DSK-Papier zur Auswirkungen der neuen Verbrauchervorschriften über digitale Produkte im BGB auf das Datenschutzrecht

von Barbara Schmitz, veröffentlicht am 30.11.2022
Rechtsgebiete: Datenschutzrecht1|3380 Aufrufe

Die DSK hat eine Beurteilung über die die datenschutzrechtlichen Auswirkungen der neuen Verbrauchervorschriften in einem Beschluss Stand Oktober 2022 vorgenommen. Damit wird der Privatautonomie die Kompetenz für den Datenschutz abgesprochen.

Nachstehend ein Blick auf die vier Beurteilungs-Thesen der DSK:

1. Die §§ 327 ff. BGB sind nur anwendbar, wenn ein Vertrag über digitale Produkte geschlossen wurde.

Die DSK erklärt in der Stellungnahme folgendes:

"Eine verallgemeinernde Auslegung dahingehend, dass jeder Aufruf einer Webseite, deren Angebot die Verarbeitung personenbezogener Daten beinhaltet, oder jede Interaktion mit einem Einwilligungsbanner zum Abschluss eines Verbrauchervertrages führt, verbietet sich vor dem Hintergrund der Anforderungen der §§ 133, 157 BGB. Insbesondere kann allein die Bereitstellung der personenbezogenen Daten nicht als konkludente Willenserklärung der Betroffenen zum Abschluss eines Vertrages über digitale Produkte gewertet werden."

In der Gesetzesbegründung Digitale Inhalte/Dienste Gesetz heißt es (Hervorhebung fett durch Verfasser):

Seite 40:

"Das Vorliegen eines Rechtsbindungswillens ist anhand des objektiven Empfängerhorizonts zu ermitteln (§§ 133, 157 BGB). Der Bundesgerichtshof berücksichtigt hierbei unter anderem die folgenden Kriterien: die Art der Gefälligkeit, ihren Grund und Zweck, ihre wirtschaftliche und rechtliche Bedeutung (insbesondere für den Empfänger) sowie die Umstände, unter denen sie erbracht wird;"

Und weiter:

"Für die Annahme eines Vertragsschlusses könnte beispielsweise sprechen, dass der Unternehmer den Dienst oder die Leistung erbringt, weil er den Verbraucher motivieren will, auf seiner Seite weitere Webseitenaufrufe zu tätigen oder Dienste oder Leistungen in Anspruch zu nehmen, weil er Einnahmen für auf seiner Seite dargestellte Werbung erzielen will, deren Höhe in aller Regel von den Zugriffszahlen abhängt, oder weil er mit dem Einsatz von Tracking-Technologien und der nachfolgenden Anzeige personalisierter Werbung wirtschaftliche Vorteile anstrebt."

Zur „Bereitstellung“ heißt es in der Gesetzesbegründung auf Seite 41:

"Der Begriff der Bereitstellung personenbezogener Daten ist im weitest möglichen Sinne zu verstehen und umfasst alle Verarbeitungen von personenbezogenen Daten des Verbrauchers durch den Unternehmer, unabhängig von der Art und Weise der Verarbeitung und deren datenschutzrechtlicher Einordnung. Insbesondere kommt es nicht darauf an, dass der Verbraucher dem Unternehmer seine personenbezogenen Daten aktiv übermittelt."

Die DSK-Stellungnahme steht folglich im Widerspruch zu den in der Gesetzesbegründung zu den Verbrauchervorschrift gemachten Erläuterungen zur Berücksichtigung der datenschutzrechtlichen Vorschriften im Rahmen der Verbraucherverträge.

2. Wurde zwischen dem Unternehmen und dem Verbraucher ein Vertrag über digitale Produkte geschlossen, ist jede Verarbeitung von personenbezogenen Daten im Zusammenhang mit dem geschlossenen Vertrag nur rechtmäßig, wenn sie auf eine Rechtsgrundlage der Datenschutz-Grundverordnung gestützt werden kann.

Die Aussage ist grundsätzlich unstrittig und so auch in § 327q BGB festhalten. Die Vorschriften über den Verbrauchervertrag beim Bereitstellen von Daten finden nur Anwendung, wenn die Datenverarbeitung ein zusätzlicher Zweck ist. Und eben diese Datenverarbeitung ist an den Grundsätzen der DS-GVO zu messen.

In der Gesetzesbegründung Digitale Inhalte/Dienste Gesetz heißt es auf Seite 36:

"Auf die Frage der datenschutzrechtlichen Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung kommt es für die Anwendbarkeit der §§ 312 ff. BGB nicht an. Es würde dem erklärten Ziel der Regelungen widersprechen, wenn der Verbraucher nicht in den Genuss der verbraucherschützenden Vorschriften der §§ 312 ff. BGB kommen würde, wenn sich der Unternehmer rechtswidrig verhält und der Verbraucher hierauf keinen Einfluss nehmen kann."

Und auf Seite 41:

"Diesbezüglich sieht § 327q Absatz 1 BGB-E vor, dass die Ausübung von Datenschutzrechten sowie die Abgabe datenschutzrechtlicher Erklärungen des Verbrauchers nach Vertragsschluss die Wirksamkeit des Vertrags unberührt lassen."

3. § 327q BGB trifft keine Aussage zu den Auswirkungen der zivilrechtlichen Verbraucherschutzvorschriften auf das Datenschutzrecht. Es werden nur umgekehrt die zivilrechtlichen Auswirkungen auf den Verbrauchervertrag festgelegt, wenn Verbraucher von ihren datenschutzrechtlichen Rechten Gebrauch gemacht haben, eine Einwilligung zu widerrufen odereiner Datenverarbeitung, die auf Art. 6 Abs. 1 Buchstabe f DS-GVO gestützt wird, gemäß Art. 21 DS-GVO zu widersprechen.

