Die Modernisierung des Personengesellschaftsrechts

von Gastbeitrag, veröffentlicht am 08.11.2023
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MoPeG 2024: Interview mit Prof. Schäfer

Das Personengesellschaftsrecht wird zum ersten Mal seit seinem Inkrafttreten im Jahr 1900 grundlegend reformiert. Von einem Jahrhundertwerk war im Bundestag sogar die Rede. Das dazu notwendige Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (kurz: MoPeG) wurde bereits im Jahr 2021 verkündet. Aber erst jetzt, zum 1. Januar 2024, wird es in Kraft treten. Warum das so ist, und worum es beim MoPeG geht, besprechen wir mit Prof. Dr. Carsten Schäfer von der Universität Mannheim im Interview.

Herr Professor Schäfer, gleich mal vorneweg: Wie kam es zu dieser doch recht langen Verzögerung zwischen Verkündung und Inkrafttreten des Gesetzes? Immerhin sollte das Gesetz ursprünglich bereits seit einem Jahr in Kraft sein.
Die lange Übergangsphase ist in der Tat ungewöhnlich und auch unglücklich. Der Grund für die Verzögerung rührt aus dem späten Gesetzgebungsverfahren. Das MoPeG wurde in der allerletzten Sitzung des Bundestags in der vergangenen Legislaturperiode beschlossen, nämlich am frühen Morgen des 24. Juni 2021, und noch am selben Tag musste auch der Bundesrat befasst werden, was naturgemäß nur durch Verzicht auf sämtliche Fristen möglich war. Das MoPeG ist zwar nur ein Einspruchsgesetz, durch einen Einspruch wäre es aber gleichwohl wegen der Diskontinuität hinfällig gewesen. Man war also auf das Wohlwollen des Bundesrats angewiesen, und im Vorfeld hatten die Bundesländer Bedarf für eine ausreichende Vorlaufphase angemeldet, und zwar wegen des von ihnen zu organisierenden neuen Gesellschaftsregisters. Ob die Frist wirklich so lang hätte ausfallen müssen, wie schließlich erfolgt, konnte vermutlich in der Hektik nicht mehr mit hinreichender Sicherheit geklärt werden.

Das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts sieht Änderungen in 136 Gesetzen und Verordnungen vor und enthält 56 neue und neu gefasste BGB-Paragrafen. Wenn man genauer hinschaut, wird das Personengesellschaftsrecht in der Sache aber gar nicht neu geschrieben. Was ist stattdessen das Ziel des MoPeG?
Das würde ich tendenziell etwas anders beurteilen. Es ist zwar richtig, dass sich der Gesetzgeber und schon die vorbereitende Expertenkommission im Interesse der Praxis und auch eines erfolgreichen Gesetzgebungsverfahrens für eine weitgehende Kontinuität bei den grundlegenden Stützpfeilern des Systems entschieden haben, aber etwa das neue Gesellschaftsregister für die GbR und das neue Beschlussmängelrecht für die Handelsgesellschaften, um nur zwei Beispiele herauszugreifen, stellen m.E.
wesentliche Neuerungen dar. Die Gesetzesbegründung zum MoPeG nennt als Hauptziele der umfassenden Reform: (1) Konsolidierung des Rechts der GbR, d.h. Versöhnung des Gesetzes mit dem gelebten Recht; (2) Modernisierung des Rechts der Personengesellschaften; (3) Behebung des Publizitätsdefizits der GbR; (4) Flexibilisierung der Haftungsverhältnisse von Angehörigen freier Berufe - gemeint ist die Öffnung der KG durch § 107 Abs. 1 S. 2 HGB - und (5) Herstellung der Rechtssicherheit bei Beschlussmängelstreitigkeiten von Personenhandelsgesellschaften. Das klingt also in der Tat durchaus nach
einem hohen Grad an Kontinuität. Wenn man aber ins Gesetz blickt, wird man schon auf den ersten Blick zahlreiche Neuerungen erkennen. Und vor allem im Recht der BGB-Gesellschaft ist ja im Grunde kein Stein auf dem anderen geblieben, schaut man auf die Paragraphenzählung.

