BVerfG: Einstellen von Kreditkarten in maschinellen Suchlauf greift nicht in Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein
Gespeichert von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg am
Die im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens erfolgende Einstellung von Kreditkartendaten in einen maschinellen Suchlauf stellt noch keinen Eingriff in das Recht der betroffenen Kreditkarteninhaber auf informationelle Selbstbestimmung dar. Denn es ist möglich, dass die Daten mangels Übereinstimmung mit den Suchkriterien nicht als Treffer angezeigt und der Staatsanwaltschaft daher auch nicht übermittelt werden. Dies hat das Bundesverfassungsgericht in einem Fall entschieden, in dem es um die Ermittlung von Tätern gegangen war, die sich in den Besitz kinderpornografischer Schriften gebracht haben (Beschluss vom 17.02.2009, Az.: 2 BvR 1372/07 und 2 BvR 1745/07).
Sachverhalt
Die Staatsanwaltschaft Halle leitete im Jahr 2006 ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt ein, nachdem sie auf eine Internetseite aufmerksam geworden war, die den Zugang zu kinderpornografischen Inhalten vermittelte. Der Zugang zur Internetseite kostete 79,99 US-Dollar, die von den Kunden per Kreditkarte gezahlt werden mussten. Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens schrieb der ermittelnde Staatsanwalt die Kreditinstitute an, die Mastercard- und Visa-Kreditkarten in Deutschland ausgeben. Er forderte sie auf, alle Kreditkartenkonten anzugeben, die seit dem 01.03.2006 eine Abbuchung von 79,99 US-Dollar zugunsten der philippinischen Bank aufwiesen, über die der Geldtransfer für den Betreiber der Internetseite unter einer bestimmten Empfänger-Kennziffer abgewickelt wurde. Die Unternehmen ermittelten insgesamt 322 Karteninhaber, deren Daten an die Staatsanwaltschaft weitergegeben wurden.
Karteninhaber rügen Verletzung ihres Rechts auf informationelle Selbstbesetimmung
Die Beschwerdeführer sind Karteninhaber der von der Staatsanwaltschaft kontaktierten Unternehmen und waren unter den insgesamt etwa 20 Millionen Kunden, die von der obigen Suchanfrage berührt wurden. Die Daten der Beschwerdeführer wurden jedoch nicht an die Staatsanwaltschaft weitergegeben. Mit ihren Verfassungsbeschwerden rügen sie die Verletzung ihres Rechts auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG. Die Zweite Kammer des Zweiten Senats hat die Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung angenommen.
Einstellen von Daten in maschinellen Suchlauf greift nicht in informationelle Selbstbestimmung ein
Die Abfrage der Kreditkartendaten durch die Staatsanwaltschaft stelle keinen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Beschwerdeführer dar, so das BVerfG. Ihre Kreditkartendaten seien bei den Unternehmen nur maschinell geprüft worden, mangels Übereinstimmung mit den Suchkriterien aber nicht als Treffer angezeigt und der Staatsanwaltschaft daher auch nicht übermittelt worden. Für die Annahme eines Eingriffs genüge es nicht, dass die Daten bei den Unternehmen in einen maschinellen Suchlauf eingestellt würden. Denn im Fall der Beschwerdeführer seien die Daten anonym und spurenlos aus diesem Suchlauf ausgeschieden und nicht im Zusammenhang mit dieser Ermittlungsmaßnahme behördlich zur Kenntnis genommen worden.
Maßnahme stellte keine Rasterfahndung dar
Zudem wäre die Maßnahme auch dann gerechtfertigt, wenn die Daten der Beschwerdeführer an die Ermittlungsbehörde weitergeleitet worden wären, betont das BVerfG. Eine Rasterfahndung im Sinne von § 98a StPO oder eine ähnliche Ermittlungshandlung, die an den Voraussetzungen dieser Ermächtigungsgrundlage zu messen wäre, liege nicht vor. Denn es habe kein Abgleich zwischen den Datenbeständen verschiedener Speicherstellen stattgefunden. Es sei stattdessen gezielt nach Personen gesucht worden, die eine genau bezeichnete, nach dem damaligen Ermittlungsstand mit hinreichender Wahrscheinlichkeit strafbare Handlung vorgenommen hätten: das Zahlen eines bestimmten Betrages per Kreditkarte an einen bestimmten Empfänger innerhalb eines bestimmten Zeitraums, wodurch sie sich wahrscheinlich den Besitz kinderpornografischer Schriften verschafft hätten.
Ermittlungsgeneralklausel ausreichende Rechtsgrundlage
Die Maßnahme beruhte laut BVerfG vielmehr auf der Ermittlungsgeneralklausel des § 161 Abs. 1 StPO. Die Übermittlung von Daten jener Kreditkarteninhaber, welche die Tatkriterien erfüllten, berühre diese zwar in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung. § 161 Abs. 1 StPO sei jedoch eine hinreichend bestimmte Rechtsgrundlage für diesen Eingriff, da die Norm Ermittlungen und damit auch die Datenerhebung auf den Zweck der Tataufklärung begrenze.
Maßnahme war auch verhältnismäßig
Die Maßnahme halte sich auch innerhalb der Grenzen, die der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit allen Ermittlungshandlungen setze. Der Verhinderung und Aufklärung von Straftaten komme nach dem Grundgesetz eine hohe Bedeutung zu. Zur Erreichung des Zwecks, die einer Straftat nach § 184b Abs. 4 StGB verdächtigen Personen zu ermitteln, sei die Maßnahme geeignet. Außerdem seien hier mildere, ebenso geeignete Mittel nicht ersichtlich. Schließlich sei in der Abwägung mit dem Zweck, Täter zu ermitteln, die sich den Besitz kinderpornografischer Schriften verschafft hätten, das Gewicht des Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das mit der Abfrage der Kreditkartendaten verbunden gewesen sei, geringer zu bewerten. Denn betroffen wären dadurch regelmäßig nur Personen gewesen, die durch ihr Verhalten den hinreichenden Verdacht einer Straftat begründet hätten.