aktenlage und der vorgenommenen "Totalbeobachtung" die Grundlage einer Begutachtung sehr dünn wäre, wörtlich: "dass es für die Begutachtung relevant wäre, Ermittlungsergebnisse jüngeren Datums ... in die aktuelle Begutachtung mit einbeziehen zu können." (Bl. 306 d.A.)

Ist das nicht eine hellseherische psychiatrische Meisterleistung oder ein wundersamer Zufall? Denn zu diesem Zeitpunkt hat nicht einmal die Polizei eine Akte darüber geführt.

Aber, es kommt noch besser. Was würde man von einem unvoreingenommenen Richter wohl für eine Antwort darauf erwarten? Ich denke, in etwa so eine: "Machen Sie das Gutachten, so wie Sie es anhand der ihnen vorliegenden Akte können. Mich interessieren nur die angeklagten Taten."

Aber, nein. Die Antwort, die Leipziger nach seiner eigenen Darstellung von RiAG Eberl bekam war eine völlig andere: "Herr Richter Eberl hatte erklärt, er würde sich darum bemühen, dass die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth die entsprechenden Unterlagen beizieht und zur Begutachtung zur Verfügung stellt." (Bl. 306 d.A.)

Wie ist denn das zu verstehen? Es gab zu diesem Zeitpunkt noch nicht "die entsprechenden Unterlagen", die hätten beigezogen werden können. Denn selbst die Polizei hatte noch keine Unterlagen angelegt.

Nach dem Telefonat mit RiAG legte Leipziger den Vorgang für ein Monat auf Frist. Nachdem er dann immer noch nichts von der StA bekommen hatte, wandte er sich am 26.04.2005 direkt an den (zuständigen) StA Schorr, mit der Bitte um Übersendung der versprochenen Ermittlungsakten.

Immerhin. Zu diesem Zeitpunkt war die polizeiliche Ermittlungsakte schon zwei Wochen alt.

Am 11.5.2005 kann StA Schorr Leipziger mitteilen, dass tatsächlich ein Ermittlungsverfahren jüngeren Datums vorliege, das er ihm nebst seiner Zusammenfassung übersende. Schorr fügte hinzu, dass aber die "Täterschaft des Beschuldigten weitgehend ungeklärt" sei.

Am 25.07. erstellt Leipziger das psychiatrische Gutachten.

 

Das riecht gewaltig nach einer regelrechten Auftragserteilung, Auftragsbestätigung und Erledigung des Auftrags. Und sieht man sich die Sache "Reifenbeschädigungen" genauer an, fallen haufenweise Feinbearbeitungen auf, bis es schließlich möglich ist,  in freier Beweiswürdigung für erwiesen zu halten, dass sie Gustl Mollath zum Urheber haben. Revisonssicher formuliert, und fertig ist.

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Wäre es möglich, die sofortige Verlegung von Herrn Mollath zu beantragen? Es besteht doch erheblicher Verdacht, dass er nicht rechtmässig festgehalten wird. Da es Ungereimtheiten gibt, die zur Vertuschung von Straftaten beigetragen haben könnten, die er angezeigt hat, ist ein Mord nicht auszuschliessen. Ich sehe hier "Gefahr im Verzug".

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Anonymous schrieb:

Wäre es möglich, die sofortige Verlegung von Herrn Mollath zu beantragen? Es besteht doch erheblicher Verdacht, dass er nicht rechtmässig festgehalten wird. Da es Ungereimtheiten gibt, die zur Vertuschung von Straftaten beigetragen haben könnten, die er angezeigt hat, ist ein Mord nicht auszuschliessen. Ich sehe hier "Gefahr im Verzug".

 

Herr Mollath möchte aber bleiben. Das kann auch jeder verstehen und verschiedentlich begründen. Von der angeblich pragmatischen Trickserei mit dem Zuständigkeisshopping für die StVK scheint Mollath auch nicht sehr viel zu halten. Ein Aspekt wird noch leicht übersehen:

Leipziger hat Mollath in die Höllen der Forensik geführt und er kann ihn da wieder heraus führen,  vorbei an den Wächtern in schwarzen Roben mit dem Plüschbesatz. Die beste Verlegung wäre also die in Freiheit. Damit hätte die Geschichte nicht nur ein Happy End und eine Einheit von Handlung und Ort. Solange Mollath bei Leipziger bleibt, besteht für Leipziger eine Chance der inneren Wandlung zum Guten. Ein Wendepunkt also. Er sollte die Zeit nur sinnvoll nutzen und sich ihm öffnen, Einsicht und Reue zeigen. Dann fällt auch die Gefahr für die Allgemeinheit weg. Viel Zeit wird ihm dafür wohl nicht mehr bleiben. Keinesfalls sollte er Mollaths fürsorgliche Erkundigungen nach seiner Befindlichkeit herablassend ignorieren wie seine Kollegin.

Ich bin mir sicher, dieses Schauspiel kommt ganz ohne "Mord" gut aus, ohne an Spannung und Dramatik zu verlieren. Das war kein guter Vorschlag.

"..Einschub: Der Einzige, der eine konkrete Gefährdung behauptet hat, war Rechtsanwalt Greger, der laut Schlussbericht von POK Grötsch ihm das tatverdachtauslösende Schreiben Gustl Mollaths vom 4.8.2004 übergeben hat (802 Js 13851/05 Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth, Bl. 120 d.A.)."

Aber:

"..Wolfgang Greger: Nach dem Anruf seiner Frau 60 km vor Bad Reichenhall Druckkontrolle und Feststellen eines Druckverlustes am rechten Vorderreifen.

Durch wiederholtes und regelmäßiges Befüllen dieses Reifens kam ich dann fast zurück bis nach Nürnberg. Auf Höhe des Rasthofes Feucht kam es dann zu einem sehr raschen Druckverlust. Ich konnte es allerdings bewerkstelligen, dass Fahrzeug noch zur BMW-Niederlassung in der Witschelstraße in Nürnberg zu fahren.“

 

Greger scheint die Gefahr zu lieben: Normalos würden bei so einer "Gefahr" den ADAC rufen, den Reifen wechseln lassen.

 

http://www.strate.net/de/dokumentation/Mollath-LG-Regensburg-2013-05-01.pdf

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Prof. Pfäfflin muss den Gutachtenauftrag ablehnen, er hätte ihn schon 2011 ablehnen müssen.

Eine Gleichung:

Ich möchte, dass ein Sachverständiger den Wasserschaden in meinem Keller begutachtet.

Alles was ich besitze ist aber ein Schrebergarten, wohlgemerkt ohne Keller.

Eine Begutachtung ist nicht möglich. Manche würde es sogar irrsinnig finden, dass ich überhaupt diesen Auftrag gestellt habe.

Herr Mollath muss freigelassen werden. Ungeachtet ob er die vorgeworfenen Taten begangen hat oder nicht, besteht keine Gefahr.

Gruss

Tine Peuler

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Mollath ist ja "technisch gesehen" eben nicht verurteilt, sondern freigesprochen worden - wegen fehlender Steuerungsfähigkeit.

