In der Afghanistan-Affäre werden immer neue Details bekannt: Targeting?
Gespeichert von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg am
Bereits gestern meldete die Süddeutsche Zeitung, der Luftschlag bei Kundus habe - anders als bisher behauptet - nicht auf zwei Tanklastzüge, sondern auf eine große Gruppe von Taliban und ihre Anführer gezielt.
Das deckt sich jedenfalls mit SPIEGEL-Informationen Nr. 49/2009 S. 31, wonach für die deutschen Soldaten in Afghanistan das gezielte Töten mittlerweile den Schwerpunkt der operativen Rechtsberatung bilde; es fehle jedoch an einer klaren Weisung seitens der Politik, ob und inwieweit sich Deutschland an Targeting-Einsätzen beteiligen kann.
Die Völkerrechtler sehen im Liquidieren mutmaßlicher Top-Terroristen das zentrale Problem sog. asymmetrischer Kriege. Geht es dabei aber noch um Krieg oder "nur" um Verbrecherjagd, bei der die üblichen strafrechtlichen Standards (das Tötungsverbot ist nur durch Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe eingeschränkt) gelten? Es geht wohl um eine Form der Verbrecherjagd, aber eben doch um eine besondere Form der Verbrecherjagd wie der Krieg in Afghanistan zeigt. Deshalb diskutieren die Völkerrechtler auch, ob es zwischen dem Recht bei bewaffneten Konflikten und dem staatlichen Strafverfolgungsrecht eine dritte Spur geben könnte. Wie dieses Recht aussehen könnte, diskutierte man schon vor Jahren in Israel (Quelle SPIEGEL a.a.O. S. 34):
- Nur direkt in den Terror verwickelte Personen dürfen ins Visier genommen werden.
- Einsatz nur in Gebieten, wo der Staat keine direkte Kontrolle ausübt.
- Es darf keine Möglichkeit geben, die in den Terror verwickelten Personen festzunehmen.
- Die Operation muss dem Gebot der Verhältnismäßigkeit folgen, die Gefahr von Kollateralschäden muss auf ein Minimum reduziert werden.
- Die Regierung selbst muss den Tötungsbefehl geben.
Sollte der von der SZ zitierte Isaf-Bericht zutreffen, wäre jetzt eine völlig neue Debatte zu führen. Von einer vorbehaltlosen Information des Parlaments wie der Öffentlichkeit über die Vorfälle im Kundus kann jedenfalls bislang keine Rede sein.