BGH zur Strafbarkeit wegen versuchten Erwerbs bei der Bestellung von Betäubungsmitteln in einem Online-Shop

von Dr. Jörn Patzak, veröffentlicht am 15.05.2022

Der Verkauf und Ankauf von Betäubungsmitteln über Online-Shops, die per Post an den Käufer übersandt werden, gewinnt immer mehr an praktischer Bedeutung. Der BGH hat sich mit einem solchen Fall beschäftigt, in dem der Käufer im Internet 34,2 Gramm Amphetamin mit einem Wirkstoffgehalt von 8,23 Gramm bestellt hatte. Die Betäubungsmittel, von denen die Hälfte für den Weiterverkauf und die Hälfte für den Eigenkonsum bestimmt waren, erreichten den Käufer jedoch nicht, da sie von der Polizei im Postverteilzentrum sichergestellt wurden. Nach einer bei ihm durchgeführten Durchsuchungsmaßnahme hatte der Käufer zuvor noch vergeblich versucht, die Bestellung zu stornieren. Das Landgericht sprach den Käufer wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Erwerb von Betäubungsmitteln schuldig.

Damit war der 3. Strafsenat des BGH nicht einverstanden (BGH Beschl. v. 11.1.2022 – 3 StR 416/21, BeckRS 2022, 2419):

Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zu diesem Tatgeschehen belegen zwar eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, nicht aber - wie die Strafkammer in den Urteilsgründen selbst erkannt hat (UA S. 16) - einen tateinheitlichen Erwerb von Betäubungsmitteln.

Der Erwerb von Betäubungsmitteln setzt voraus, dass der Täter die eigene tatsächliche Verfügungsgewalt über das Betäubungsmittel in einverständlichem Zusammenwirken mit dem Vorbesitzer erlangt und die Verfügungsgewalt darüber ausüben kann (vgl. BGH, Urteil vom 7. Juli 1994 - 1 StR 313/94, BGHSt 40, 208, 209; BeckOK BtMG/Bohnen/Schmidt, 13. Ed., § 29 Rn. 380 mwN). Daran fehlt es hier. Das Amphetamin wurde bereits sichergestellt, bevor es den Angeklagten erreichte, so dass dieser zu keinem Zeitpunkt über die Betäubungsmittel verfügen konnte.

Eine Strafbarkeit wegen versuchten Erwerbs von Betäubungsmitteln (zum Versuchsbeginn beim Postversand vgl. BayObLG, Beschluss vom 25. April 1994 - 4 St RR 48/94, NJW 1994, 2164; MüKoStGB/Oğlakcıoğlu, 4. Aufl., BtMG § 29 Rn. 968) scheidet ebenfalls aus, weil der Angeklagte mit dem Versuch, die Bestellung zu stornieren, sich freiwillig und ernsthaft bemühte, die Vollendung zu verhindern, und die Tat ohne sein Zutun nicht vollendet wurde (§ 24 Abs. 1 Satz 2 StGB).

Der Senat änderte den Schuldspruch, ließ den Strafausspruch jedoch unberührt, da auszuschließen war, dass die Strafkammer eine mildere Einzelstrafe verhängt hätte.

In meinen nächsten Blog-Beitrag werde ich mich ausführlich mit der umstrittenen Frage befassen, wann in diesen Fällen die Grenze von der straflosen Vorbereitung zum Versuchsbeginn überschritten wird.

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