Sehen wir uns einige zentrale Punkte genauer an. Eine wesentliche Änderung ist die künftig gesetzlich normierte Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Wie grenzen sich Innen- und Außenverhältnis bei der GbR ab? Und welche Zwecke erfüllen Innengesellschaft und Außengesellschaft?
In der Tat gilt die Rechtsfähigkeit nur für die Außengesellschaft (§ 705 Abs. 2 BGB), ganz so, wie es der Bundesgerichtshof in seinem berühmten Grundsatzurteil von 2001 gegen den Gesetzestext entschieden hat. Malgeblich für die Abgrenzung ist, ob die Gesellschaft nach dem Willen ihrer Gesellschafter als solche am Rechtsverkehr teilnehmen soll, ihre geschäftsführenden Gesellschafter also im Namen der Gesellschaft auftreten und Geschäfte schließen sollen. Bei den Handelsgesellschaften ergibt sich dies schon unmittelbar aus ihrem Gesellschaftszweck, weshalb § 105 Abs. 2 HGB lediglich die Rechtsfähigkeit der OHG (und KG) feststellt. OHG und KG sind also notwendige Außengesellschaften. Hingegen ist bei der Innen-GbR eine solche Teilnahme am
Rechtsverkehr nicht gewollt. Gleichwohl dient sie, wie jede Gesellschaft, ebenfalls der Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks. Doch beschränkt sich die Innengesellschaft, wie es das Gesetz jetzt formuliert, auf die Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses unter den Gesellschaftern. Aber es sei nochmals betont: Eine Gesellschaft, die bisher Innengesellschaft war, bleibt es auch.

Ganz neu ist das von Ihnen erwähnte und eigens für die GbR geschaffene Gesellschaftsregister. Wie funktioniert es? Wo befindet es sich?
Die Einrichtung des neuen Registers ist Ländersache. Gleichwohl gibt es aber, wie beim Handelsregister, eine bundeseinheitliche Gesellschafts-Registerverordnung. Zuständig sind grundsätzlich die Amtsgerichte als Registergerichte. Wie beim Handelsregister gibt es aber in der Regel nur ein Gericht pro Landgerichtsbezirk (§ 376 FamFG). Das Register wird also letztlich von denselben Personen geführt, die auch für das Handels- und Partnerschaftsregister zuständig sind.

Wäre es nicht sinnvoller gewesen, die GbR gleich mit ins Handelsregister aufzunehmen?
Das Handelsregister soll aus systematischen Gründen und auch der Transparenz wegen weiterhin für Handelsgesellschaften reserviert bleiben, also für Gesellschaften, die den handelsrechtlichen Bestimmungen insgesamt unterliegen. Der Gesetzgeber ist deshalb denselben Weg gegangen wie bei Einführung des Partnerschaftsregisters: Dieses orientiert sich ebenfalls stark am Handelsregister - im Detail bestehen jedoch Unterschiede, die letztlich die unterschiedlichen Rechtsformen widerspiegeln.

Es wird immer wieder betont, die Anmeldung sei freiwillig. Aber so ganz freiwillig ist sie in vielen Fällen dann doch nicht, oder?
Das trifft in der Tat dann zu, wenn zum Gesellschaftsvermögen registrierte Gegenstände gehören, vor allem also Grundstücke oder Anteile an anderen Gesellschaften, die ihrerseits im Handels- oder Gesellschaftsregister eingetragen sind. Insofern ist die Eintragung im Gesellschaftsregister zwar keine materielle Erwerbsvoraussetzung, aber eine Eintragung der Gesellschaft als Eigentümerin im Grundbuch oder Handelsregister kommt erst dann in Betracht, wenn diese Gesellschaft ihrerseits im Gesellschaftsregister eingetragen ist. Umgekehrt enthalten Grundbuch und Handelsregister keinerlei Angaben mehr zu den Gesellschaftern - diese können vielmehr der Eintragung im Gesellschaftsregister entnommen werden. Folglich besteht also in der Tat ein faktischer Eintragungszwang. Aus Gründen der Transparenz, die mit dem neuen Register erreicht werden soll, ist er aber unumgänglich.

»Im Recht der BGB-Gesellschaft ist ja im Grunde kein Stein auf dem anderen geblieben.«
Prof. Dr. Casten Schäfer

Welche Vorteile bietet denn die Eintragung?
Abgesehen von den eben erwähnten Fällen, also der faktischen Ermöglichung des Erwerbs - und der Veräußerung - registrierter Rechte, ist die Erhöhung der Transparenz hinsichtlich der Gesellschafter und der Vertretungsverhältnisse nicht nur für den Rechtsverkehr von Vorteil, sondern durchaus auch für eine Gesellschaft, die häufig daran teilnimmt. Es braucht nicht jedes Mal der Gesellschaftsvertrag vorgelegt zu werden, um Vertragspartnern, etwa Banken, die geforderten Informationen zu vermitteln - ganz abgesehen davon, dass die Beweiskraft einer Registereintragung natürlich höher ist. Bei den registrierten Rechten geht es im Ubrigen auch um Kostendämpfung: Hat eine Gesellschaft etwa mehrere Grundstücke, musste bislang bei jedem Gesellschafterwechsel jede einzelne Grundbucheintragung geändert werden - künftig reicht eine Änderung im Gesellschaftsregister.

