Umgang und Unterhalt - BGH stellt Trennung in Frage

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 05.09.2011
Rechtsgebiete: Unterhaltnachehelicher UnterhaltFamilienrecht7|8096 Aufrufe

 

Umgang und Unterhalt waren bislang zwei streng voneinander zu trennende Problemfelder.

 

Nun hat der BGH erneut (zuvor schon BGH NJW 2010, 3369) die Grenzen verwischt.

Der Fall:

Heirat Dezember 2004, Geburt des Kindes Januar 2005, Scheidung Juli 2008. Das Kind lebt bei der Mutter. Der Antragsgegner übt sein Umgangsrecht an jedem Mittwochnachmittag und an jedem zweiten Wochenende von samstags 10.00 Uhr bis sonntags 18.00 Uhr, an den übrigen Wochenenden freitags nachmittags aus. Das Kind besucht während der Woche von 7.30 Uhr bis 16.30 Uhr einen Ganztageskindergarten Die Kosten hierfür in Höhe von monatlich 345 € incl. 55 € Verpflegungspauschale trägt die Antragstellerin. Der Antragsgegner befindet sich im vorzeitigen Ruhestand und strebt eine Ausweitung seines Umgangsrechts bis hin zu einem Wechselmodell an.

 

Das OLG Frankfurt (BeckRS 2011, 16697) hatte für sie eine Erwerbstätigkeit von 25 Wochenstunden für zumutbar gehalten und  einen Unterhaltsanpruch in Höhe von 1383 € + 270 € Altersvosrorgeunterhalt errechnet.

 

Auf die Revision des Mannes hat der BGH das Urteil aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.

Der BGH vertritt die Auffassung die Verlängerung des Unterhaltsanspruchs über drei Jahre könne daran scheitern, dass der Unterhaltspflichtige  - auch gegen den Willen des anderen – ernsthaft und verlässlich die Übernahme von Kindesbetreuung anbietet. Wie bei der Ausgestaltung des Umgangsrechts nach § 1684 BGB sei dabei auch im Rahmen des Betreuungsunterhalts nach § 1570 BGB maßgeblich auf das Kindeswohl abzustellen, hinter dem rein unterhaltsrechtliche Erwägungen zurücktreten müssten.

 

Nach Auffassung des BGH ist also inzident im Unterhaltsverfahren die Umgangsfrage zu prüfen!

Ob dann der Amtsermittlungsgrundsatz gilt, das Jugendamt zu beteiligen ist und - vor allem – wer die Beweislast dafür trägt, dass die vom Unterhaltspflichtigen gewünschte Umgangsregelung praktikabel und zumutbar ist, lässt der BGH allerdings offen.

BGH v. 01.06.2011 - XII ZR 45/09 = NJW 2011, 2430, siehe auch Pauling in FamFR 2011, 337

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7 Kommentare

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Hier wird nicht etwa Unterhalt mit Umgang vermischt, sondern endlich der Wunsch und das Recht des Vaters sein Kind zu selbst betreuen, halbwegs, ernst genommen.

 

Es ist nämlich nicht so, dass alles, was eine Mutter tut, Betreuung ist und alles was ein Vater tut Umgang.

 

Die unsägliche und unhaltbare Auffassung, dass nach einer Trennung nur einer betreuen kann und der andere nur zu bezahlen hat gehört endlich auf den Müllhaufen der Geschichte.

 

Warum werden eigentlich nicht solche Fragen mal auf dem Familiengerichtstag diskutiert?

 

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Guy Fawkes schrieb:

 Die unsägliche und unhaltbare Auffassung, dass nach einer Trennung nur einer betreuen kann und der andere nur zu bezahlen hat gehört endlich auf den Müllhaufen der Geschichte. 

 

Sie haben es (mal wieder) nicht verstanden. Es geht doch überhaupt nicht um Kindesunterhalt, sondern um nachehelichen Unterhalt.

Hans-Otto Burschel schrieb:

Sie haben es (mal wieder) nicht verstanden. Es geht doch überhaupt nicht um Kindesunterhalt, sondern um nachehelichen Unterhalt.

 

Wie kommen Sie darauf, daß Fawkes übersehen haben könnte, daß es um Betreuungsunterhalt geht?

Übrigens glaube ich nicht, daß es in der BGH-Entscheidung um im Schwerpunkt um Umgang geht. Der Vater hatte angeboten, teilweise die Betreuung zu übernehmen und das kann sich nunmal auf den Betreuungsunterhalt auswirken. Im Fall hatte er bereits ein Umgangsrecht und hat angeboten, es zu einer Betreuung auszuweiten, so daß die Mutter in größerem Umfang entlastet ist.

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Wo formuliert der BGH eine Pflicht zur generellen Inzidenzprüfung im Unterhaltsverfahren?

Nirgends (ich habe das auch nicht behauptet).

Unterhaltsverfahren laufen als Familienstreitsachen nach ZPO-Regeln. Es gilt also nicht der Amtsermittlungs-, sondern der Beibringungsgrundsatz. Das heisst, damit es zu einer Prüfung kommt, muss der Unterhaltspflichtige das Betreuungsangebot im Verfahren vortragen.

Dann und nur dann ist im Unterhaltsprozess die Umgangsfrage inzident zu prüfen.

Umgangsverfahren (=Kindschaftssache) laufen aber nicht nach ZPO-Regeln, bei ihnen gilt der Amtsermittlungsgrundsatz. Zwei gänzlich unterschiedliche Verfahrensarten werden damit verknüpft.

 

Das größte Problem ist m.E. das der Beweislast:

Grundsätzlich gibt es Betreuungsunterhalt nur in den ersten 3 Lebensjahren des Kindes. Wer eine Verlängerung will, muss kind- oder elternbezogene Gründe vortragen und beweisen.

Wenn nun der U-Pflichtige Betreuung anbietet, bleibt es dann bei dieser Beweislastverteilung oder kehrt sie sich um?

Dazu äußert sich der BGH - leider - nicht.

zu weiteren Ermittlungen hat er nicht geraten.

 

Hm?

Der BGH hat in der Sache nicht selbst entschieden, sondern aufgehoben und an das OLG zurückverwiesen.

Dort wird nun weiter vorzutragen und ggf. Beweis zu erheben sein.

die Passage über das Betreuungsangebot des Vaters und die Erwerbspflichten der Mutter beendet der BGH mit dem Satz:

 

Mangels hinreichend festgestellter individueller kind- oder elternbezogener Gründe kann das angefochtene Urteil, das von einer nur eingeschränkten Erwerbsobliegenheit im Umfang von 25 Wochenstunden ausgeht, keinen Bestand haben. Die Entscheidung ist aufzuheben und der Rechtsstreit ist zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das BerGer. zurückzuverweisen, damit es unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats eine neue Billigkeitsabwägung treffen kann.

Das sind die Feinheiten des Revisions-/Rechtsbeschwerderechts.

Nach Auffassung des BGH ist der Sachverhalt nicht genügend aufgeklärt, anderenfalls hätte er endgültig und abschließend selbst entscheiden können.

Das OLG muss der Mutter Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem Betreuungsangebot des Vaters geben (das OLG hat das nicht aureichend getan, da es seiner Meinung nach darauf nicht ankam).

Danach und ggf. nach Beweisaufnahme hat das OLG - wie bereits gesagt - unter Berücksichtigung der Auffassung des BGH und aller für und gegen die Unterhaltsverlängerung sprechenden Gründe   eine neue Billigkeitsgesamtabwägung vorzunehmen

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