Cyberbunker von Traben-Trarbach: Spannendes Urteil des BGH veröffentlicht

von Dr. Jörn Patzak, veröffentlicht am 21.11.2023

Der Cyberbunker von Traben-Trarbach ist weltbekannt. Es gibt einen eigenen Wikipedia-Eintrag hierzu (s. hier), auf Netflix läuft aktuell die Doku „Cyberbunker: Darknet in Deutschland“.

Es geht um einen NATO-Bunker in Traben-Trarbach an der Mosel, der von einer Tätergruppierung genutzt wurde, um dort ein Daten- und Rechenzentrum zu betreiben. Sie vermieteten – kurz gesagt – entgeltlich passwortgeschützten Speicherplatz auf Servern sowie die Anbindung der Server an das Internet durch die Vergabe von IP-Adressen. Den Kunden wurde zugesichert, das Rechenzentrum hoste jeden Inhalt, sofern es sich nicht um „Kinderpornographie oder Terrorismus“ handele. Der weit überwiegende Teil der Kunden des Cyberbunkers betrieb auf den angemieteten Servern Internetplattformen beziehungsweise Programme, mittels derer strafbare Handlungen vorgenommen wurden und die auf Straftaten im Internet ausgerichtet waren, insbesondere auf den Verkauf von Betäubungsmitteln.

Das Landgericht Trier hat die Angeklagten, die unterschiedliche Aufgaben beim Betrieb des Rechenzentrums wahrgenommen hatten, der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung schuldig gesprochen und zu Freiheitsstrafen zwischen 5 Jahren und 9 Monaten und einem Jahr mit Bewährung verurteilt. Hiergegen legten die Angeklagten ebenso wie die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz Revision ein. Die Generalstaatsanwaltschaft begehrte – wie im Wesentlichen angeklagt, vom Landgericht aber nicht verurteilt – eine Verurteilung auch wegen Beihilfe zu einzelnen unter Nutzung von Leistungen des Cyberbunkers begangenen Straftaten.

Gestern veröffentlichte der Bundesgerichtshof das lesenswerte Urteil (BGH Urt. v. 12.9.2023 – 3 StR 306/22, BeckRS 2023, 32308). Es verwarf die Revisionen, änderte die Schuldsprüche aber dahingehend, dass die Angeklagten jeweils der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer auf besonders schwere Straftaten gerichteten kriminellen Vereinigung schuldig sind.
Lediglich hinsichtlich der Einziehungsentscheidungen hatten die Rechtsmittel (geringfügig) Erfolg. Hier einige Auszüge aus dem Urteil:

Die Angeklagten sind jeweils der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung gemäß § 129 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 StGB schuldig. …

Die Gruppierung war mit dem geschäftsmäßigen, arbeitsteiligen Betrieb des Cyberbunkers unter Einschaltung verschiedener juristischer Personen in hohem Maße organisiert und strukturiert (organisatorisches Element). Es handelte sich um einen Zusammenschluss von mehr als zwei Personen, zumal nicht nur die acht Angeklagten, sondern weitere Mitstreiter für das Rechenzentrum tätig und in den Zusammenschluss eingebunden waren (personelles Element). Die Organisation war auf einen zeitlich unbefristeten, längeren Bestand ausgerichtet, was sich schon im langen Tatzeitraum manifestiert (zeitliches Element).

Zudem verfolgten die Beteiligten ein übergeordnetes gemeinsames Interesse (interessenbezogenes Element). …

Der Zweck und die Tätigkeit der Vereinigung waren auf die Begehung von Straftaten gerichtet, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren bedroht sind (§ 129 Abs. 1 Satz 1 StGB), und zwar auf Taten der Beihilfe zu Delikten, die von Kunden des Cyberbunkers unter Verwendung gemieteten Serverspeicherplatzes oder aber von Dritten auf Internethandelsplattformen begangen wurden, die von Mietern der Vereinigung auf deren Servern eingerichtet worden waren (Konstellation der Beihilfe zur Beihilfe). …

Die Haftungsprivilegierung des § 10 Satz 1 TMG, die auf Art. 14 der RL 2000/31/EG („E-Commerce-Richtlinie“) des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 (ABl. EG Nr. L 178/1 vom 17. Juli 2000) zurückgeht, steht einer Strafbarkeit der hier relevanten Beihilfetaten nicht entgegen. …

Zutreffend hat das Landgericht bei allen Angeklagten die Qualifikation des § 129 Abs. 5 Satz 3 StGB als erfüllt angesehen und daher den Qualifikationsstrafrahmen zur Anwendung gebracht, der Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren vorsieht (s. zum Charakter des § 129 Abs. 5 Satz 3 StGB als Qualifikation NK-StGB/Eschelbach, 6. Aufl., § 129 Rn. 123; MüKoStGB/ Schäfer/Anstötz, 4. Aufl., § 129 Rn. 152). Denn der Zweck und die Tätigkeit der Vereinigung waren darauf gerichtet, Straftaten der Beihilfe zum (gewerbsmäßigen) Handeltreiben mit Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BtMG und zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG zu begehen, mithin Straftaten, die in § 100b Abs. 2 Nr. 5 Buchst. a und b StPO aufgeführt sind, auf den § 129 Abs. 5 Satz 3 StGB Bezug nimmt. …

