EGMR: Erneute Verurteilung Deutschlands wegen Sicherungsverwahrung
Gespeichert von Prof. Dr. Henning Ernst Müller am
Mit gestrigem Datum gab der EGMR zwei (noch nichts rechtskräftige) Entscheidungen zur Sicherungsverwahrung bekannt. Die erste (Pressemitteilung) betraf drei Einzelfälle, die dem schon im Dezember 2009 entschiedenen Fall M. gegen Bundesrepublik Deutschland (Urteil) weitgehend glichen: Der EGMR hat die damalige inzwischen rechtskräftige Verurteilung in der Sache bestätigt und wiederholt. Der EGMR führt erneut aus, dass es gegen die MRK verstieß, die Höchstfrist der Sicherungsverwahrung, die im (rechtskräftigen) Urteil gegen diese Straftäter verhängt worden war, gesetzlich für sie rückwirkend unbefristet zu verlängern.
Das damalige Urteil gab der Bundesregierung Anlass, das System der Sicherungsverwahrung zu verändern. Insoweit kann die Bundesjustizministerin sich auch - wie sie heute auf Phoenix äußerte - "bestätigt" fühlen.
Die zweite Entscheidung (Pressemitteilung) betraf aber eine andere Sachlage, und hiernach wird sich die Neuregelung der Sicherungsverwahrung wahrscheinlich als unzureichend erweisen. Hier ging es um die nachräglich angeordnete Sicherungsverwahrung selbst. Zwar weist dieser Fall noch die Besonderheit auf, dass der Verurteilte in Bayern zunächst nach dem nur kurzfristig geltenden Bayerischen Gesetz zur Unterbringung von besonders rückfallgefährdeten hochgefährlichen Straftätern untergebracht worden war, jedoch erklärt der EGMR hier erstmals die nachträgliche Anordnung selbst für konventionswidrig, nämlich als Verstoß gegen Art. 5 MRK. Die (auch von mir hier im Blog und in StV 2010, S. 207 ff.) schon aufgrund des früheren Urteils gehegte Annahme, dass nach Auffassung des EGMR die nachträgliche Sicherungsverwahrung insgesamt nicht der MRK entsprechen dürfte, wird dadurch bestätigt. Es ist daher wahrscheinlich geworden, dass Verwahrungen aufgrund von § 66b StGB a.F., die lt. Übergangsregelung noch längere Zeit nachträglich angeordnet werden sollten und auch aufgrund von § 7 Abs.2 JGG vom EGMR als unvereinbar mit der MRK angesehen werden. Im Detail kann dies jetzt noch nicht dargelegt werden, da bislang nur die Pressemitteilungen vorliegen. Möglicherweise muss der Gesetzgeber auch hier noch einmal ran, um das Gesetz der Menschenrechtskonvention anzupassen (vgl. auch dieses Interview mit Ullenbruch auf LTO und diese Einschätzung von Hipp auf Spiegel Online).