Interessant, was Ursula Prem heute in ihrer Freitagskolumne: .."im Schattenreich des Rechts..." schreibt
 

"Wer den unsäglichen Umgang der Behörden mit Gustl Mollath aufmerksam verfolgt, kann sich einer grundlegenden Erkenntnis nicht entziehen: Es ist nicht zum Besten der Menschheit, dass die Psychiatrie sich aufgemacht hat, das Justizsystem zu entern und die viel beschworene richterliche Unabhängigkeit endgültig auszuhebeln. Trotz vieler beteiligter Justizbehörden laufen die Fäden ganz offensichtlich bei einer einzigen Person zusammen: Unter der Federführung von Dr. Klaus Leipziger, Chefarzt der forensischen Psychiatrie im BKH Bayreuth, entstehen die Stellungnahmen, welche für Gustl Mollaths aktuelles Schicksal ausschlaggebend sind. Dass längst umfangreiche Beweise dafür vorliegen, dass Mollath die Anlasstaten gar nicht begangen hat, wird einfach nicht in die Betrachtungen mit einbezogen. Die Psychiatrie fragt nicht nach konkreten Taten, sondern trägt ihre verschwurbelten Ideen von der potenziellen Gefährlichkeit des Menschen Gustl Mollath wie eine Monstranz vor sich her.   Die einzige Überlebenschance der Psychiatrie als angeblicher »Wissenschaft« ist die penetrante Wiederholung der Suggestion, dass sie eben eine solche sei: eine unfehlbare Disziplin, deren Protagonisten mit einem Genius geschlagen sind, der sich wohl nur ihnen selbst erschließt. Wer nun annimmt, dass ärztliche Stellungnahmen, die über das Schicksal eines Menschen entscheiden, selbstverständlich mit der größten Sorgfalt und nach klar definierten Regeln der Kunst erstellt werden, sollte sich die Lektüre des neuesten Schriftstücks des BKHs zu Gustl Mollath vom 16. April 2013 nicht entgehen lassen, welches Rechtsanwalt Dr. Gerhard Strate auf seiner Website dankenswerterweise öffentlich gemacht hat. So also sieht der intellektuelle Output konkret aus, zu dem ein vieljähriges Studium auf Staatskosten seine Absolventen befähigt. Das Dokument stellt eine Ergänzung zur Stellungnahme vom 4. März 2013 dar, deren Inhalt ähnlich gehaltlos ausgefallen war.     Der Böse Blick des Gustl Mollath – alter Aberglaube im neuen Gewand  

»Vom mimischen Aspekt her hatte Herr Mollath wieder mit zynisch empfundenen Lächeln und hasserfülltem Gesicht gegenüber den Pflegemitarbeitern imponiert.«

  Ja. Das steht da tatsächlich. Als angeblicher Beweis für Mollaths Gefährlichkeit. – Das glauben Sie nicht? Dann öffnen Sie bitte das Dokument vom 16. April  und lesen Sie den letzten Satz auf Seite 2. Unterschrieben wurde das Schriftstück von zwei Medizinern, wobei ein namentlich nicht benannter Vertreter seinen unleserlichen Schriftzug »i.V.« für Dr. Leipziger ableistete. Ob der Chefarzt selbst sich hinter seinem Untergebenen versteckt oder lediglich gerade Wichtigeres zu tun hatte, als sich mit dem Schicksal eines ihm Ausgelieferten zu befassen, geht aus dem Dokument leider nicht hervor. Wir dürfen jedoch getrost davon ausgehen, dass der Inhalt ihm genauestens bekannt ist, sodass wir es also mit mindestens drei Akademikern zu tun haben, die nicht mal den Dativ fehlerfrei anwenden können. Über den Gehalt ihrer Stellungnahme sagt diese Sprachvergewaltigung zugegebenermaßen nichts aus. Doch wie wäre es hiermit:  

»So nutzt Herr Mollath beispielsweise nicht die im Stationsalltag vorgegebene Zeit zum Umtausch seiner Telefonkarte, obwohl er auf Station anwesend und auch wach ist, sondern beschwert sich später massiv bei den Mitarbeitern und seiner Anwältin.«

Was ist dieser Aussage in Bezug auf eine potenzielle Gefährlichkeit zu entnehmen? Haben die nichts Besseres in der Hand, wenn sie einen Menschen auf unbestimmte Zeit im Schattenreich verschwinden lassen?, fragt man sich entsetzt. Dass man im BKH zumindest hektisch nach Greifbarem sucht, um die Fehler von früher zu bemänteln, ergibt sich aus folgendem Zitat:  

»Selbstbewusstere Patienten melden in Einzelgesprächen an die Mitarbeiter zurück, dass Herr Mollath sie provoziere und suchen entsprechende Unterstützung. Das Mitpatienten instrumentalisierende Verhalten von Herrn Mollath führt - wie in der Vergangenheit auch - zu einem von Anspannung und Stress ausgestalteten Stationsklima.«   

  Fakt ist: Damit eine Rückmeldung erfolgen kann, muss zuvor ein Auftrag ergangen sein. Für mich liest sich das, als würden »selbstbewusstere Patienten« gezielt von der Klinik zur Lieferung von Informationen über andere Gefangene eingespannt. Für jeden Laien ist erkennbar, dass derart unkonkreter Stimmungsmache, ohne Nennung von Ross und Reiter, keinerlei Beweiskraft innewohnt. Warum also wird das offenbar existierende hausinterne Spitzelsystem derart ungeniert von den Ärzten vor Gericht offengelegt? Und warum scheut man nicht mal davor zurück, abgehörte Inhalte aus vertraulichen Anwaltsgesprächen zu verwerten? – Die einzig logische Antwort darauf dürfte sein: Es ist die pure Verzweiflung! Es soll auf Biegen und Brechen ein Gutachten gehalten werden, das von Anfang an evident daneben lag und einfach nur peinlich falsch ist. Und da es nichts Handfestes gibt, was man Mollath anhängen könnte, muss am Ende der Böse Blick als Begründung herhalten.

Halten wir fest: Gerichte und Gutachter hätten sich viel Arbeit ersparen können, wenn sie ihre Argumentation von Anfang an auf den Bösen Blick ausgerichtet und auf die restlichen Nebelkerzen verzichtet hätten. Nachdem alle anderen Vorwürfe längst haltlos und offenkundig in sich zusammengebrochen sind, bleibt am Ende nämlich nur noch eines: ein von namentlich nicht genannten Pflegemitarbeitern angeblich als »zynisch« empfundenes Lächeln mit fehlerhaftem Dativ."
 

5

Als traurig empfinde ich auch die undankbare Rolle all jener Richter / Staatsanwälte, die eigentlich immer nur eine saubere Arbeit abliefern möchten (und dass es sicher solche in ausreichender Zahl auch in Bayern gibt, davon bin ich überzeugt) und nun mit ansehen müssen, wie solch Kriminelle wie Eberl und Brixner wohl ungeschoren davon kommen, nur weil es Richter sind.

 

Dass sich dann innerhalb der Jusitzgefilden ein gewisser Fatalismus breit macht, wenn solche Ungeheurlichkeiten von oben auch noch gedeckt werden, wer soll es ihnen denn dann auch verdenken?

 

Anstatt Aufschrei in den eigenen Reihen, gibts dann Dienst nach Vorschrift und Klappe halten...

 

Hat sich der heldenhafte Vorsitzende des Karnevalsvereins, Richter Gross, denn schon zur Lage der Nation geäussert?

astroloop schrieb:

Hat sich der heldenhafte Vorsitzende des Karnevalsvereins, Richter Gross, denn schon zur Lage der Nation geäussert? 

 

Sicher. In Zusammenhang mit dem NSU - Prozess hat er wieder einmal auf die Medien eingeprügelt, die das anstrengende Richteramt so gar nicht mehr ernst nehmen (wollen.)

 

http://www.bayrv.de/DesktopModules/ExpandableTextHtml_News/PopUpContent.aspx?moduleid=603&itemid=41

 

Robert Stegmann

4

Weshalb ist noch kein Staatsanwalt oder Richter auf die Idee gekommen, die Glaubwürdigkeit der Ex zu untersuchen ?

Werbung von Quantenheilung ist doch auch eine Erfindung, die  medizinisch nicht haltbar ist.

 

Ist das nicht unlautere Werbung ?

 

 

 

 

 

 

 

4

Gast schrieb:

Werbung von Quantenheilung ist doch auch eine Erfindung, die  medizinisch nicht haltbar ist.

 

Ist das nicht unlautere Werbung ?

 

Na bei ihr hilft es offenbar. So manche(r), wäre an dem zerbrochen, was im letzten halben Jahr über sie eingestürzt ist.

