KG: Urkundenfälschung verklammert alles anlässlich der Fahrt - trotz Zäsurwirkung des Unfalls

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 14.05.2023
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|1524 Aufrufe

Die Konkurrenzrechtsprechung in Verkehrssachen treibt derzeit eigenartige Blüten. Bislang galt stets: Ein Unfall hat eine Zäsurwirkung auf Dauerdelikte, wie etwa die Trunkenheitsfahrt (§ 316 StGB) oder das Fahren ohne Fahrerlaubnis (§ 21 StVG). Damit wären die Tatgeschehen vor und nach dem Unfall je in Tatmehrheit zu betrachten. Die Urkundenfäschung allerdings kann diese Würdigung  nach neuerer Rechtsprechung umkehren:

 

Es dürfte höchstrichterlicher Rechtsprechung entsprechen, dass das Landgericht in dem das Unfallgeschehen einschließenden Teil der Fahrt (§§ 21 StVG, 1, 6 PflVG, 229, 267 StGB) sowie in der nach § 142 StGB strafbaren Weiterfahrt nur eine Tat im materiell-rechtlichen Sinn (§ 52 StGB) gesehen hat. Seit BGHSt 21, 203 ist zwar gefestigt anerkannt, dass der vom betrunken oder ohne Fahrerlaubnis fahrenden Täter verursachte und bemerkte Verkehrsunfall konkurrenzrechtlich eine Zäsur bildet: Fährt der Täter hiernach weiter, so handelt es sich um eine andere und neue Tat im sachlich-rechtlichen Sinn (§ 53 StGB). Diese Zäsurrechtsprechung wird aber nach neueren BGH-Judikaten von dem Grundsatz überlagert, dass das Herstellen und das Gebrauchen einer unechten Urkunde nicht nur eine tatbestandliche Handlungseinheit bilden, sondern dass im Falle unechter Kennzeichen das fortdauernde Gebrauchen der Urkunde sogar mehrere Fahrten zu einer Tat verklammert (vgl. BGH NZV 2019, 37 mit ähnlichem Sachverhalt wie hier).

 Diese Rechtsprechung stößt zwar in der Literatur auf Widerspruch. So wird angemerkt, es erschließe sich nicht, „warum das zäsierende Element (also der Unfall) allein dadurch wieder überlagert werden soll, dass der Täter – womöglich bereits vor geraumer Zeit und ohne sich dessen noch bewusst zu sein – sein Fahrzeug mit einem `falschen´ Kennzeichen versehen hat“ (vgl. Klose, NZV 2023, 507 m. w. N.). Die hier angefochtene Entscheidung entspricht aber dieser neueren BGH-Rechtsprechung, so dass der Senat schon deshalb keinen Anlass zur Abänderung sieht. Auch begünstigt die durch die Strafkammer angenommene Handlungseinheit (§ 52 StGB) den Angeklagten, so dass er hierdurch nicht beschwert ist.

KG Beschl. v. 27.2.2023 – 161 Ss 20/23, BeckRS 2023, 5180 

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