Kreditinstitute: Welche Spareinlagen zählen für die Verschuldungsquote?
Gespeichert von Prof. Dr. Claus Koss am
Kleine Bilanzkunde für Sparer: wenn auf dem Kontoauszug ein "H" für "Haben" steht, ist das aus Sicht des Sparers ein 'Gut-haben', aus Sicht des Kreditinstituts eine Verbindlichkeit. Denn diese Spareinlage muss das Kreditinstitut irgendwann einmal zurückzahlen.
Aus dem Verhältnis von Eigenkapital zu Fremdkapital (im Wesentlichen die gerade genannten Verbindlichkeiten) ergibt sich die Verschuldungsquote (leverage ratio). Für diese Kennzahl gibt es im Rahmen der Bankenaufsicht Vorgaben.
Um zu einer günstigeren Verschuldungsquote zu kommen, stellten sechs französische Kreditinstitute, die der Direktaufsicht durch die EZB unterliegen, stellten bei dieser den Antrag, bei der Berechnung der Verschuldungsquote die Risikopositionen (Verbindlichkeiten) aus bestimmten Einlagekonten unberücksichtigt lassen zu dürfen. Bei den Sparbüchern "livret A" [Sparbuch A], "livret de développement durable et solidaire" [LDD] [Sparbuch für nachhaltige und solidarische Entwicklung] und "livret d'épargne populaire" [LEP] [Volkssparbuch], die sie auf die Caisse des dépôts et consignations (CDC) (Kasse für Einlagen und Hinterlegungen), eine französische Anstalt des öffentlichen Rechts, übertragen hatten, handele es um nicht zu berücksichtigende Risikopositionen. Dem stimmte die EZB nicht zu. Nach Auffassung der Bankaufsicht erfüllten auch diese Verbindlichkeiten nicht die Voraussetzungen der einschlägigen EU-Verordnungen: a) Sie bestehen gegenüber einer öffentlichen Stelle , b) würden in Übereinstimmung mit den Aufsichtsanforderungen an Risikopositionen gegenüber öffentlichen Stellen behandelt werden und c) stammten aus Einlagen, zu deren Übertragung an die unter Punkt a erwähnte öffentliche Stelle das Institut rechtlich verpflichtet ist, um Investitionen im allgemeinen Interesse zu finanzieren.
Den ablehnenden Bescheid erklärte der EuGH für nichtig (EuGH, Urteile vom 13.07.2018 - T-733/16 Banque Postale/EZB, T-745/16 BPCE/EZB, T-751/16 Confédération nationale du Crédit mutuel/EZB, T-757/16 Société générale/EZB, T-758/16 Crédit agricole/EZB und T-768/16 BNP Paribas/EZB; nicht rechtskräftig). Zwar habe die EZB einen Ermessenspielraum im Rahmen der Kennzahlenermittlung. Bei der Ermittlung der Verschuldungsquote müsse jedoch den Grundgedanken dieser Kennzahl als Messgröße für das Gesamtrisiko eines Kreditinstituts und dem schwachen Risikoprofil bestimmter Positionen berücksichtigen.
In dem ablehnenden Bescheid habe die EZB ihren Ermessensspielraum rechtsfehlerhaft ausgeübt, in dem sie diese Risikopositionen pauschal als risikobehaftet angesehen hatte.
Diese Entscheidung könnte auch Auswirkungen auf die Berechnung der Verschuldungsquote bei deutschen Kreditinstituten, insbesondere Sparkassen und Förderbanken haben. Denn diese könnten vergleichbare Risikopositionen in ihren Bilanzen haben