OLG Dresden: Fahrverbot nach § 44 I 2 StGB nicht Denkzettel, sondern Strafe!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 30.11.2023
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|940 Aufrufe

Das Fahrverbot nach § 44 StGB war ja immer schon Nebenstrafe.  Bis vor einigen Jahren wurde gleichwohl davon ausgegangen, dass das Fahrverbot eine Denkzettelfuntion entfalten soll. Durch die Möglichkeit, ein Fahrverbot auch wegen allgemeiner Kriminalität festsetzen zu können, hat sich die Denkzettelfunktion jedenfalls bei Fahrverboten nach § 44 Abs. 1 S. 2 StGB verschoben. "Strafe ist das!", ruft etwa das OLG Dresden:

 

 

Der Revisionsführer beanstandet zu Unrecht, dass sich das Tatgericht mit den Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 S. 2 StGB nicht auseinandergesetzt habe. Die Revision unterliegt diesbezüglich einem Missverständnis dieser Vorschrift, die keinen Zeitfaktor enthält und nunmehr auch Nicht-Verkehrsstraftaten erfasst.

 Wie der Senat bereits ausgeführt hat (Beschl. v. 16.4.2021 – 2 OLG 22 Ss 195/21, juris), wurde der Anwendungsbereich des Fahrverbots nach § 44 StGB mit der Gesetzesnovellierung 2017 wesentlich erweitert (BT-Drs. 18/11272, 14 ff.). Seine bis dahin allgemein anerkannte, auf die Rspr. des BVerfG zum Fahrverbot nach § 25 StVG zurückgehende Bedeutung als Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme für Straftaten im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr (vgl. BVerfG Beschl. v. 16.7.1969 – 2 BvL 11/69, juris Rn. 15) hat an Gewicht verloren. Statt dessen wurde den Tatgerichten mit der Erweiterung des Anwendungsbereichs ein „ziel- genaueres“ (vgl. BT-Drs. aaO, 17) Mittel bereitgestellt, welches einerseits auch außerhalb von Verkehrsdelikten Anwendung finden kann und andererseits eine besser dosierte Gesamtsanktion aus Kombination und in Wechselwirkung mit der Hauptstrafe ermöglicht (BT-Drs. aaO).

 Im Lichte des Zwecks dieser Novellierung ist die Gesetzesformulierung „zur Einwirkung auf den Täter erforderlich“ (§ 44 Abs. 1 S. 2 StGB) daher nicht iSd Denkzettelfunktion auszulegen (“noch“ erforderlich), sondern – korrespondierend mit der gesetzgeberischen Betonung der Pönalisierungsfunktion – als eine auf die Angemessenheit des Gesamtübels bezogenen Strafzumessungsrichtlinie. Die Rechtsfolge, bestehend aus Haupt- und/oder Nebenstrafe, soll im Verhältnis zum begangenen Unrecht gerechter Schuldausgleich sein. Die Nebenstrafe ist deshalb – losgelöst von einem präventiven Aspekt – „zur Einwirkung auf den Täter erforderlich“, wenn die Hauptstrafe allein nicht als gerechter Schuldausgleich ausreicht.

 Der Senat vermag aus den genannten Gründen auch nicht den Überlegungen von Staudinger (jurisPR-StrafR 14/2021 Anm. 5 zum Senatsbeschl. v. 16.4.2021 (aaO) zu folgen, der mit Blick auf die sich zum Fahrverbot nach § 25 StVG verhaltende Entscheidung des BVerfG (aaO) das Fahrverbot nicht als Kriminalstrafe verstanden wissen will. Seine Bezugnahme auf diese zum Ordnungswidrigkeitenrecht ergangene Rspr. erscheint angesichts der amtlichen Begründung zur Gesetzesnovellierung 2017 (BT-Drs. 18/11272, 14 ff.) für eine Qualifizierung der hiervon zu unterscheidenden Kriminalsanktion nach StGB nicht überzeugend. Vielmehr wurde gerade die Pönalisierungsfunktion (vgl. OLG Hamm Beschl. v. 3.6.2004 – 2 Ss 112/04, (juris Rn. 14) mit Verweis auf BT-Drs. IV/651, 12) dieser „echten“ (Neben-)Strafe stärker betont (BT-Drs. aaO, 17).

 Gemessen hieran werden die Urteilsgründe den an sie zu stellenden Anforderungen gerecht. Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache allein des Tatgerichts, dessen Aufgabe es ist, aufgrund der HV die wesentlichen belastenden und entlastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und gegeneinander abzuwägen. Sie lässt vorliegend noch hinreichend erkennen, dass sich die Kammer der untrennbaren Wechselwirkung zwischen Haupt- und Nebenstrafe bewusst war, zumal sie „mit Blick auf die Höhe“ der wegen § 331 StPO begrenzten Geldstrafe ein zusätzliches Fahrverbot – ebenso wie bereits die Vorinstanzen – für erforderlich erachtet hat.

OLG Dresden NStZ 2023, 43

 

Ich glaube, da greift das OLG Dresden zu kurz. Der Gesetzgeber hatte das Fahrverbot auch als Art "Verhandlungsmasse" angesehen, wenn etwa gerade dadurch andere schwerere Folgen (insbesondere vollstreckbare Freiheitsstrafen) teil-kompensiert werden können...

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