Freispruch für Christian Wulff – Welche Lehren sind aus strafrechtlicher Sicht zu ziehen?
Gespeichert von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg am
Mit dem heutigen Freispruch für Christian Wulff liegt noch kein rechtskräftiger Abschluss dieses Strafverfahrens vor. Gleichwohl stellt sich spätestens jetzt die Frage, welche strafrechtlichen Lehren aus diesem Verfahren zu ziehen sind.
Ein Anfangsverdacht für die Einleitung des Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft Hannover lag aus meiner Sicht vor, zumal sich durch das Krisenmanagement von Herrn Wulff nicht Fragen erledigten sondern sich immer neue Fragen auftaten (Stichwort: das Fernsehinterview als vermeintlicher Befreiungsschlag). Die Durchsuchungen waren geboten und ermittlungsrichterlich angeordnet.
Ein großes Fragezeichen sehe ich, dass nach den durchgeführten Ermittlungen von der Staatsanwaltschaft ein hinreichender Tatverdacht (= Wahrscheinlichkeit späterer Verurteilung) bejaht und vom Gericht mit dem Eröffnungsbeschluss bestätigt wurde. Dem Eröffnungsverfahren (Zwischenverfahren) kommt eine „Filterfunktion“ i.S. von aus dem Verfahren „ausfiltern“ in der Weise zu, dass ein unabhängiges Gericht den von der weisungsgebundenen Staatsanwaltschaft bejahten hinreichenden Tatverdacht anhand der Aktenlage überprüft und nur dann das Hauptverfahren eröffnen darf, wenn es ebenfalls den hinreichenden Tatverdacht für gegeben erachtet. Selbstverständlich besteht da ein Beurteilungsspielraum. Dieser ist jedoch verantwortungsvoll zu handhaben.
Im Zusammenhang mit jedem Freispruch stellt sich die Frage, was war im Zeitpunkt des Eröffnungsbeschlusses schon bekannt und welche Fakten kamen im Nachhinein neu hinzu. Sollten die Gründe, die jetzt zum Freispruch geführt haben, bereits im Zeitpunkt der Eröffnungsentscheidung bekannt gewesen sein, dann wäre das Gericht seiner Aufgabe nicht gerecht geworden. Über so manche Einzelheiten berichtete bereits der SPIEGEL in Heft 2014/6.
Eines zeigt der heutige Freispruch jedenfalls, wie leicht im Rahmen des Korruptionsstrafrechts die Gefahr besteht, über das Ziel hinauszuschießen.