Georg Schmid hat die Gehaltsaffäre des Landtages keine Woche ausgehalten und war dann bereit, von sämtlichen Posten und Pöstchen zurückzutreten.

Frau Maske droht immerhin ein Verfahren wegen Freiheitsberaubung in mittelbarer Täterschaft.  Trotzdem erträgt sie offenbar alles mit stoischer Gelassenheit.

 

Robert Stegmann

 

 

 

 

4

@ heinz b.

Nicht nur das Zahlenmaterial ist interessant.

Die Zusammenfassung auf Seite 88 besagt:

Dass das Strafrecht zum präventiven Polizeirecht verkommt, in der Folge leidet das Rechtsstaatsprinzip.

Gesetze für Einzelfälle taugen nicht für die Allgemeinheit.

 

Richtig schlimm wird es, wenn sich der Normalbürger mehr vor fälschlichen staatlichen Sanktionen, als vor Kriminellen fürchten muss.

Dann hat dieses Rechtssystem ausgedient.

 

 

5

Man darf sich den Entscheid der StVK nochmal vor Augen führen. Wenn man die juristische Denkweise erstmal unbeachtet lässt, sondern statt dessen gesunden Menschenverstand beim Lesen walten lässt, erhält man eine Perspektive, die doch recht humorvoll ist.

 

Es darf durchaus gefragt werden, ob das Gericht noch bei Verstande ist. Die Fragen, die die stellen, erscheinen derart absurd, dass man an der Intelligenz der Richter zweifelt, die sowas auch noch mitmachen.

 

Es ist eine ergänzende gutachterliehe Stellungnahme des Sachver- ständigen Prof. Dr. pfäfflin einzuholen zu folgenden Fragen:

a) Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit dass der Verurteilte erneut Straftaten begehen wird?

 

Wollen die das jetzt in Prozent wissen? Und wieviel Prozent sind eigentlich eine hohe Wahrscheinlichkeit? 80, 90%?

Dass es neuerdings empirische Daten über zukünftige Ereignisse geben soll, ist durchaus revolutionär.

 

b) Welcher Art werden diese Straftaten sein, welche Häufigkeit und welchen Schweregrad werden sie haben? 

 

Bei der Frage der Häufigkeit hoffe ich ja auf die schlagfertige Antwort des Gutachters: "Kommt darauf an, wie lange es braucht bis die Polizei ihn erwischt."

 

Das es ernsthaft Leute gibt, die glauben auf solche Fragen wäre es überhaupt technisch möglich einigermassen verlässliche Antworten zu bekommen, ist derart abseitig.

Die Aufgabenstellung ist absurd. Das kann nie funtionieren!

Aber Juristen formulieren ja so einigen Schwachsinn:

 

Bsp.: "Lebenslänglich mit anschliessender Sicherungsverwahrung" Hä?!?

 

 

 

 

 

 

@Max Mustermann

Danke für dieses Posting. Habe es zwar mit 5* bewertet, muss aber auch auf diesem Weg nochmals Danke sagen.

 

Ich kann mich da wirklich nur voll und ganz anschließen:

Es darf durchaus gefragt werden, ob das Gericht noch bei Verstande ist. Die Fragen, die die stellen, erscheinen derart absurd, dass man an der Intelligenz der Richter zweifelt, die sowas auch noch mitmachen.

 

Meine Frage aber nun:

 

2013-03-25 = Eingang des Wiederaufnahme-Antrags der Staatsanwaltschaft Regensburg

Eilig haben es diese Behörden ja aber nicht gerade.
Bitte was machen die eigentlich mit dem Antrag?
Warum braucht das so lange?
Wer oder was verzögert die Bearbeitung/Beantwortung dieses Antrages.
Es geht immerhin um einen Menschen.
Es geht um den Menschen Gustl Mollath, der nun schon seit 7 Jahren gegen seinen Willen und unschuldig in der forensischen Psychiatrie sitzt.
So funktioniert der Rechtsstaat Bayern?

5

Sehr geehrter Herr Mustermann,

 

Sie schreiben:

 

    Es darf durchaus gefragt werden, ob das Gericht noch bei Verstande ist. Die Fragen, die die stellen, erscheinen derart absurd, dass man an der Intelligenz der Richter zweifelt, die sowas auch noch mitmachen.

    Es ist eine ergänzende gutachterliehe Stellungnahme des Sachver- ständigen Prof. Dr. pfäfflin einzuholen zu folgenden Fragen:

    a) Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit dass der Verurteilte erneut Straftaten begehen wird?

    Wollen die das jetzt in Prozent wissen? Und wieviel Prozent sind eigentlich eine hohe Wahrscheinlichkeit? 80, 90%?

    Dass es neuerdings empirische Daten über zukünftige Ereignisse geben soll, ist durchaus revolutionär.

    b) Welcher Art werden diese Straftaten sein, welche Häufigkeit und welchen Schweregrad werden sie haben?

    Bei der Frage der Häufigkeit hoffe ich ja auf die schlagfertige Antwort des Gutachters: "Kommt darauf an, wie lange es braucht bis die Polizei ihn erwischt."

    Das es ernsthaft Leute gibt, die glauben auf solche Fragen wäre es überhaupt technisch möglich einigermassen verlässliche Antworten zu bekommen, ist derart abseitig.

    Die Aufgabenstellung ist absurd. Das kann nie funtionieren!

    Aber Juristen formulieren ja so einigen Schwachsinn:

 

Ihre kritischen wenn auch sprachlich überzogen formulierten Fragen haben vielleicht einige Berechtigung, aber Sie betreffen nicht nur den Fall Mollath und betreffen v.a.  teilweise nicht die konkreten Richter odre Juristen, sondern den gesetzlichen Auftrag und damit die Gesellschaft insgesamt, in deren "Auftrag" die Juristen hier handeln bzw. formulieren.

Die (möglichst konkrete) individuelle Gefährlichkeitsprognose ist praktisch international in jedem System, das die Unterbringung (schuldunfähiger) psychisch Kranker vorsieht, unverzichtbar - wenn auch empirisch enorm schwierig und methodisch bislang unzureichend gelöst. Dasselbe  Prognoseproblem existiert deshalb auch in fast jedem rechtsstaatlichen System der Welt (in den Nicht-Rechtsstaaten macht man sich überhaupt keine Gedanken und sperrt einfach ein). Dass der Blick in die Zukunft schwierig ist und (zu) häufig auch Fehler produziert, liegt in der Natur der Sache. Aber Sie finden auch nur wenige Gesellschaften, die bereit sind, das Risiko psychisch kranker Menschen, die (mit höherer Wahrscheinlichkeit als andere) andere Menschen bedrohen, verletzen oder gar töten könnten, einfach hinzunehmen.  Sicherlich ist deshalb immer wieder zu fragen, welches Risiko gesellschaftlich getragen werden muss/kann und es muss auch in jedem  Einzelfall genau hingeschaut werden, ob eine Gefährlichkeit vorliegt. Aber schon die Fragestellung als "Schwachsinn" zu verwerfen, ist sicherlich eine zu schlichte Reaktion. Die Alternativen (um ganz ohne solche Prognosen auszukommen) wären: Entweder alle Gefahrverdächtigen "wegzusperren" oder eben niemanden. Wahrscheinlich fände sich heute eine demokratische Mehrheit für die erstgenannte Lösung. Aber wäre das besser als zumindest den Versuch zu unternehmen, Gefährlichkeit zu prognostizieren?

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

Sehr geehrter Prof. Müller, 

 

Sie schreiben von "psychisch kranken Menschen", die andere   "bedrohen, verletzen oder gar töten" könnten - und zwar mit größerer "Wahrscheinlichkeit" als 'nicht psychisch Kranke'....

(was ich bezweifle - die meisten Morde geschehen aus Kalkül und "nachvollziehbaren" Motiven).