Ja, das steht so im Gesetz.

4. Die neuen Verbraucherschutzvorschriften im BGB haben keine Auswirkungen auf die Anwendung von § 25 TTDSG.

Das ist eine gewagte Aussage und dürfte im Kontext der europäischen Gesetzgebung mE nicht standhalten.

Die neuen Verbraucherverträge beruhen auf der europäischen RL 2019/770. „[D]iese Richtlinie sollte für Verträge gelten, auf deren Grundlage ein Unternehmer einem Verbraucher digitale Inhalte oder eine digitale Dienstleistung bereitstellt oder sich hierzu verpflichtet und ein Verbraucher personenbezogene Daten bereitstellt oder deren Bereitstellung zusagt. Die personenbezogenen Daten könnten dem Unternehmer zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses oder zu einem späteren Zeitpunkt übermittelt werden, z. B., wenn der Verbraucher dem Unternehmer seine Einwilligung zur Verwendung personenbezogener Daten erteilt, die der Verbraucher möglicherweise im Rahmen der Nutzung der digitalen Inhalte oder digitalen Dienstleistungen hochlädt oder erzeugt. Das Unionsrecht zum Schutz personenbezogener Daten enthält eine erschöpfende Liste der Rechtsgrundlagen für die rechtmäßige Verarbeitung personenbezogener Daten.“

§ 25 Abs. 2 TTDSG stellt eine Ausnahme vom Einwilligungserfordernis für die Verarbeitung personenbezogener Daten dar, „wenn die Speicherung von Informationen in der Endeinrichtung des Endnutzers oder der Zugriff auf bereits in der Endeinrichtung des Endnutzers gespeicherte Informationen unbedingt erforderlich ist, damit der Anbieter eines Telemediendienstes einen vom Nutzer ausdrücklich gewünschten Telemediendienst zur Verfügung stellen kann.“

Folglich haben die neuen Verbraucherschutzvorschriften selbstredend Auswirkungen auf die Anwendung von § 25 TTDSG.

In der OH Telemedien der DSK vom 20.12.2021 ist die Rede davon, dass „[J]eder Telemediendienst zunächst einen Basisdienst auf[weist], der untrennbar für das gesamte Angebot von Bedeutung ist.“

Weiter wird zum Basisdienst ausgeführt:

„Der Basisdienst ist grundsätzlich als der von Nutzer:innen gewünschte Telemediendienste anzusehen, sobald diese einen Dienst bewusst aufrufen. Aus dieser Handlung kann allerdings nicht automatisch der Schluss gezogen werden, dass der Nutzende alle Zusatzfunktionen des Basisdienstes wünscht. Welcher Funktionsumfang gewünscht ist, ist im Einzelfall aus der Perspektive durchschnittlich verständiger Nutzer:innen zu beurteilen.“  

Das entspricht genau dem Regelungsgehalt von § 312 Abs. 1a BGB.

In der Gesetzesbegründung heißt es hierzu:

„§ 312 Absatz 1a Satz 2 BGB-E stellt klar, in welchen Fällen eine Verarbeitung der vom Verbraucher bereitgestellten personenbezogenen Daten durch den Unternehmer eine Anwendbarkeit der §§ 312 ff. BGB nicht auslöst.

Der Unternehmer erhebt im Rahmen des Vertragsverhältnisses mit dem Verbraucher gegebenenfalls personenbezogene Daten, die für die Vertragsabwicklung objektiv erforderlich sind (…). Soweit er diese Daten nicht auch zu anderen Zwecken verwendet, ist ihm eine wirtschaftliche Verwertung dieser Daten nicht möglich.“

Demnach kann der Verbrauchervertrag durchaus in den Ausnahmebestand des § 25 TTDSG gelesen werden.

Noch ein Blick in die Geschichte:

DSK Kurzpapier Nr. 3 (Stand 17.12.2018)

Bei „kostenlosen“ Dienstleistungsangeboten, die die Nutzer mit der Zustimmung für eine werbliche Nutzung ihrer Daten „bezahlen“ (z. B. kostenloser E-Mail-Account gegen Zustimmung für Newsletter-Zusendung als „Gegenfinanzierung“), muss diese vertraglich ausbedungene Gegenleistung des Nutzers bei Vertragsabschluss klar und verständlich dargestellt werden. Nur dann besteht keine Notwendigkeit mehr für eine Einwilligung.

Nach meinem Verständnis lässt die Stellungnahme der DSK zu den neuen Verbraucherverträgen wesentliche rechtliche und tatsächliche Vorschriften und Regelungen unberücksichtigt.

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1 Kommentar

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Update: Die DSK hat die OH Telemedien aktualisiert (Danke an Matthias Horn fürs Teilen). Unter anderem wurde folgende Ergänzung aufgenommen (Rz. 707 - 713):

Weitaus seltener kommt es in der Praxis vor, dass Telemediendienste auf der Grundlage eines zuvor geschlossenen Vertrags genutzt werden. Dies ist insbesondere bei zahlungspflichtigen Diensten, wie z.B. Beck Online, anzunehmen. Liegen ein (schriftlicher) Vertrag über die Nutzung des Telemediendienstes oder ergänzende Nutzungsbedingungen, aus denen der konkrete Leistungsumfang entnommen werden kann, vor, können diese Dokumente zur Bestimmung des Nutzerwunsches herangezogen werden.

Und das müsste auch für das Bezahlen mit Daten gelten....

 

 

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