Die Revisionen der Generalstaatsanwaltschaft bleiben ohne Erfolg, soweit die Teilfreisprüche beanstandet werden und geltend gemacht wird, die Angeklagten hätten sich durch ihre Tätigkeiten für die Vereinigung auch wegen Beihilfe zu den unter Nutzung der Internethandelsplattformen „C. R. “, „Wa. “ und „Fr. “ sowie der Internetseiten www.o. und www.a. begangenen und konkret festgestellten Betäubungsmitteldelikten sowie weiteren Straftaten (vgl. hierzu oben I. 3. a) bis d)) strafbar gemacht und seien ferner der Beihilfe zur versuchten Computer-sabotage wegen Unterstützung des Betriebs eines Botnetzes schuldig. Auf der Basis der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen sowie deren ausreichender Darlegung in den Urteilsgründen hat das Landgericht zu Recht Beihilfestrafbarkeiten der Angeklagten verneint und diese insofern freigesprochen. …

In allen Fällen fehlte es ausweislich der vom Landgericht getroffenen Feststellungen indes am erforderlichen doppelten Gehilfenvorsatz der Angeklagten; sie hatten jeweils in Bezug auf die mit ihrem Tun geförderten Haupttaten keinen ausreichenden Beihilfevorsatz.

(a) Für eine Beihilfestrafbarkeit ist erforderlich, dass der Gehilfe die Handlungen des Haupttäters fördern und damit zur Tatbestandsverwirklichung durch diesen beitragen will. Zwar braucht der Beihilfevorsatz die Haupttat nicht in ihren Einzelheiten zu umfassen; der Teilnehmer muss keine bestimmte Vorstellung von ihr haben (vgl. BGH, Beschluss vom 2. März 2023 – 2 StR 119/22, NStZ-RR 2023, 185, 186; Urteil vom 25. August 2022 – 3 StR 359/21, NJW 2023, 89 Rn. 31; Beschluss vom 20. Januar 2011 – 3 StR 420/10, NStZ 2011, 399, 400; Urteile vom 1. August 2000 – 5 StR 624/99, BGHSt 46, 107, 109; vom 18. April- 1 StR 14/96, BGHSt 42, 135, 137 f.; Fischer, StGB, 70. Aufl., § 27 Rn. 22; Schönke/Schröder/Heine/Weißer, StGB, 30. Aufl., § 27 Rn. 29). Der Gehilfe muss aber die wesentlichen Merkmale der Haupttat, insbesondere deren Unrechtsgehalt und Angriffsrichtung, erkennen oder diese in seinen bedingten Vorsatz aufgenommen haben (vgl. BGH, Beschluss vom 2. März 2023 – 2 StR 119/22, NStZ-RR 2023, 185, 186; Urteil vom 25. August 2022 – 3 StR 359/21, NJW 2023, 89 Rn. 31; Beschluss vom 15. März 2022 – 2 StR 302/21, BGHR StGB § 227 Beihilfe 1 Rn. 19 f.; Urteile vom 31. Oktober 2019 – 3 StR 322/19, juris Rn. 10; vom 20. Dezember 2018 – 3 StR 236/17, BGHSt 64, 10 Rn. 96; Beschlüsse vom 28. Februar 2012 – 3 StR 435/11, wistra 2012, 302 Rn. 4; vom 20. Januar 2011 – 3 StR 420/10, NStZ 2011, 399, 400; Fischer, StGB, 70. Aufl., § 27 Rn. 22; Schönke/Schröder/Heine/Weißer, StGB, 30. Aufl., § 27 Rn. 29; aA in Bezug auf deliktisches Handeln der hier in Rede stehenden Art LK/Schünemann/Greco, StGB, 13. Aufl., § 27 Rn. 65 f.; Greco, ZIS 2019, 435, 445 f.). Dass ein Angeklagter jedwedes oder irgendein Delikt fördern will oder dies für möglich hält und billigend in Kauf nimmt, reicht nicht aus, und zwar auch nicht in Fallkonstellationen wie der vorliegenden (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Februar 2012- 3 StR 435/11, wistra 2012, 302 Rn. 4; Patzak/Volkmer/Fabricius, BtMG, 10. Aufl., § 29 Rn. 292; Bachmann/Arslan, NZWiSt 2019, 241, 244; s. ferner BGH, Beschluss vom 2. März 2023 – 2 StR 119/22, NStZ-RR 2023, 185, 186).

(b) Die Angeklagten hatten – wie dargetan (s. oben III. 3. b) cc)) – jedenfalls zu den Zeiten, zu denen sie für eine Beihilfestrafbarkeit relevante Tatbeiträge erbrachten und die von der Anklage umfasst sind, keine Kenntnis davon, wer die betreffenden Server angemietet hatte, wie diese Server von den Mietern genutzt wurden und ob und inwieweit Dritte gehostete Internetseiten der Mieter zur Abwicklung strafbarer Handelsgeschäfte nutzten. Insbesondere hatten sie keine Kenntnis von den Internethandelsplattformen „C. R. “, „Wa. „ und „Fr. “ sowie den Internetseiten www.o. und www.a.; auch wussten sie nichts von einzelnen Betäubungsmittelgeschäften, die über die vorgenannten Internetseiten abgewickelt wurden. Von den tatsächlich geförderten Haupttaten hatten sie mithin keine Kenntnis. ...

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