Viele Gründe, die bisher zur Auflösung der Gesellschaft geführt haben, werden zukünftig nur zum Ausscheiden des Gesellschafters führen. Welche Gründe sind das und warum die Änderung?
In der Tat vollzieht hier das BGB für die GbR nach, was schon seit der Handelsrechtsreform von 1998 für OHG und KG gilt: Stirbt ein Gesellschafter, kündigt er seinen Anteil, fällt er in die Insolvenz oder wird er aus wichtigem Grund ausgeschlossen, so wird die Gesellschaft ebenso von den übrigen Gesellschaftern fortgeführt wie bei der Kündigung eines Privatgläubigers des Gesellschafters. In all diesen Fällen wurde die Gesellschaft bislang aufgelöst, sofern der Gesellschaftsvertrag keine andere Regelung traf, was aber in der Praxis regelmäßig der Fall war. Nach der neuen Rechtslage ist es jetzt umgekehrt: Ohne eine Auflösungsklausel scheidet der Gesellschafter aus der Gesellschaft aus. Der Grund ist auf das neue Leitbild für die GbR zurückzuführen; es ist nicht mehr auf die Gelegenheitsgesellschaft bezogen. Und deshalb war es nur konsequent, dass der Gesetzgeber die bisherigen Auflösungsgründe, soweit sie aus der Person eines Gesellschafters resultierten, zur Gewährleistung von Kontinuität in Ausscheidensgründe umgewandelt hat.

Es gibt auch Veränderungen bei der oHG und bei der Kommanditgesellschaft. Was gibt es dort Neues?
Bei den Handelsgesellschaften markiert sicherlich das Beschlussmängelrecht den bedeutendsten Schritt nach vorn.
Das aktienrechtliche Anfechtungsmodell wird an personengesellschaftsrechtliche Besonderheiten angepasst. Außerdem
erfolgt eine Öffnung der KG für Freiberufler. Auch die Simultaninsolvenz von GmbH und KG bei der GmbH & Co hat Eingang ins Gesetz gefunden.

Stichwort Freiberufler: Das MoPeG eröffnet neue Gesellschaftsformen für freie Berufe. Wie relevant ist das für Rechtsanwälte oder Steuerberater?
Relevant ist die Öffnung des HGB eigentlich nur für Rechtsanwälte, deren Berufsverbände sich stark dafür eingesetzt hatten. Steuerberater hatten aufgrund der Rechtsprechung schon bislang Zugang zur Rechtsform der KG, also auch zur GmbH & Co. KG. Anders als die Partnerschaft, die eine Haftungsbeschränkung auf Berufsfehler konzentriert, lässt sich mit der GmbH & Co. KG eine Haftungsbeschränkung im Prinzip für alle Gesellschaftsverbindlichkeiten erreichen, allerdings um den Preis eines recht komplizierten Kapitalaufbringungs- und Erhaltungssystems. Außerdem bedeutet die KG natürlich die Anwendung sämtlicher Regeln, die eben für Handelsgesellschaften gelten, darunter auch Bilanzierungs- und Offenlegungspflichten, ferner besteht eine Insolvenzantragspflicht. Ob das eine wirklich attraktive Mischung für Anwaltsgesellschaften ergibt, bleibt abzuwarten.

»Bei den Handelsgesellschaften markiert das Beschlussmängelrecht den bedeutendsten Schritt nach vorn.«
          Prof. Dr. Casten Schäfer

Und für andere freie Berufe?
Vermutlich erst einmal gar nicht, weil Voraussetzung für den Zugang ins HGB eine flankierende berufsrechtliche Regelung ist, und diese wurde bislang nur für die verkammerten Berufe mit Zuständigkeit des Bundes für die jeweilige Berufsordnung geschaffen. Sofern - wie z.B. bei den Arzten - die Länder zuständig sind, dürfte es also noch eine Weile dauern, wobei ich bezweifle, dass es einen starken Regelungsdruck geben wird.

Vielen Dank für das Gespräch. 

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1 Kommentar

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Das MoPeG scheint auch gewaltige und zum Teil für die Betroffenen unliebsame Überraschungen steuerlicher Art bereit zu halten, die erstaunlicherweise tw. erst jetzt im Wachstumschancengesetz angepackt werden (wenn es denn rechtzeitig fertig) wird.

Besonders krass ist, dass der Bundesrat Regelungen, die Querschläger in die Grunderwerbsteuer und Erbschaftsteuer abmildern sollen, im Zusammenhang mit der Stellungnahme zum Mindeststeuergesetz in ein Gesetzgebungsverfahren einbrachte (BR-Drs. 365/23(B)), das mit Grunderwerbsteuer und Erbschaftsteuer ursprünglich nichts zu tun hat. Der einfache Grund: möglicherweise ist das das letzte Gesetz, wo man die anstehenden Probleme sicher noch vor dem 1. Januar 2024 lösen kann. Was passiert aber, wenn der Bundestag nicht anbeißt, wie die BT-Drs. 20/9190 nahelegt?

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