LAG Köln: Außerordentliche Kündigung

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 09.08.2021
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|2334 Aufrufe

Eine vom Arbeitgeber berechtigterweise ausgesprochene Abmahnung ist nicht geeignet, die Verschleierung des nächsten Vertragspflichtenverstoßes zu rechtfertigen.

Das hat das LAG Köln entschieden.

Der Kläger ist als Zerspanungsmechaniker/Betriebsmittelbauer bei der Beklagten beschäftigt. Am 21.5.2019 war er zur Frühschicht eingeteilt, die um 6.00 Uhr beginnt. Der Kläger betrat das Betriebsgelände erst gegen 6:40 Uhr, stempelte nicht ein und beantragte später auf einem Formular zur Korrektur der Arbeitszeitbelege, ihm für diesen Tag Arbeitszeit von 6:00 bis 14:45 Uhr gutzuschreiben. Nachdem die Beklagte herausgefunden hatte, dass die in diesem Antrag gemachten Angaben falsch sind, sprach sie eine Abmahnung aus.

Im Herbst 2019 stellte der Kläger für zwei Tage (31.10. und 4.11.2019) erneut fehlerhafte - also von der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit abweichende - Anträge auf Arbeitszeitkorrekturen. Diese begründete er auf den Korrekturformularen unzutreffend mit „Karte vergessen“ bzw. „Stempelfehler“. Die Beklagte hörte den Kläger zu dem Vorwurf an, er habe über den Umfang der erbrachten Arbeitszeit zu täuschen versucht, und kündigte nach erteilter Zustimmung des Betriebsrats das Arbeitsverhältnis fristlos. Die Kündigungsschutzklage blieb beim ArbG Aachen ohne Erfolg. Im Berufungsrechtszug trug der Kläger vor, er hätte seine Verspätungen im Herbst 2019 zu verschleiern versucht, weil er eine Kündigung hätte befürchten müssen, wenn er sie offen zugegeben hätte. Von seinem Vorgesetzten sei ihm deutlich gemacht worden, dass das Arbeitsverhältnis auf dem Spiel stehe, wenn er noch einmal zu spät zur Arbeit erscheine. Die ihm vorgeworfene Vertuschung sei aus Angst vor der Verwirklichung dieser Ankündigung zu erklären.

Die Berufung blieb ohne Erfolg.

Das vom Kläger dargestellte Dilemma ist nicht geeignet, den Vertrauensverstoß zu rechtfertigen. ... Wäre die Sichtweise des Klägers richtig, könnte jeder Hinweis und jede Abmahnung einer konkreten Pflichtverletzung die Verschleierung der Wiederholung der besagten Pflichtverletzung rechtfertigen. Der Arbeitnehmer würde so seinem Arbeitgeber sagen, der Arbeitgeber müsse zuerst eine Abmahnung aussprechen, bevor er zum letzten Mittel greife und das Arbeitsverhältnis kündige; wenn er aber tatsächlich eine Abmahnung ausgesprochen habe, dann setze er damit einen Rechtfertigungsgrund für die Verschleierung der nächsten Vertragspflichtverletzung. Diese Argumentation ist ein unzulässiger Zirkelschluss, weil sie versucht, pflichtwidriges Verhalten durch den Hinweis auf die Pflichtwidrigkeit zu rechtfertigen.

LAG Köln Urt. vom 3.12.2020 – 6 Sa 494/20, BeckRS 2020, 38280

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