 

Damit aber dreht sich das ganze im Kreis...sind psychisch Kranke tatsächlich per se gefährlicher? Und vor allem, was ist "psychisch krank" und wer beurteilt das? Dr. Leipziger? 

 

Mal ganz abgesehen davon, dass eine Bedrohung etwas völlig anderes ist als die Tötung - eine solche Auflistung verbietet sich nicht nur eigentlich! 

 

Genau diese Vermischung prägt anscheinend mittlerweile die gesamte Gefährderverfolgung, vermutlich dem Phantasma folgend, wenn irgendwann alle 'Bedroher' weggesperrt sind, gibt es keine Morde mehr...

 

Die 'demokratische Unterstützung' hierfür kippt spätestens, wenn die Mehrheit feststellt, dass sie dazugehört. Persönlich denke ich, sind wir nicht weit davon entfernt...die Kritik an der Sicherheitspolitik steigt. Schlagzeilen der Bild und Wünsche der CSU  sind keinesfalls repräsentativ.

Und: Bedrohungen "muss" man hinnehmen können - jeder Polizist, jeder Richter und auch sonst jeder, der sich im Spannungsfeld menschlicher Bedürfnisse bewegt. Das ist einfach so - und viele dort tätige können das nicht! Deshalb kann man Fälle wie den des Herrn Mollath auch durchaus als 

"Rache" des Systems ansehen.  

 

Mit besten Grüßen,

M. Deeg 

 

 

 

 

 

 

5

Weshalb das mit der Prognose kaum jemals etwas werden kann

    I. Die Unterbringungs-Rechtsprechung erfolgt unabhängig von Wissenschaft, Logik und dem  gesundem Menschenverstand und ist damit weitgehend willkürlich. Das scheint im wesentlichen das Ergebnis von fünf juristischen Prinzipien: (1) Eigene Selbstkontrolle (die in der Regel keine ist und sein kann); (2) freie Beweiswürdigung, also Anarchie, keiner muss etwas wissen, keiner muss sich fortbilden, alles streng nach dem Motto wie es beliebt; (3) richterliche Überzeugung als Maßstab, also ein rein- metaphysischer, quasi-religiöser Glaube und (4) richterliche Unabhängigkeit als Freifahrtschein für richterliche Willkür und Irrationalität, (5) die überwertige Idee der Rechstsicherheit, in Wirklichkeit nur Schein (wenn Unrecht aus Rechtssicherheitsmotiven Recht bleibt). Schaut man sich z.B. an, was für Beschlüsse und Urteile im Falle Mollath inzwischen auf dem Tisch liegen, so findet man diese Prinzipien hier in höchster Form vollendet. Das alles hat mit wohlverstandenem Recht gar nichts zu tun und – es ist ein systemischer Fehler

   II. In der forensischen Psychiatrie ist es mindestens so schlimm wie bei den RichterInnen und deshalb versteht man sich wahrscheinlich auch so gut. Dort gilt offenbar sogar für alle das crème de la crème Prinzip: (1) wir wissen, können und wir dürfen alles, auch wenn wir gar nichts wissen und können; (2) insbesondere dürfen wir datenlos befunden und diagnostizieren; und ganz besonders praktisch:  (3) wir müssen die Beweisfragenantworten nicht begründen, herleiten, pro und contra erörtern und nachvollziehbar zu einem Ergebnis kommen. Nein, uns und unseren RichterInnen genügt es vollkommen, zu meinen, zu phantasieren, zu spekulieren.

Rechtsstaat? Wissenschaft? Gesunder Menschenverstand? Berufs-Ethik?

Anmerkung: Die Mindestanforderungen für Prognosegutachten - an die sich niemand zu halten braucht - finden Sie hier.    

 

Sehr geehrter Professor,

Sie sehen schlichte Beiträge sind durchaus geeignet eine lebhafte Diskussion auszulösen.

 

Wobei Ihr Beitrag ein richtigehendes Ärgernis darstellt. Ihr Verweis auf andere Rechtsordnungen trägt zur Erkenntnis der konkreten Fragestellung erstmal nichts bei. Im Gegenteil, den Leser beschleicht ein  gewisses Unbehagen, wenn ausgerechnet ein Strafrechtsprofessor meint mit dem Einlass "Die Anderen tun es doch auch!" in irgendeiner Form etwas beizutragen. So, so die Anderen tun es doch auch...Und? 

 

Der Grundfrage auszuweichen, ob eine dergestaltige Verfahrensweise eine Qualifikation als Rechtsstaat überhaupt zulässt, indem man damit antworten, dass andere Rechtsstaaten das doch so handhaben, ist geradezu gruseliges akademisches Niveau.

Und den Hinweis hinterherzuschieben, dass Unrechtsstaaten nur die Taten bestrafen, die auch begangen wurden, ist geeignet das Hochschulranking von Regensburg nachhaltig zu beeinflussen.

Vermutlich wollten Sie sagen, dass arme Länder keine Psychiatrien haben. Ja, das ist richtig. Leipziger ist durchaus ein Luxusproblem. Aber deswegen sind in armen Ländern die Gefägnisse nicht voller Verrückter. Im Gegenteil!

 

Wie Sie überhaupt auf die Idee kommen, von Verückten ginge eine grössere kriminelle Gefahr aus, ist gänzlich unbegreiflich. Wie kommen Sie auf so einen Blödsinn?

 

Wo wir gerade bei der Fragestellung sind, ab wann ich ein Gefahrenrisiko tragen muss... als Laie muss ich Sie mal fragen: Wo steht das Grundrecht festgeschrieben, dass man mich vor gefährlichen Menschen zu schützen hat? Ich such die ganze Zeit im Grundgesetz. Komisch, ich finds nicht.

 

Aber halten wir uns nicht mit rechtsstaatlichen Grundlagen auf, lassen Sie uns voranschreiten und die wissenschaftliche Erkennbarkeit des gefährlichen Verrückten erforschen. Was kann es sein? Der böse Blick? Der Wahnsinn der aus den Augen springt, wie Brixner ja schon erkannt haben will? Oder geht die soziale Verträglichkeit noch tiefer? Vielleicht hat Sobottka ja Recht: wenn die genetische Disposition Aufschluss geben kann über die Gefährlichkeit, dann haben wir wirkliche empirische Fakten zur Bestimmung.

 

So geht ja auch Wissenschaft. Fakten, Fakten, Fakten. Denn Standpunkt hatten wir ja schon einmal. Dummerweise wollten die anderen Unrechtsstaaten dem Verweis, dass der Neger sich nur in der Unterwerfung wohl fühlt und der Jude von Natur aus lügt, nicht folgen.

Und was haben die Universitäten nicht alles an Beweisen geliefert. Da wurden Schädel vermessen und Blutbilder analysiert, Abstammungen nachgewiesen und soziale Dependenzen dokumentiert. Nur der Krieg ging verloren und damit waren die wissenschaftlichen Mindeststandards dummerweise nichts mehr wert.

 

Oder ist die Uni Regensburg moderner und richtet sich neuerdings nach den Verhaltensevidenzien?

Dass erinnert doch stark an das Truthahn-Theorem:

 

Ich kaufte einst einen Truthahn. Anfänglich hatte er panische Angst, wenn ich in den Stall kam. Ich hätte ihn ja töten und essen können. Doch ich fütterte meinen Truthahn. Und so lernte er, dass ich jeden Tag kam und Futter brachte und eben keine Gefahr darstellte. Es wurde jeden Tag unwahrscheinlicher, dass ich von meinem Verhalten abweichen würde  und ihn töten und essen würde, denn die Anzahl Ereignisse an denen ich das nicht getan hatte stieg. Und irgendwann war Weihnachten...

