Schön viel THC beim AG Frankenthal! - zur Medikamentenklausel in § 24a StVG

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 04.12.2023
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|949 Aufrufe

Das OLG Zweibrücken hatte sich mit der Rechtsbeschwerde der StA zu befassen, gerichtet gegen einen Freispruch des AG Frankenthal. Der Betroffene war "bekifft" gefahren - gekifft im wirklichen Sinne hatte er aber nicht. Vielmehr war ihm THC ärztlich verschrieben worden. Nach der Einnahme war er mit seinem Kfz gefahren. Das OLG Zweibrücken hat richtigerweise am Freispruch des AG festgehalten:

 

1. Die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Frankenthal (Pfalz) gegen das Urteil des Amtsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 16.09.2022 wird als unbegründet verworfen.

 2. Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens und die dem Betroffenen insoweit entstandenen notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen.

 Gründe:

 Die Zentrale Bußgeldstelle in Speyer hat gegen den Betroffenen am 10.09.2021 einen Bußgeldbescheid wegen vorsätzlichen Führens eines Kraftfahrzeugs unter der Wirkung des berauschenden Mittels Cannabis erlassen und darin eine Geldbuße von 1.000,00 EUR festgesetzt sowie ein Fahrverbot von einem Monat angeordnet. Das Amtsgericht Ludwigshafen am Rhein hat den Betroffenen auf dessen rechtzeitig erhobenen Einspruch gegen den Bußgeldbescheid mit Urteil vom 16.09.2022 freigesprochen.

 Mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Rechtsbeschwerde vom 30.09.2022 erstrebt die Staatsanwaltschaft Frankenthal die Verurteilung des Betroffenen aufgrund einer fahrlässigen Begehungsweise der Tat.

 Die Einzelrichterin hat die Sache mit Beschluss vom heutigen Tag an den Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.

 Das gem. § 79 Abs. 1 Nr. 3 OWiG statthafte und auch sonst zulässige Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft erweist sich auf die Sachrüge hin als unbegründet.

 I.

 Nach den Feststellungen des Amtsgerichts befuhr der Betroffene am 30.03.2021 um 17:20 Uhr die Friesenheimer Straße in Ludwigshafen mit dem Kraftfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen … Circa 3 Stunden vor der Fahrt hatte der Betroffene Cannabis konsumiert, welches ihm aufgrund einer depressiven Störung, einer posttraumatischen Belastungsstörung und einer Schlafstörung durch Attest des Arztes Dr. med. … vom 09.03.2021 verschrieben worden ist. Die Untersuchung der am 30.03.2021 um 18:00 Uhr entnommenen Blutprobe ergab einen Wert von 27 ng/mL THC. Nach dem Attest ist es dem Betroffenen gestattet, bis zu einem Gramm Cannabis pro Tag zu konsumieren. Die Reaktionsfähigkeit und Fahrtüchtigkeit ist laut dem Attest bei stabiler Dosierung nicht eingeschränkt. Der Betroffene ist darüber aufgeklärt worden, dass zwischen Konsum des Cannabis und dem Fahren eines Fahrzeuges circa 3 Stunden vergehen müssen.

 II.

 Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Rechtsbeschwerde hat keinen Rechtsfehler ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG).

 1. Die Feststellungen in den Urteilsgründen tragen den Freispruch des Betroffenen und sind insbesondere nicht lückenhaft.

 a) Die Beweiswürdigung ist dem Tatgericht vorbehalten (§ 261 StPO). Spricht das Tatgericht einen Betroffenen frei, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies vom Rechtsbeschwerdegericht grundsätzlich hinzunehmen, da die Beweiswürdigung Sache des Tatgerichts ist. Der Beurteilung durch das Rechtsbeschwerdegericht unterliegt nur, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, wenn sie gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder das Gericht überspannte Anforderungen an die Überzeugungsbildung gestellt hat (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 12.02.2015 – 4 StR 420/14, NStZ-RR 2015, 148 m.w.N.). Dabei hat das Rechtsbeschwerdegericht die tatrichterliche Überzeugungsbildung selbst dann hinzunehmen, wenn eine andere Beurteilung näher gelegen hätte oder überzeugender gewesen wäre (BGH, Urteil vom 24.03.2015 – 5 StR 521/14, NStZ-RR 2015, 178, 179).

 b) Daran gemessen ist die Beweiswürdigung nicht zu beanstanden. Das Amtsgericht hat die be- und entlastenden Umstände in seine Würdigung eingestellt und sich insbesondere mit dem wechselnden Einlassungsverhalten des Betroffenen, dem ärztlich verordneten Cannabis und einer möglichen Überdosierung, auch unter Zugrundelegung des Sachverständigengutachtens, auseinandergesetzt. Die Schlussfolgerungen und Wertungen des Amtsgerichts lassen keine Rechtsfehler erkennen und halten sich im tatgerichtlichen Beurteilungsspielraum.

 2. Das Amtsgericht musste sich, nach Anwendung der Medikamentenklausel aus § 24a Abs. 2 Satz 3 StVG, insbesondere nicht mehr mit einer fahrlässigen Begehungsweise der Tat auseinandersetzen. Hiernach gilt die Vorschrift des § 24 a Abs. 2 S. 1 StVG nicht, wenn das berauschende Mittel aus der bestimmungsgemäßen Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenen Arzneimittels herrührt, wobei die Einnahme des Arzneimittels auf einer ärztlichen Verordnung beruhen muss und das Arzneimittel nicht missbräuchlich oder überdosiert verwendet worden sein darf. Dies schließt auch die fahrlässige Tatbestandsverwirklichung aus (OLG Bamberg, Beschluss vom 02.01.2019 – 2 Ss OWi 1607/18, juris, Rn. 7). Dass das Cannabis hier gemäß ärztlicher Anweisung eingenommen und hiernach auch die vom Arzt angeordnete Wartezeit eingehalten wurde, hatte das Amtsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt. Aufgrund dessen war das Verhalten des Betroffenen nicht ordnungswidrig.

OLG Zweibrücken Beschl. v. 22.8.2023 – 1 ORbs 2 SsBs 22/23, BeckRS 2023, 26346

 

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