Regierungsentwurf zur Neuregelung der Betriebsratsvergütung – Begründung liegt vor

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 08.11.2023
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|1342 Aufrufe

Der Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes liegt nunmehr samt Begründung als Regierungsentwurf vor. Die Neuregelung ist bereits im Blog-Beitrag vom 6.11.2023 vorgestellt worden. In meinen Augen handelt es sich um eine behutsame Präzisierung, die die Rechtssicherheit befördern wird. Die dem Entwurf beigegebene Begründung wird für die Auslegung der ergänzten Vorschriften zur Betriebsratsvergütung eine wesentliche Rolle spielen. Daher sei sie hier im Wortlaut wiedergegeben:

„Die Mitglieder des Betriebsrats führen nach § 37 Absatz 1 BetrVG ihr Amt unentgeltlich als Ehrenamt. Das schon im Betriebsrätegesetz angelegte Ehrenamtsprinzip sichert die Unabhängigkeit der Mitglieder des Betriebsrats. Mitglieder des Betriebsrats sind von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts zu befreien, wenn und soweit dies zur ordnungsgemäßen Ausübung ihres Betriebsratsamtes erforderlich ist. Das Arbeitsentgelt ist während der Freistellung nach dem Lohnausfallprinzip fortzuzahlen.

Zur Wahrung der inneren und äußeren Unabhängigkeit der Mitglieder des Betriebsrats düren diese nach § 78 Satz 2 BetrVG wegen ihrer Betriebsratstätigkeit nicht begünstigt und nicht benachteiligt werden. Dies gilt auch für ihre berufliche Entwicklung einschließlich des sich daraus ergebenden Arbeitsentgelts.

Nach § 37 Absatz 4 Satz 1 BetrVG darf das Arbeitsentgelt von Mitgliedern des Betriebsrats einschließlich eines Zeitraums von einem Jahr nach Beendigung der Amtszeit nicht geringer bemessen werden als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. § 37 Absatz 4 Satz 1 BetrVG soll sicherstellen, dass Mitglieder des Betriebsrats weder in wirtschaftlicher noch in beruflicher Hinsicht gegenüber vergleichbaren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung Nachteile erleiden. Nach dem Zweck der Vorschrift, das Betriebsratsmitglied vor finanziellen Nachteilen wegen der Ausübung der Betriebsratstätigkeit zu schützen, kommt es darauf an, ob die Gehaltsentwicklung des Betriebsratsmitglieds während der Dauer seiner Betriebsratstätigkeit in Relation zu derjenigen vergleichbarer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zurückgeblieben ist. § 37 Absatz 4 BetrVG regelt einen Anspruch auf das Mindestentgelt, das ein Mitglied des Betriebsrats beanspruchen kann.

Bleibt sein Arbeitsentgelt hinter demjenigen zurück, das andere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei einer betriebsüblichen Entwicklung erzielen, besteht ein Anspruch auf Entgelterhöhung. Dieser Entgeltschutz verhindert Streitigkeiten darüber, ob das Betriebsratsamt ursächlich für diese betriebsunüblich geringe Entgeltentwicklung war.

§ 37 Absatz 4 BetrVG soll die Durchsetzung des Benachteiligungsverbots durch einfach nachzuweisende Anspruchsvoraussetzungen erleichtern. Die Vorschrift enthält aber keine abschließende Regelung über die Höhe des Arbeitsentgelts eines Amtsträgers. Daneben kann sich, wie in der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bestätigt, ein unmittelbarer Anspruch des Betriebsratsmitglieds auf eine bestimmte Vergütung aus § 611a Absatz 2 BGB i.V.m. § 78 Satz 2 BetrVG ergeben, wenn sich die Zahlung einer geringeren Vergütung als Benachteiligung wegen der Betriebsratstätigkeit darstellt (BAG, Urteil vom 20. Januar 2021 - 7 AZR 52/20, Rn. 23).

Bei der Anwendung der Vorschriften sind in der Praxis aufgrund des Urteils des Bundesgerichtshofs vom 10. Januar 2023 (6 StR 133/22) erhebliche Unsicherheiten entstanden. Obgleich sich der Bundesgerichtshof in seiner Urteilsbegründung auch auf das Bundesarbeitsgericht bezieht, wurden nicht alle Aspekte zur Bestimmung der Vergütung von Mitgliedern des Betriebsrats nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts deutlich. Infolge der dadurch entstandenen Rechtsunsicherheit haben mehrere Unternehmen präventiv die Vergütung von Betriebsratsmitgliedern gekürzt.

Aufgrund dessen soll in Klarstellung der aktuellen Rechtslage eine Fortschreibung des § 37 Absatz 4 als auch des § 78 Satz 2 BetrVG im Sinne des Ehrenamtsprinzips erfolgen. Durch eine präzisere Regelung soll das Risiko von Verstößen redlich handelnder Arbeitgeber und betriebsverfassungsrechtlicher Amtsträger gegen das betriebsverfassungsrechtliche Benachteiligungs- und Begünstigungsverbot reduziert werden. Neue oder zusätzliche Entgeltansprüche werden nicht geschaffen.

In § 37 Absatz 4 BetrVG soll klargestellt werden, dass zur Bestimmung der mit dem Betriebsratsmitglied vergleichbaren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf den Zeitpunkt der Übernahme des Betriebsratsamts abzustellen ist. Bei Vorliegen eines sachlichen Grundes kann eine Neubestimmung der Vergleichsgruppe vorgenommen werden. Betriebsparteien sollen im Einklang mit bestehender Rechtsprechung in einer Betriebsvereinbarung ein Verfahren zur Festlegung vergleichbarer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer regeln können. Die Konkretisierung der Vergleichbarkeit in der Betriebsvereinbarung soll künftig nur noch auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden können. Gleiches soll für eine anschließende Festlegung der konkreten Vergleichspersonen durch Arbeitgeber und Betriebsrat gelten, wenn sie in Textform festgehalten wird.

Des Weiteren sollen die Maßstäbe des Verbots der Begünstigung oder Benachteiligung von Betriebsratsmitgliedern (§ 78 BetrVG) dahingehend konkretisiert werden, dass eine Begünstigung oder Benachteiligung im Hinblick auf das gezahlte Arbeitsentgelt nicht vorliegt, wenn das Betriebsratsmitglied die für die Gewährung des Arbeitsentgelts erforderlichen Anforderungen und Kriterien erfüllt und die Festlegung nicht ermessensfehlerhaft erfolgt.“

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