 

Nun gut, unerklärt bleibt, wie ein Professor in einem Rechtsstaat Gefahrverdächtige wegschliessen will. Wahrscheinlich hat er Charles Manson im Hinterkopf. Charles Manson ist durchaus gefährlich und krank, aber deswegen muss man ihn nicht wegsperren. Im Andenken und Respekt vor seinen tatsächlichen Opfern darf man ihn nur nicht wieder rauslassen...

 

"Den Versuch zu unternehmen, zu prognostizieren" Ich sehe nichts ehrenwertes darin aufgrund von  Mutmassungen, Verdächtigungen, Ängsten etc. Menschen wegzusperren.

Was für eine seltsame Ideologie vertreten Sie eigentlich?

 

Gruss

 

 

 

Was die ganze Kristallkugel-Guckerei natürlich auch etwas seltsam erscheinen lässt und auch hier komplett ausgeblendet wird, ist die Tatsache, dass ein Gustl Mollath im stolzen Alter von 50 Jahren diese "Entwicklung" genommen haben soll.....

 

Offenbar war er vorher durchaus in der Lage, sich sozialkompetent, beruflich erfolgreich und integriert durch' s Leben zu bewegen. Inklusive Beziehung und langjähriger Ehe. 

 

Was bei Trennungen derselben - die üblicherweise durchaus Belastung und Ausnamesituation sind - als Reaktion allenfalls psychisch begründbar gewesen wäre, ist m.E. die Diagnose der Anpassungsstörung (ICD-10 F 43.25). 

 

Und die ist nie und nimmer geeignet, eine Unterbringung nach Par. 63 StGB zu begründen. 

 

 

5

Sehr geehrter Herr Mustermann,

Sie schreiben:

Wobei Ihr Beitrag ein richtigehendes Ärgernis darstellt. Ihr Verweis auf andere Rechtsordnungen trägt zur Erkenntnis der konkreten Fragestellung erstmal nichts bei. Im Gegenteil, den Leser beschleicht ein  gewisses Unbehagen, wenn ausgerechnet ein Strafrechtsprofessor meint mit dem Einlass "Die Anderen tun es doch auch!" in irgendeiner Form etwas beizutragen. So, so die Anderen tun es doch auch...Und? 

Ich habe geschrieben, dass das Problem überall auf der Welt existiert und man noch keine befriedigende Lösung gefunden hat. Ihre Interpretation meiner Äußerungen ist völlig verfehlt.

Wie Sie überhaupt auf die Idee kommen, von Verückten ginge eine grössere kriminelle Gefahr aus, ist gänzlich unbegreiflich. Wie kommen Sie auf so einen Blödsinn?

Wo soll ich so etwas geschrieben haben? Da haben Sie etwas falsch verstanden. Natürlich sind psychisch kranke Menschen nicht per se gefährlicher als andere Persoenn, aber bei denjenigen (eine Minderheit), bei denen dies der Fall ist, stellt sich die Frage, ob die Gesellschaft das Risiko zu tragen bereit ist, sie nicht unterzubringen. Da bin ich durchaus anderer Meinung als die Mehrheit in dieser Gesellschaft, die aber nun einmal die gesetzlichen Vorgaben geschaffen hat, nach denen Unterbringungen erfolgen sollen - die Schwelle ist niedrig und in den letzten Jahrzehnten sogar noch niedriger geworden - Gutachter haben in diesem System geradezu Angst, für Straftaten von Rückfälligen verantwortlich gemacht zu werden, weshalb immer strenger begutachtet wird und die Rate Falsch-Positiv-als gefährlich Beurteilter immer höher wird. Ehe Sie nun wieder meinen, ich würde das, was ich beschreibe, gutheißen: Nein, das tue ich nicht: Es sind empirische Aussagen (zum Beispiel dazu, wie etwas hier und anderswo geregelt ist)  von normativen Aussagen (wie etwas geregelt sein sollte) zu unterscheiden. Wenn Sie meine Beiträge und Kommentare wirklich gelesen hätten, wüssten Sie meine Auffassung einzuschätzen.

Ich bitte Sie auf Verdrehungen meiner Aussagen und Beleidigungen künftig zu verzichten.

Henning Ernst Müller

 

Zum Fall Gustl Mollath, um den es hier doch wohl geht, oder gehen sollte.

Gustl Mollath beharrt auf seinen Wahrnehmungen, auf seinen Aussagen, beharrt darauf, dass er zu Unrecht seit nunmehr über 7 Jahren in der bayrisch-bayreuthischen forensischen Psychiatrische einsitzt. Nix über seine angeblichen Taten ist bewiesen. Wiederaufnahmeanträge seitens der Verteidigung UND seitens der Staatsanwaltschaft liegen vor. Ein Novum, sowas.

Mollath hat in all den inhaftierten Jahren niemanden tätlich angegriffen. Hat nur die Umstände hinterfragt und beklagt.

Merkwürdige juristische Umstände verweigerten ihm ein rechtsstaatliches Verfahren. Nun hat er sich Verteidiger errungen, die solch einen Begriff überhaupt verdienen.

Auch der Beck-Blog und Herr Müller gehören m.E. dazu.

5

@ Sobottka: wenn Sie die Frage Prof. Müllers, nach welchen Maßstäben und Beurteilungskriterien psychisch Kranke durch Einweisung behandelt bzw. die Gesellschaft vor ihren möglichen bzw. weiteren möglichen Straftaten geschützt werden soll (Lafontaine-Attentat, Samurai-Amoklauf in Amberg usw.) auf das beziehen, was Gustl Mollath geschehen ist, dann stellen Sie sich argumentativ auf die gleiche Stufe mit denen, die seine Einweisung veranlasst haben.

Das haben Sie vielleicht nicht beabsichtigt, aber vielleicht nehmen Sie das zum Anlass, die Qualität Ihrer Beiträge zu überdenken. Wünschenswert wäre es.

Dem juristischen Laien drängt sich an dieser Stelle des Verfahrens geradezu der Gedanke an eine Tendenz der Justitz zur Prokrastination auf.

Während die Strafvollstreckungskammer um eine Entscheidung ringt, lässt sich das Gericht mit der Prüfung der WA-Anträge ebenfalls Zeit, weder die Zulässigkeit noch die Begründung sind bislang entschieden.

 

Derweil dreht sich die Welt außerhalb weiter und was dabei so alles passiert, macht die offizielle Version der Causa Mollath zunehmend unglaubwürdig.

 

 

5

Winfried Sobottka hat sehr gut herausgearbeitet, wie es um Gustl Mollaths angebliche Gefährlichkeit tatsächlich bestellt war und ist:

Der Mensch welcher ihn am besten kannte und exploriert hatte, seine Ehefrau, hatte soviel Vertrauen in seine Ungefährlichkeit, dass sie weitere 9 Monate mit ihm unter einem Dach lebte.  ... 

Das sollte Prof. Pfäfflin zu denken geben!

Der Bevölkerung sollte zu denken geben, dass neuerdings Menschen wegen Diebstahl und Heiratsschwindel auf unbegrenzte Zeit in der Psychiatrie verschwinden, wegen angeblicher Gemeingefährlichkeit. 

Vor 20 Jahren gab es bei vorsätzlichen Tötungsdelikten relativ häufig Bewährungsstrafen, was natürlich auch nicht in Ordnung war.

Gefährlich für uns alle ist diese Grenzverschiebung hin zu Bagadelldelikten, bei welchen mit der unbegrenzten Psychokeule auf Betroffene eingeschlagen wird. 

Das ist es, was den Rechtsstaat und das Rechtsempfinden in der Bevölkerung zerstört.

 

Kennzeichen eines Rechtsstaats ist eine gerechte und angemessene Sanktion, keine unbegrenzten Willkür- und Racheakte. Egal ob sogenannte "Unabhängige Gerichte" entscheiden oder ein Absolutist.

