BVerfG: BAG-Rechtsprechung zum Anschlussverbot bei sachgrundloser Befristung verfassungswidrig
Gespeichert von Prof. Dr. Christian Rolfs am
Nur einen Tag nach dem Urteil zum Streikverbot für Beamte veröffentlicht das BVerfG heute seinen lange erwarteten Beschluss zur sachgrundlosen Befristung: Die Auslegung des BAG, das Anschlussverbot (§ 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG) stehe einer erneuten Befristung des Arbeitsverhältnisses nur dann entgegen, wenn zwischen beiden Vertragsverhältnissen weniger als drei Jahre liegen (BAG, Urt. vom 6.4.2011 – 7 AZR 716/09, NZA 2011, 905; Urt. vom 21.9.2011 – 7 AZR 375/10, NZA 2012, 255), ist mit dem Grundgesetz nicht zu vereinbaren. Richterliche Rechtsfortbildung dürfe den klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers nicht übergehen und durch ein eigenes Regelungsmodell ersetzen. Hier habe sich der Gesetzgeber klar erkennbar gegen eine solche Frist entschieden.
Keine starre Drei-Jahres-Frist, aber verfassungskonforme Reduktion des "jemals-zuvor"-Anschlussverbots
Allerdings hat das BVerfG zugleich eine verfassungskonforme Auslegung des Anschlussverbots angemahnt: Ein generelles Verbot der sachgrundlosen Befristung bei nochmaliger Einstellung bei demselben Arbeitgeber sei unverhältnismäßig, wenn und soweit eine Gefahr der Kettenbefristung in Ausnutzung der strukturellen Unterlegenheit der Beschäftigten nicht besteht und das Verbot der sachgrundlosen Befristung nicht erforderlich ist, um das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform zu erhalten. Dies könne insbesondere der Fall sein, wenn eine Vorbeschäftigung sehr lang zurückliegt, ganz anders geartet war oder von sehr kurzer Dauer gewesen ist. Dies könne etwa bestimmte geringfügige Nebenbeschäftigungen während der Schul- und Studienzeit oder der Familienzeit, die Tätigkeit von Werkstudierenden oder die lang zurückliegende Beschäftigung von Menschen, die sich später beruflich völlig neu orientieren, betreffen. Die Fachgerichte könnten und müssten in solchen Fällen den Anwendungsbereich von § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG einschränken.
Vor diesem Hintergrund erweist sich die Ausgangsentscheidung des BAG (NZA 2011, 905), die nicht Gegenstand des verfassungsgerichtlichen Verfahrens war, im Ergebnis wohl als zutreffend. Denn dort bestand die "Vorbeschäftigung" der Klägerin in einer Tätigkeit als studentische Hilfskraft an einer Universität während des Studiums, ihre spätere sachgrundlos befristete Einstellung erfolgte nach Abschluss des Studiums als Lehrerin.
BVerfG, Beschluss vom 6.6.2018 - 1 BvL 7/14 u.a., Pressemitteilung hier; vollständiger Beschluss hier auf den Seiten des BVerfG