Kinderpornographie, Posenverbote, "Kategorie 1" und "Kategorie 2" - Reformpostulate setzen Grundlagenkenntnisse voraus
Gespeichert von Prof. Dr. Marc Liesching am
Als Seitenableger der von Journalisten als "Staatsaffäre" apostrophierten Causa "Edathy" wird nunmehr von Seiten des Kinderschutzbundes, aber auch von Seiten der Politik eine Überprüfung des Straftatbestandes zur Kinderpornographie gefordert.
Hiermit verrührt wird das jugendschutzrechtliche Verbot von "Posenfotografien", nach § 4 Abs. 1 Nr. 9 JMStV eigentlich Darstellungen von Minderjährigen in "unnatürlich geschlechtsbetonter Körperhaltung". Diese Jugendschutzbestimmungen als "Kategorie 2" gegenüber dem Kinderpornographieverbot zu bezeichnen, ist missverständlich und irreführend.
Dass beide Verbotstatbestände - Kinderpornographie (§ 184b StGB) und Posendarstellungsverbot (§ 4 I Nr. 9 JMStV) - bei den im Fall Edathy einschlägigen Bildern nicht greifen, ist evident. Dies ergibt sich aus folgenden Gründen:
- Der Straftatbestand der Kinderporngraphie (§ 184b StGB) erfasst zwar grundsätzlich auch Tathandlungen des Besitzes und des Besitzverschaffens. Die vorliegend wohl gegenständlichen Bilddarstellungen unbekleideter Kinder beim Spielen und in "natürlichen" Posen erfüllen aber schon nicht das erforderliche Tatbestandsmerkmal der "pornographischen" Schrift. Insoweit wird - vor allem in der Politik - häufig vergessen, dass der Bundesgerichtshof schon in einer frühen Entscheidung von 1978 (Urt. v. 21.4.1978 - 2 StR 739/77, MDR 1978, 804) klargestellt hat, dass auch bei pädophilen Darstellungen immer die Pornographieschwelle für eine Strafbarkeit nach § 184b StGB überschritten sein müsse (siehe auch BT-Drs. VI/152, S. 36).
- Der landläufig als "Posenverbot" bezeichnete Unzulässigkeitstatbestand des § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 JMStV untersagt indes schon nicht den Besitz oder das Besitzverschaffen von Darstellungen Minderjähriger in unnatürlich geschlechtsbetonter Körperhaltung, sondern lediglich die Verbreitung. Zudem handelt es sich nicht um ein Kriminalstrafverbot, sondern um einen Bußgeldtatbestand, der von der staatlichen Medienaufsicht (Landesmedienanstalten und KJM) gegen die betreffenden Internetanbieter (nicht die Download-User) zu verfolgen wäre. Und drittens dürfte - bei aller Unbestimmtheit der Rechtsbegriffe - vorliegend gerade noch nicht von einer "Unnatürlichkeit" im Sinne des Unzulässigkeitstatbestandes auszugehen sein, sofern lediglich Alltagsszenen spielender Kinder abgebildet sind.
Vor diesem Hintergrund kommt eine Strafbarkeit des Herrn Edathy - bei aller moralischen und gesellschaftlichen Missbilligungswürdigkeit seines mutmaßlichen Handelns - nach aktueller Gesetzeslage nicht in Betracht. Die sich hieraus reflexhaft ergebenden Reformpostulate sind indes ebenso kritisch zu prüfen wie die bestehenden Verbotstatbestände selbst. Schon die Einführung des Tatbestandes der Jugendpornographie (§ 184c StGB) in 2008 (G v. 31.10.2008, BGBl. I 2149) hat gezeigt, wie schnell hiermit auch jugendtypische Darstellungen kriminalisiert werden können und dass entsprechende Verbotserweiterungen nicht immer eine praktische Anwendung in der Strafverfolgungspraxis finden.
Dennoch sollte das Bestreben nach Revision der bestehenden Gesetzeslage auch nicht mit Verschwinden des Falles Edathy aus der Medienberichterstattung vorschnell verebben. Dass im Lichte des § 15 Abs. 2 Nr. 4 JuSchG Blueray-Discs, DVDs und sonstige Datenspeicher (Trägermedien) selbst mit Darstellungen von Minderjährigen in unnatürlich geschlechtsbetonten Körperhaltungen ganz legal unter Erwachsenen gehandelt werden dürfen, ist ein vom Gesetzgeber seit 2003 bewusst in Kauf genommener Missstand. Hierauf haben sich Reformbemühungen - zuständig wäre insoweit das BMFSFJ - eher zu konzentrieren als auf die Tatbestände der §§ 184b und 184c StGB. Auch hier gilt freilich zu bedenken, dass das JuSchG von seiner Systematik und Ratio bislang keine Absolutverbote enthält, welche den Handel - auch unter Erwachsenen - beschränken, sondern lediglich das Zugänglichmachen jugendgefährdender Medien gegenüber Minderjährigen untersagt.
Den gewerblichen Handel auch mit "natürlichen" Nacktdarstellungen von Kindern und Jugendlichen zu künftig gesetzlich zu verbieten - wie vom neuen Bundesminister der Justiz vorgeschlagen - erscheint ebenfalls erwägenswert. Allerdings dürfte dies den nicht gewerblichen "Tauschhandel" einschlägigen Materials im Internet und den Besitz bzw. die Besitzverschaffung kaum unterbinden.