 

 

5

Wahrscheinlichkeitsbegriffe und Prognose

Das mit der Wahrscheinlichkeit ist „objektiv“, für fast alle Gutachter schwierig und im notorisch unklaren Rechtswesen ohnehin. Man denke nur an die unsinnige Formel „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“, die nirgendwo ausreichend erklärt, geschweige denn normiert wird. Zu den verschiedenen Wahrscheinlichkeitsbegriffen

  1. W1 Subjektives Dafürhalten (glauben, meinen, Überzeugungs- oder Gewissheitsgrade) in den Hauptvarianten: W1a) einfach so, aus dem Bauch heraus (Methode Mollath Gutachter Nbg, Bay, Berl, Ulm),  W1b) auf  mehr oder minder nachvollziehbare Gründe gestützt. Transparenz durch Anwendung des Bayes-Theorems. Anwendbar (auch gefordert z.B. von Köller et al., 2004*) in der Forensik, aber schwierig.
  2. W2: Häufigkeit als Grenzwertschätzung durch lange Ereignisreihen begründet. In der forensischen Prognostik im Einzelfall nicht anwendbar, weil man keine langen Reihen des Einzelfalles hat und wenn man sie hätte, sie gewöhnlich nicht vergleichbar wären.
  3. W3: Verteilungswahrscheinlichkeit: durch ein mathematisches Modell begründet, z.B. klassischer Ansatz Anzahl der günstigen Fälle dividiert durch Anzahl der möglichen Fälle (die dann als gleichwahrscheinlich angenommen werden, wodurch man in ein Basis-Zirkularitätsproblem rutscht). Kommt für die forensische Prognostik selten in Frage, in anderen Bereichen schon (z.B. genetischer Fingerabdruck, Vaterschaft).
  4. W4 Modellwahrscheinlichkeit (kausale Wahrscheinlichkeit): durch eine Theorie und ein Modell begründet (Wettervorhersage), z.B. durch eine individuelle Delinquenztheorie. In der forensischen Prognostik m.E. DIE gebotene Methode der Wahl. Das ist im wesentlichen auch die Position der besseren Gutachter, z.B. Nedopil: "Um zu wissenschaftlich begründeten individuellen Risikoabschätzungen zu kommen, bedarf es einer wissenschaftlichen Theoriebildung und der Entwicklung von Hypothesen zur Genese der Delinquenz des zu begutachtenden Patienten (Pollock, 1990; Rubin, 1972)." Sie kann auch mit 1b verknüpft werden und erreichte damit höchstes angewandtes wissenschaftliches Niveau (W5-W1b).
  5. W5: Erfahrungswahrscheinlichkeit: durch Erfahrung begründet (> Kausalität und Korrelation, Induktive Logik [Carnap/ Stegmüller],) Interpretation: Bestätigungsgrad von Hypothesen. Prototyp naturwissenschaftliche Gesetze und Regelhaftigkeiten.
  6. Wx: Sonstiger Wahrscheinlichkeitsbegriff (Rest- und Auffangkategorie)

Drei Anmerkungen: (I) die schwierigen Prognoseprobleme erfordern grundlegende und meist aufwändige Einarbeitung in die Problematik. Bewertungsschnellschüsse im Nebenbei aus der Hypersupervisor-Position sollten hier tunlichst vermieden werden.  II. (2) und (3) meinen Wahrscheinlichkeit im engeren mathematischen Sinne, (4) und (5) sind ganz anderen, empirischen Typs. Und (1) spielt in beide Bereiche hinein.  III. Wer also von Wahrscheinlichkeit spricht, sollte genau sagen, welche er meint. Damit wäre schon viel gewonnen.

*Köller, Norbert; Nissen, Kai; Rieß, Michael & Sadorf, Erwin (2004) Probabilistische Schlussfolgerungen in Schriftgutachten. Zur Begründung und Vereinheitlichung von  Wahrscheinlichkeitsaussagen im Sachverständigengutachten. München: Luchterhand & Bundeskriminalamt (BKA).

Korrektur (Entschuldigung)

RSponsel schrieb:

Sie kann auch mit 1b verknüpft werden und erreichte damit höchstes angewandtes wissenschaftliches Niveau (W5-W1b).

Hier muss es richtig heißen: (W4-W1b)

RSponsel schrieb:

Wahrscheinlichkeitsbegriffe und Prognose

W1 Subjektives Dafürhalten (glauben, meinen, Überzeugungs- oder Gewissheitsgrade) in den Hauptvarianten: W1a) einfach so, aus dem Bauch heraus (Methode Mollath Gutachter Nbg, Bay, Berl, Ulm),  W1b) auf  mehr oder minder nachvollziehbare Gründe gestützt. Transparenz durch Anwendung des Bayes-Theorems. Anwendbar (auch gefordert z.B. von Köller et al., 2004*) in der Forensik, aber schwierig.


War es bei Mollath wirklich "aus dem Bauch heraus" oder vielleicht doch "auf Bitte eines Dritten"?

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Sehr geehrter Professor,

 

ich wollte Sie keinesfalls beleidigen, aber wenn der Begriff „Gefahrverdächtige“ und „Rechtsstaat“ im selben Atemzug fallen, empört sich natürlich der bürgerliche Anstand. Diesen Weg ist das deutsche Rechtssystem schon einmal im Stechschritt gegangen und die Universitäten vorneweg.

 

Aber schauen wir uns Ihren „ärgerlichen“ Beitrag an.

 

Sie schreiben:

 

Henning Ernst Müller schrieb:

Die (möglichst konkrete) individuelle Gefährlichkeitsprognose ist (...) empirisch enorm schwierig und methodisch bislang unzureichend gelöst. 

und

Henning Ernst Müller schrieb:

Dass der Blick in die Zukunft schwierig ist und (zu) häufig auch Fehler produziert, liegt in der Natur der Sache.

 

Das ist also der Stand der Wissenschaft. In Deutschland werden Gesetze angewandt, die technisch gar nicht umsetzbar sind. Jedenfalls nicht so, dass sie rechtsstaatlichen Ansprüchen des Einzelnen genügen können.

 

Zuvor haben Sie auch zutreffend an die Kompetenz des Gesetzgebers verwiesen. Als Steuerzahler blicke ich aber dennoch zuerst einmal Richtung Wissenschaft, denn schliesslich haben die ja den Auftrag an der Gesetzgebung mitzuwirken.

 

Und was hört man da bei der Einzelfallanwendung in Sachen Mollath?

Anstatt auf den Konstruktionsfehler des Gesetzes hinzuweisen, der dazu führt dass in hübscher Regelmässigkeit Fehler produziert werden und somit Falscheinweisungen vorprogrammiert sind, bekommt man wirre Vorträge zur Verhältnismässigkeit zu hören.

 

Die Frage der Verhältnismässigkeit kommt immer dann zum Zuge, wenn einem die Argumente ausgehen. Seit Aristoteles weiss kein Mensch was das eigentlich sein soll. Deshalb ist sie ja auch bei Juristen so beliebt...

 

Richter Gross hätte Ihnen die Füsse geküsst und Sie zum Ehrenmitglied im Richterverein gemacht, wenn Sie einfach nüchtern den Sachstand festgestellt hätten.

 

Gerechtigkeitsmaschine hat Konstruktionsfehler - Richter unschuldig.

 

Es muss doch auch für die Lehre beglückend sein den Studenten mitzuteilen, dass sie im späteren Berufsleben in regelmässigen Abständen auch mal Menschen zu Unrecht zur schärfsten aller Freiheitsstrafen verurteilen werden. 

 

Aber kommen wir zu Ihrem nächsten Argument.

Sie schreiben:

Henning Ernst Müller schrieb:
 

Die Alternativen (um ganz ohne solche Prognosen auszukommen) wären: Entweder alle Gefahrverdächtigen "wegzusperren" oder eben niemanden. Wahrscheinlich fände sich heute eine demokratische Mehrheit für die erstgenannte Lösung. 

