Schadenersatz nach Folterdrohung - auch für einen Mörder?
Gespeichert von Prof. Dr. Henning Ernst Müller am
Die gestrige Entscheidung des LG Frankfurt a. M. (Zivilkammer) hat in der Öffentlichkeit für Empörung gesorgt und auch auf vielen Lawblogs wird schon diskutiert (z.B. hier und hier). Das "mulmige" Gefühl bei dieser Entscheidung hängt v. a. damit zusammen, dass hier ein Mensch, der ein Kind entführt und getötet hast, zusätzlich Schamgrenzen überschreitet, indem er sich als Opfer stilisiert und sich auch noch öffentlich dafür auf die Schulter klopft, er sorge mit seinen Klagen für die Anerkennung der Menschenrechte in Deutschland. Ein schwer erträgliches Maß an Selbstgerechtigkeit tritt hier zutage.
Dafür ist aber nicht das Gericht verantwortlich. Es hat gesetzmäßig entschieden und auch deutlich gemacht, dass bei der Entschädigung die angeblichen Traumata des Klägers aufgrund der Folterdrohung keine Rolle spielten. Ein Schmerzensgeld für ein angeblich durch die Folterandrohung erlittenes psychisches Trauma wurde ihm ausdrücklich nicht zuerkannt. Dem Kläger wurden auch vier Fünftel der Kosten auferlegt, so dass er von den 3000 Euro auch kaum etwas hat. Man kann natürlich noch darüber streiten, ob er wirklich eine "Entschädigung" verdient hat, und dabei das Verhältnis zu dem von ihm angerichteten Schaden in Rechnung stellen (so etwa Prantl in der SZ). "Ein Euro" Schadenersatz hätte als Symbol genügt - so Franz Salditt in einer Äußerung, die auf Spiegel Online zitiert wird.
Gleich wie, man muss bei der Bewertung den Hintergrund mitberücksichtigen, den die große Kammer des EGMR (Urteil vom 01.06.2010) in ihrer ebenfalls umstrittenen Entscheidung bereitet hat: Der EGMR hatte zwar die Einstufung als "Folter" abgelehnt, jedoch eine "unmenschliche Behandlung" nach Art. 3 EMRK bejaht. Deutschland habe in der Reaktion auf diesen Fall unmenschlicher Behandlung noch nicht hinreichend klar gestellt, dass eine Verletzung gegen ein unveräußerliches Recht des Klägers vorliege. Insbesondere wurde in der Entscheidung angemahnt, dass über den Schadenersatzanspruch bis dahin keine Entscheidung gefällt worden sei - v.a. deshalb dürfe sich der Kläger noch als "Opfer einer Menschenrechtsverletzung" sehen ("may still claim to be a victim of a violation of Art. 3 of the Convention").
In anderer Beziehung hatte der EGMR dem Kläger nicht Recht gegeben: Ein Verstoß gegen die Fair-Trial-Maxime (Art. 6 EMRK) liege nicht vor, da das Landgericht in seinem Urteil die aufgrund der unmenschlichen Behandlung gefundenen Sachbeweise nicht zum Tatnachweis sondern nur zur Überprüfung des Geständnisses verwertet habe. Diese Wertung des EGMR ist zutreffend auf Kritik gestoßen (vgl. Weigend, StV 2011, 325 (329).