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Januar: Mitgliederabstimmung der SPD über Zustandekommen des Koalitionsvertrags

Regine.Wendland

2014-01-06 10:48

In der Entscheidung des Monats Januar hat eine Privatperson die sehr umstrittene Mitgliederabstimmung der SPD über die Annahme des Koalitionsvertrags per Eilantrag beim BVerfGverhindern wollen. Der Antrag wurde abgelehnt, weil die Abstimmung kein Akt öffentlicher Gewalt darstellt und damit nicht beschwerdefähig ist; die öffentliche Gewalt könne nur vom Staat ausgehen, nicht aber von einer Partei. Das Gericht lehnt hier die Qualifizierung des Koalitionsvertrages als staatliches Handeln ab, obwohl der Vertrag die Grundlage der zukünftigen Regierungsarbeit bildet und die Mehrheit der Abgeordneten per Fraktionsdisziplin auch die konkrete Umsetzung der Vereinbarungen beschließen wird. – Wäre eine Bewertung der Abstimmung als Akt öffentlicher Gewalt möglich gewesen?

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Der Rechtsstaat des Grundgesetzes verfaßt die Staatsgewalt in Art. 20 GG. Nach Art. 20 II 1 GG geht alle Staatsgewalt vom Volke aus, die öffentliche Gewalt wird durch besondere Organe ausgeübt, namentlich der Legislative, Exekutive, Judikative ( Art. 20 II 2 GG ). Zuordnungssubjekt dieser öffentlichen Gewalt ist der Träger der öffentlichen Gewalt, das jeweilige staatliche Organ. Der Träger trifft seine Regelungen als " Akte " öffentlicher Gewalt. Dazu verlangt das Rechtsstaatsprinzip ein rechtsstaatlich, gesetzlich geregeltes  " Verfahren " ( N. Luhmann usw. ), d.h. auch insbesondere eine juristische Methodik ( F. Müller usw. ). Die Gerichte der besonderen Gerichtsbarkeit und Verfassungsgerichtsbarkeit gewährleisten die judikative Kontrolle.

 

Die SPD als eine politische Partei ist als ein nicht rechtsfähiger Verein zu qualifizieren, Träger des Privatrechts, der private Rechtsmacht ausstrahlt im Innen- und Außenverhältnis, zudem im Außenverhältnis eine " öffentliche  Aufgabe " hat ( Art. 21 GG; § 1 I PartG ). Die politischen Parteien sind mit dieser öffentlichen Aufgabe wohl in das Verfassungsgefüge quasi inkorporiert, bleiben aber ein privatrechtliches Rechtssubjekt. Die SPD verlautbart nicht in Akten, sondern in politischen Beschlüssen, Erklärungen, Statements usw., ohne rechtsbindende Wirkung. So ist sie auch zu einem " Abstimmungsergebnis " gelangt, das eine politische Aussage hat aber nicht eine rechtsbindende Wirkung, zudem nicht auf ihre Abgeordneten im Deutschen Bundestag, die in ihren Entscheidungen frei sind, Art. 38 I 1 GG. Die SPD arbeitet nach ihrer Parteisatzung, also keinem rechtsstaatlichen Verfahrensgesetz. Das Abstimmungsergebnis ist auch nicht justitiabel ( abgesehen von Verstößen gegen die Parteisatzung usw. ).

 

Das BVerfG kommt daher zu dem einzig richtigen Ergebnis die Abstimmung nicht als Akt öffentlicher Gewalt zu qualifizieren, müßte aber zum klaren Verständnis und zur Nachvollziehbarkeit noch deutlicher ausführen ( unter Punkt 5 ff. der Entscheidung ). Der Beschwerdeantrag war ohnehin unzutreffend mit einer Untersagung der Abstimmung ( innere Angelegenheit der Partei, ohne nach außen wirkende Beschwer ), hätte auf eine Untersagung der Weitergabe des Abstimmungsergebnisses an die parteizugehörigen Abgeordeneten im Deutschen Bundestag lauten müssen. Das insgesamt übersteigt diesen Blog und müßte in einem jur Aufsatz ( NVwZ o.ä. ) ausführlich aufgearbeitet werden.

 

Matthias Siegfried, Rechtsassessor, freier Fachautor

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