 

Über solch eine Scheinlogik muss man sich nun doch sehr wundern. Diese Alternativen existiert doch gar nicht. Es werden ja gar nicht alle möglichen Gefahrverdächtigen weggesperrt. Man diskriminiert mit diesem Gesetz nur die armen Irren. Richtige Verdächtige wie beispielsweise Mitglieder der Hells Angels und Co. kommen gar nicht erst in den Genuss eines Gutachtens. Obwohl ich es wage zu behaupten, dass dort die Prognosewahrscheinlichkeit ungleich höher ist...

 

Überhaupt Gefahrverdächtige, was soll das denn bitte schön sein? Der grosse bayrische Denker und Rechtsphilosph Hans Söllner meinte diesbezüglich treffend: „Warum sollten die Menschen Angst vor Terror haben, wo sie doch jeden Tag auf der Autobahn fahrn?“

 

Und diese deutsche Unart immer die Entscheidungskompetenz des Volkes in Frage zu stellen und tragfähigen Mehrheitsentscheiden zu Misstrauen. Wo kommt das eigentlich her?

 

Es kommt massgeblich auf die Fragestellung an. Da Sie eine derartige nicht genannt haben, kann ich nur mutmassen, was Sie der ominösen Masse zur Entscheidung vorgelegt haben. Wenn Sie an sowas wie „Wollt Ihr, dass Kinderschänder und Massenmörder frei rumlaufen?“ gedacht haben, gebe ich Ihnen durchaus Recht. 

 

Die vom Bürger empfundene Gefahr geht von den Anlasstaten aus. Und da ist das Strafrecht eigentlich ausreichend aufgestellt. Man müsste es halt nur anwenden. Gar nicht einzusehen warum lebenslänglich nicht lebenslänglich sein soll. 

 

Wie stellen Sie sich das eigentlich vor? Man wird beim Ladendiebstahl erwischt und der Clown im weissen Kittel stellt fest, dass eine Disposition zum schweren Raub vorliegt und man wird prophylaktisch und quasi im Voraus mit Freiheitsentzug bestraft. Ladendiebstahl als Einstiegsdroge...

 

Da wird das Volk klar Nein sagen. Das Volk ist in Deutschland nur machtlos, aber nicht dumm.

 

Aber kommen wir zu Ihrem Schlussatz.

 

Sie schreiben:

Henning Ernst Müller schrieb:

Aber wäre das besser als zumindest den Versuch zu unternehmen, Gefährlichkeit zu prognostizieren?

 

Ist das Ihr Ernst?

Wir (der Bürger) sollen auch noch dankbar sein über das grosszügige Angebot sich nochmal richtig ausprechen zu dürfen, bevor man auf unbestimmte Zeit weggepackt wird?

 

Und was ist mit Unschuldsvermutung, Bestimmtheitsgrundsatz, Zeugnisverweigerungsrecht? 

 

Alles weg? 

 

Na dann sind wir ja wirklich alle in Gefahr.

 

Gruss

Sehr geehrter Herr Mustermann,

Ihre Unterstellungen, was (angeblich) meine  Auffassungen angeht, sind maßlos. Auf diesem Niveau ist eine Diskussion nicht möglich.

Henning Ernst Müller

 

 

 

@Max Mustermann

 

Sie werden immer besser.

Besten Dank für Ihr Posting. Ich wäre sehr froh, wenn ich mich so ausdrücken und so schreiben könnte.

Sie sprechen mir und sicher vielen anderen aus der Seele.

Danke und bitte weiter so.

 

4

Sehr geehrter Professor,

 

weder sind Sie mir persönlcih bekannt, noch unterstelle ich Ihnen irgendwelche Auffassungen.

Die Impliktationen Ihres Vortrages interessieren. 

Wenn man Rechtstaat und Gefahrverdacht mischt, öffnet man die Büchse der Pandorra. 

Ich halte es für unwahrscheinlich, dass Ihnen der Gedanke noch nie gekommen ist. Und das geht halt nicht. Weder versuchweise noch verhältnismässig wenig.

Dem Missbrauch ist dann Tür und Tor geöffnet.

Und Brixner ist da ja auch durchmarschiert oder halten Sie dessen Handeln für ein bedaurliches Versehen?

Und hätte sich nicht zufällig eine Fernsehstation gefunden, sässe Mollath immer noch da.

Und jetzt wo alle Fakten auf dem Tisch liegen, ist Mollath deswegen draussen? Nö.

Der Riegel, der den Ausgang der Psychiatrie verschliesst, ist an Diabolik kaum zu überbieten.

Ich verrate Ihnen mal was mich an der Verhältnismässigkeitsargumentation stört:

Wer erstmal jemanden gesehen, der über 15 Jahre in der Psychiatrie verbringen musste, notabene ohne je eine Straftat begangen zu haben, und der Arzt begründet die weitere Unterbringung damit, dass es ja realitätsfern sei nach 15 Jahren draussen noch ein Leben auf die Reihe zukriegen, dann erkennt man dass das Problem wo anders liegt.

Denn mit der Verhältnismässigkeit kann man dann nicht argumentieren, da keine Anlasstat vorliegt.

Das ist dann einfach so. Ein komplett zerstörtes Leben. Das bricht einem das Herz.

Gruss

Wenn es um Vorschläge für Reformen geht, so sehe ich einige Schwierigkeiten, den richtigen Ansatz zu finden. Was soll denn reformiert werden? Die Bindung des Richters an Recht und Gesetz? Seine zu kurz oder zu weit geratene Unabhängigkeit? Der individuell nicht ausgeschlossene Missbrauch? Bindung der forensischen Gutachter an wissenschaftlich anerkannte Diagnose- und Prognoseverfahren?

Eines möchte ich noch zur richterlichen Unabhängigkeit anmerken. Es ist derzeit ein nur von mir gefühlter Ansatz für möglicherweise elegante Lösungsvorschläge. Die richterliche Unabhängigkeit ist nicht des Richters eigenes Recht. Eingriffe in die richterliche Unabhängigkeit sind damit nicht justiziabel, weil der Richter nicht geltend machen kann, in eigenen Rechten verletzt zu sein. Das BVerwG sieht die richterliche Unabhängigkeit nur mit dem richterlichen Amt verbunden und nicht mit der Person.

WR Kolos schrieb:

Wenn es um Vorschläge für Reformen geht, so sehe ich einige Schwierigkeiten, den richtigen Ansatz zu finden. Was soll denn reformiert werden? [...]

 

... die gesetzliche Verpflichtung zu Ton- und/oder Bildaufnahmen von Gerichtsverhandlungen und Explorationsgesprächen müsste der erste Schritt sein.
 
Nichts wirkt so disziplinierend auf Politiker, Richter, Anwälte oder Lottogesellschaften, wie Transparenz.
 
Stresstest - "Großraum Krefeld"
 

5

Stesstest schrieb:

WR Kolos schrieb:

Wenn es um Vorschläge für Reformen geht, so sehe ich einige Schwierigkeiten, den richtigen Ansatz zu finden. Was soll denn reformiert werden? [...]

 

... die gesetzliche Verpflichtung zu Ton- und/oder Bildaufnahmen von Gerichtsverhandlungen und Explorationsgesprächen müsste der erste Schritt sein.
 
Nichts wirkt so disziplinierend auf Politiker, Richter, Anwälte oder Lottogesellschaften, wie Transparenz.
 
Stresstest - "Großraum Krefeld"
 

 

Ja, ok. Das wäre eine Möglichkeit, wenn der Angeklagte oder der Untergebrachte dies wünschte.

Ich sehe schon die Begeisterung der Länderkammer, das Gejammer der einzelnen Bundesländer: die Kostenlast, quasi ein Kosten-Tsunami, dem sie ausgesetzt wären, die Forderungen nach einem Ausgleich, die im Bund wie immer auf taube Ohren stoßen. Aber gut, es ginge darum, die politische Mehrheit dafür zu finden.

