BGH zur Gesamtstrafenbildung II: Zäsurwirkung

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 03.10.2010

In dem Beitrag BGH zur Gesamtstrafenbildung hat Blogleser M.Volkmer (Danke!) auf BGH,  Beschluss vom 15.9.2010 - 5 StR 325/10 hingewiesen, der sich mit dem wirklich kaum zu verstehenden Thema der "Zäsurwirkung" befasst. Es geht dabei stets um Situationen, in denen mehr als zwei Verurteilungen in die Gesamtstrafenüberlegungen fallen und bei denen man sich fragt: Wird aus den Strafen aller drei Urteile eine Gesamtstrafe gebildet, wird aus den ersten beiden oder den letzten beiden eine gebildet? Auch der BGH scheint die Regelungen hierzu in § 55 StGB und die hierzu ergangene Rechtsprechung kaum zu verstehen. Anders ist die Wortwahl des BGH ("überkompliziert") nicht zu erklären:

 


"...Das zu den Schuld- und Einzelstrafaussprüchen sowie zu den Nebenentscheidungen nach Maßgabe der ersten Antragsschrift des Generalbundesanwalts rechtsfehlerfreie Urteil weist zur (mehrfachen) Gesamtstrafbildung, wie sie die überkomplizierte Regelung des § 55 StGB in der verbindlichen Auslegung der Rechtsprechung gebietet, zwei Rechtsfehler auf: Nicht das Urteil des Amtsgerichts Pinneberg vom 22. August 2007 – dessen Freiheitsstrafe einzubeziehen war – bildet eine Zäsur, sondern bereits das nach Begehung der darin abgeurteilten Tat ergangene Urteil des Amtsgerichts Elmshorn vom 2. Februar 2007, mit dessen Geldstrafe allein nach § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB eine Gesamtstrafbildung unterblieben ist (UA S. 6 f.; vgl. Fischer, StGB 57. Aufl. § 55 Rdn. 9a mit Rspr.-Nachw.). Da hiernach beide untereinander gesamtstraffähigen Sanktionen als Einheit zu betrachten sind, ändert die zwischenzeitliche Vollstreckung allein der Geldstrafe mangels Er-ledigung der Freiheitsstrafe nichts an dieser Zäsurwirkung. Ferner kam, wie der Beschwerdeführer selbst zu Recht geltend macht, dem Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 18. Juli 2008 wegen einer erst im Jahre 2008 begangenen Tat eine weitere Zäsurwirkung zu, und zwar ungeachtet dessen, dass das Landgericht von einer Einbeziehung der darin verhängten nicht erledig-ten Geldstrafe seinerseits nach § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB abgesehen hat (Fischer aaO).

Dem auf Anregung des Senats gestellten weiteren Antrag des Generalbundesanwalts folgend nimmt der Senat die veränderte Gesamtstrafbildung gemäß § 354 Abs. 1a Satz 2 StPO selbst vor, indem er hinsichtlich aller drei Gesamtstrafen die Einsatzstrafen jeweils nur um drei Monate erhöht. So wird zugleich der Härte, welche die eher zufällig gebotene mehrfache Gesamtstrafbildung für den Beschwerdeführer mit sich bringt, ausreichend Rechnung getragen. Eine Strafaussetzung zur Bewährung schied schon wegen Bewährungsversagens (UA S. 5) aus...."

 

 

Zu dem Thema "Zäsurwirkung" empfehle ich Frister in: Kindhäser/Neumann/Paeffgen, StGB, 3. Aufl. 2010, § 55 Rn. 11 ff. Man kann dort auch ein gut anwendbares (aber kompliziertes) Prüfungsschema finden. 

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2 Kommentare

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Die verfassungsrechtlich gebotene tat- und schuldangemessene Strafe kann man also mit einer überkomplizierten Regelung besser sicherstellen als mit einer verständlichen?

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Lieber "überkomplziert" und umfassend als simpel und oberflächig. Immerhin ist hier besonders der Einzelfallgerechtigkeit gegenüber dem allgemeinen Rechtsempfinden Rechnung zu tragen. 

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