BAG bestätigt Zulässigkeit einfacher Differenzierungsklauseln

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 17.08.2017
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht1|4776 Aufrufe

Differenzierungsklauseln in Tarifverträgen, die eine tarifliche Leistung Gewerkschaftsmitgliedern vorbehalten und eine einfache Bezugnahme auf den Tarifvertrag nicht ausreichen lassen, hatte das BAG lange Zeit für unzulässig gehalten. Sie verfolgten zwar ein legitimes Ziel, das aber mit einem illegitimen Mittel erreicht werde (BAG 29.11.1967 - GS 1/67,

AP GG Art. 9 Nr. 13). Davon war das Gericht aber schon vor einigen Jahren abgerückt: Solange die Entscheidungsfreiheit des Arbeitgebers nicht beeinträchtigt werde, durch gesonderte arbeitsvertragliche Vereinbarung mit den sog. „Außenseitern“ auch die an sich Gewerkschaftsmitgliedern vorbehaltene Leistung zu gewähren, seien einfache Differenzierungsklauseln nicht zu beanstanden (BAG 18.3.2009 - 4 AZR 64/08, NZA 2009, 1028; 23.3.2011 - 4 AZR 366/09, NZA 2011, 920). Sie bewirkten lediglich, dass die allgemeine Inbezugnahme des Tarifvertrages im Arbeitsvertrag nicht ausreiche, um dem Außenseiter den tariflichen Anspruch zu verschaffen. Der nicht gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer müsse vielmehr mit seinem Arbeitgeber eine gesonderte Vereinbarung treffen, damit ihm auch dieser – nach dem Tarifvertrag Gewerkschaftsmitgliedern vorbehaltene – Anspruch zustehe. Dadurch werde seine negative Koalitionsfreiheit nicht verletzt.

Diese Auffassung hat das Gericht jetzt in einer Vielzahl gleichgelagerter Fälle mit Urteilen vom 17.5.2017 bestätigt. Die Kläger sind nicht tarifgebunden. Sie beanspruchen Leistungen aus einem "Ergänzungstransfer- und Sozialtarifvertrag (ETS-TV)", den die IG Metall mit der Beklagten abgeschlossen hat. Die Beklagte beabsichtigte, einen ihrer Betriebe in München stillzulegen. Dies konnte durch Verhandlungen der Gewerkschaften und des Betriebsrats teilweise abgewendet werden. Abgeschlossen wurden neben einem Transfer- und Sozialtarifvertrag und einem Interessenausgleich mit dem Betriebsrat auch der ETS-TV, der zusätzliche Leistungen für Arbeitnehmer regelt, die an einem bestimmten Stichtag Gewerkschaftsmitglieder waren.

Die Klagen der Nicht-Gewerkschaftsmitglieder blieben beim BAG ohne Erfolg:

Die von den Tarifvertragsparteien vorgenommene Gruppenbildung zwischen Gewerkschaftsmitgliedern orientiert sich an einem Stichtag, der im Rahmen der vorliegenden Tarifverträge mit sozialplanähnlichen Inhalten wirksam ist. Die Regelung des ETS-TV verletzt weder die negative Koalitionsfreiheit noch verstößt sie gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (...).  Die differenzierende vertragliche Regelung in A 2.1. Abs. 2 DV verstößt im Übrigen weder gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz noch ist sie überraschend oder intransparent (...).

BAG, Urt. vom 17.5.2017 - 4 AZR 646/14, BeckRS 2017, 116713, und zahlreiche ähnliche Urteile vom gleichen Tage

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

1 Kommentar

Kommentare als Feed abonnieren

Gute Zusammenfassung wie ich finde.

Ob dies wohl auch in "die andere Richtung " so beurteilt werden würde und Nicht-Mitgleider in der Gewerkschaft, denjenigen mit einer Zugehörigkeit, durch eine Zuwendung differenziert behandelt werden würden?

MW

0

Kommentar hinzufügen