Allein die gesetzliche Einführung dieser Option hilft nur nicht weiter, wenn nicht gleichzeitig die Verwendung der Aufzeichnung geregelt wird und die Konsequenzen für ihre Ablehnung durch das Gericht oder bei Auftreten technischer Fehler. Was die Revision angeht, so bin ich noch etwas skeptisch, ob eine Videoaufzeichnung wirklich helfen könnte. Den einzigen Vorteil, den ich im Moment sehe, wäre ein Disziplinierungseffekt.

Denken Sie, dass bei gesetzlicher Zulassung von Videoaufzeichnungen und dem dabei gewonnenen Disziplinierungsvorteil ein Fall Mollath nicht existieren könnte?

RA Veits schrieb:

Frage an Sie - und alle - was bedeutet vorstehender Satz hinsichtlich der Rechtskrafterstreckung bezüglich Ihrer Kritik einerseits und der Qualität der Richterarbeit mit ihrer Bindung an Gesetz und Recht andererseits?

Ich sehe darin eine Verletzung des verfassungsrechtlichen Gebots der bestmöglichen Sachaufklärung. Es wäre eine Katastrophe für das bayerische Volk, wollte man die Sachverhaltsfeststellungen aus der Urteilsbegründung mit der materiellen Rechtskraft versehen und bei der Sachaufklärung der StVK für unantastbar halten. Damit wäre beispielsweise eine Erledigterklärung wegen Fehleinweisung ohne vorherige Durchführung eines Wiederaufnahmeverfahrens gnerell ausgeschlossen. Die vorherige Durchführung eines Wiederaufnahmeverfahrens macht die Erledigterklärung überflüssig.

Selbstverständlich wird das Urteil nur mit seinem richterlichen Spruch im Urteilstenor rechtskräftig.

Dr. Sponsel schrieb:

III. Wer also von Wahrscheinlichkeit spricht, sollte genau sagen, welche er meint. Damit wäre schon viel gewonnen.

Ja, dem kann man kaum widersprechen. Für mich wäre das aber noch nicht genug.

Wenn es die von Ihnen aufgezählte Möglichkeiten gibt, dann ist von einem Gutachter nicht zu viel verlangt, wenn er zu allen Wahrscheinlichkeitsbegriffen etwas sagt, auch wenn er den einen oder anderen in einem konkreten Fall für unbrauchbar halten sollte. Denn das Gericht muss sich daraus sein eigenes Bild machen können und das gezeichnete Bild des Untergebrachten muss um so umfassender sein, je länger der Freiheitsentzug andauert und je geringer das Rechtsgut bewertet wird, dessen Bedrohung prognostiziert wird. Das ist dem Gebot der bestmöglichen Sachaufklärung geschuldet.

WR Kolos schrieb:

Dr. Sponsel schrieb:

III. Wer also von Wahrscheinlichkeit spricht, sollte genau sagen, welche er meint. Damit wäre schon viel gewonnen.

Ja, dem kann man kaum widersprechen. Für mich wäre das aber noch nicht genug.

Wenn es die von Ihnen aufgezählte Möglichkeiten gibt, dann ist von einem Gutachter nicht zu viel verlangt, wenn er zu allen Wahrscheinlichkeitsbegriffen etwas sagt, auch wenn er den einen oder anderen in einem konkreten Fall für unbrauchbar halten sollte. Denn das Gericht muss sich daraus sein eigenes Bild machen können und das gezeichnete Bild des Untergebrachten muss um so umfassender sein, je länger der Freiheitsentzug andauert und je geringer das Rechtsgut bewertet wird, dessen Bedrohung prognostiziert wird. Das ist dem Gebot der bestmöglichen Sachaufklärung geschuldet.

Einverstanden. So sollte es sein. Das Recht scheint aber im Unterbringungsbereich nicht an wirklicher und wohlverstandener Sachaufklärung interesssiert, sonst würde man ja wenigstens einmal eine klare normierte Terminologie schaffen und die jedem Volksschüler vermittelbaren Regeln der Mindestanforderungen einhalten. Das aber ist nicht der Fall, so dass das Ganze, wie schon ausgeführt, doch sehr als Spiel und Theater erscheint:  die Richter sind ja auch kostümiert, die Verhandlungen und die Wahrheitsfindung stark ritualisiert mit ebensolchen ritualisierten und inhaltsleeren Worthülsen; ordentliche Dokumentationen fehlen, der BGH kann am Nasenring durch die Manege geführt werden, das BVerfG nimmt keiner ernst (Einweisungsbeschluss) und die Mollathjustiz verbiegt, verdreht, stellt auf den Kopf, dass man mit Prantl wirklich nur noch konstatieren kann: eine solche Justiz muss selber wahnsinnig sein. 

P.S. In Frontal21 wurde heute abend übrigens dokumentiert, dass die gesamte Nachkriegsjustiz weitestgehend aus NS-Juristen aufgebaut wurde (und Franken war besonders braun). Macht man sich klar, dass von 570 Richtern und Staatsanwälten des Volksgerichtshofes nur einer angeklagt und verurteilt - allerdings sehr schnell begnadigt wurde - dann muss sich keiner mehr wundern. Diese Justiz hat mit wohlverstandenem Recht an einigen Stellen wenig zu tun.

WR Kolos schrieb:

Stesstest schrieb:

WR Kolos schrieb:

Wenn es um Vorschläge für Reformen geht, so sehe ich einige Schwierigkeiten, den richtigen Ansatz zu finden. Was soll denn reformiert werden? [...]

 

... die gesetzliche Verpflichtung zu Ton- und/oder Bildaufnahmen von Gerichtsverhandlungen und Explorationsgesprächen müsste der erste Schritt sein.
 
Nichts wirkt so disziplinierend auf Politiker, Richter, Anwälte oder Lottogesellschaften, wie Transparenz.
 
Stresstest - "Großraum Krefeld" 

Ja, ok. Das wäre eine Möglichkeit, wenn der Angeklagte oder der Untergebrachte dies wünschte.

Ich sehe schon die Begeisterung der Länderkammer, das Gejammer der einzelnen Bundesländer: die Kostenlast, quasi ein Kosten-Tsunami, dem sie ausgesetzt wären, die Forderungen nach einem Ausgleich, die im Bund wie immer auf taube Ohren stoßen. Aber gut, es ginge darum, die politische Mehrheit dafür zu finden.

Allein die gesetzliche Einführung dieser Option hilft nur nicht weiter, wenn nicht gleichzeitig die Verwendung der Aufzeichnung geregelt wird [...]

... warum gleich "Kosten-Tsunami"? Weniger Fehlurteile mit anschließender Inhaftierung/Unterbringung = weniger Ausgaben für den Staat. Übrigens, niemand erwartet im Gerichtsaal SHQ-Aufnahmen mit Dolby-Surround-Effekten. Für einen psychiatrischen Gerichtsgutachter wäre dieses Problem auch durchaus kostengünstig lösbar. Und das Erarbeiten von Ausführungsgesetzen  für einen vernünftigen Umgang mit diesen Daten, müsste ebenso machbar sein. 
 
Apropos, Probleme: Mit der Fähigkeit eines Menschen Probleme zu erkennen und sie zu lösen, definiert/bewertet man die menschliche Intelligenz. Wenn sich aber intelligente Menschen vehement weigern existierende Probleme sowohl zu erkennen als auch diese zu lösen, dann darf/muss man von vorgespielter Debilität sprechen.
    
Es gibt natürlich billigere Alternativen für den Einsatz technischer Hilfsmittel. Zum Beispiel: Einen Richter beim Verlesen des Urteils an einen Lügendetektor anschließen. Persönlich wäre ich aber (noch) eher dagegen. [/Ironie]
 
Stresstest - "Großraum Krefeld" 
 

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