Immaterieller Schadensersatz – 1.000 Euro bei verspäteter Auskunft (Art. 15 DSGVO) und zwar ganz ohne "erheblichen, gewichtigen oder qualifizierten Rechtsverstoß"

von Prof. Dr. Katrin Blasek, LL.M., veröffentlicht am 18.08.2021

Die Frage, welche Anforderungen an Art. 82 I DSGVO zu stellen sind, in welchen Fällen also eine Persönlichkeitsverletzung vorliegt, die einen Schadensersatz rechtfertigt, treibt gerade alle um. Ich hatte dazu bereits berichtet:

Wohl um den Anspruch aus Art. 82 I DSGVO nicht ausufern zu lassen, werden z.T. „ernsthafte Beeinträchtigungen (keine Bagatellverstöße) oder eine nicht bloß individuelle empfundene Unannehmlichkeit" für ein Schmerzensgeld verlangt. So z.B. hier: https://community.beck.de/2020/12/04/materieller-und-immaterieller-schadensersatz-von-wohnungseigentuemern-bei-datenschutzverstoessen

Das BVerfG hatte einer Verfassungsbeschwerde gegen die Ablehnung eines Schadensersatzes wegen fehlender Erheblichkeit eines Rechtsverstoßes stattgegeben: https://community.beck.de/2021/02/19/immaterieller-schadensersatz-nach-dsgvo-oder-das-fremdeln-deutscher-gerichte-mit-art-82-i-dsgvo; Meine Urteilsanmerkung dazu in ZD 2021, 266 ff.

Andere Gerichte hatten die Kriterien von Art. 83 DSGVO zu Rate gezogen.

Für einen Überblick zur Rspr. vgl. Leibhold, ZD-Aktuell 2021, 05146) https://beck-online.beck.de/Dokument?vpath=bibdata%2Fzeits%2Fzdaktuell%2F2021%2Fcont%2Fzdaktuell.2021.05146.htm&pos=1&hlwords=on

Auf diesem Wege (also Kriterien von Art. 83 DSGVO) ist nun auch das LAG Hamm (Urteil vom 11.05.2021, Az. 6 Sa 1260/20) zu einem für mich überzeugenden und gut vertretbaren Ergebnis gekommen.

https://www.justiz.nrw.de/nrwe/arbgs/hamm/lag_hamm/j2021/6_Sa_1260_20_Urteil_20210511.html

Die Klägerin richtete nach einer Kündigung an den Beklagten ein Auskunftsersuchen, dass dieser erst nach ca. 6 Monaten überhaupt und dann auch nicht gem. den Vorgaben des Art. 15 I DSGVO beantwortete.

Mit Verweis auf EWG 146 S. 3 und 75 sowie auf das o.g. BVerfG-Urteil lehnt das LAG Maßstäbe wie Erheblichkeitsschwellen, qualifizierte Verstöße oder das subjektiv empfundene Gewicht einer Beeinträchtigung als Voraussetzung für eine Schadensannahme ab (Rn. 74 ff.). Vielmehr seien die Risiken für die Rechte und Freiheiten natürlicher Personen entscheidend, wobei ein immaterieller Schaden bereits entstehen könne, wenn Betroffene gehindert würden, ihre personenbezogenen Daten zu kontrollieren (Rn. 76 mit Verweis auf EWG 75).

Nach billigen Ermessen hielt das Gericht 1.000 Euro für diesen Verstoß für angemessen und zwar anhand der Kriterien von Art. 83 II 2 DSGVO, hier (Rn. 81 f.):

  • sehr späte Beantwortung des Auskunftsersuchens und bis zum Tag des Urteils nur rudimentär erfüllter Auskunftsanspruch  
  • kaum Problembewusstsein des Bekl. (Auskunftspflichtigen) bzgl. der Bedeutung des Verstoßes gegen Art. 15 DSGVO und damit auch gegen das Grundrecht aus Art. 8 GrCh.
  • Keine früheren einschlägigen Verstöße der Bekl.
  • Überschaubarkeit der persönlichen Betroffenheit der Kl. hinsichtlich Ausübung der Kontrolle über ihre Daten (primär Schmerzensgeld und nur sekundär Datenkontrolle)
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