Feindstrafrecht in den USA - Obama gibt auf

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 05.04.2011

Schon vor knapp zwei Jahren war dies absehbar (Blog-Eintrag vom Mai 2009). Nun ist es wohl offenkundig geworden: Obama wird das erste und deutlichste Versprechen, das er nach seiner Wahl abgegeben hat - nicht erfüllen können. Guantanamo bleibt auf unbestimmte Zeit erhalten und nun werden auch die wichtigsten Strafprozesse wegen der Anschläge am 11.9.2001 nicht vor ordentlichen Gerichten in New York City stattfinden, sondern vor einem Militärtribunal in Guantanamo. Es ist dies eine deutliche Niederlage Obamas, aber vor allem seines Justizministers Eric Holder, der sich ganz besonders dafür eingesetzt hatte ("defining event of my time as attorney general" - Quelle) , ein ganz normales Strafverfahren gegen die Tatverdächtigen des Terroranschlags durchzuführen, aber sich gegen den Kongress nicht durchsetzen konnte. Der als "Mastermind" der Anschläge bezeichnete Khalid Scheich Mohammed soll von einem Militärtribunal, also in der Begrifflichkeit der deutschen Strafrechtsdebatte "feindstrafrechtlich" abgeurteilt werden. Zwar sind die Militärtribunale gegenüber der Bush-Planung etwas entschärft worden, d.h. die dort Angeklagten haben einige Verfahrensrechte zugestanden bekommen. Doch zu Recht befürchten viele von Obamas und Holders  (früheren) Weggefährten aus der Bush-Opposition eine negative Außenwirkung: Der Plan Obamas, den Rechtsstaat USA  nach der fatalen Folter-Regierung Bushs zu reetablieren, bleibt auf der Strecke (vgl. Artikel in The Atlantic und Reaktion der ACLU, einer Bürgerrechtsorganisation). Viele weitere Gefangene - derzeit sitzen in Guantanmo noch 172 Gefangene ein (Quelle)  - werden auf unbestimmte Zeit in Guantanamo inhaftiert bleiben, ohne Urteil, allein aufgrund vermuteter "Gefährlichkeit".

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4 Kommentare

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Vielen Dank für die Meldung. Anzumerken ist, dass sich seit Dezember der von den Republikanern dominierte US-Kongress nach Kräften gegen Strafprozesse auf dem US-Festland gewehrt hat. Auch wenn das alleine vielleicht nicht der ausschlaggebende Rechtsgrund ist, erklärt dies die verfahrene Situation zumindest etwas.

Siehe u.a. 

http://www.npr.org/templates/story/story.php?storyId=135132672 

Lieber Herr Spies,

soweit ich die Debatte in den USA (im Internet) verfolgt habe, wird zwar  der Widerstand des republikanisch dominierten Kongresses (und auch einem Teil der demokratischen Partei"freunde" in NYC) als maßgebliche Grundlage für diese Entscheidung angegeben, aber Kritiker halten der Regierung auch vor, sie sei nicht standhaft geblieben, Obama sei zu früh zurückgerudert. Dass dem US-Präsidenten die Sache einfach nicht mehr wichtig genug ist, um dafür etwas zu riskieren, ist auch mein Eindruck. Schließlich ist es auch nicht das amerikanische Ansehen in der Welt, mit dem Stimmen gewonnen werden können.

Da es aber dann gar keinen realistischen Exit-Plan für Guantanamo mehr gibt, muss man wohl damit rechnen, dass einige Dutzend der dort Inhaftierten praktisch lebenslang ohne Urteil eingesperrt bleiben. Sieben der Gefangenen sind ja bereits gestorben.

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

Das Ganze hätte sich Obama ja sparen können, indem er sein Versprechen wahrgemacht hätte, die Gefangenen im ersten Jahr bereits mit der alsbaldigen Auflösung des Lagers vor die zivilen Strafgerichte zu bringen.

 

Es ist schon sehr befremdlich, wenn man dazu die lange Liste der anderen Versprechen sich anschaut. Eigentlich hat Obama überhaupt nichts geschafft. Die große Gesundheitsreform ist jämmerlich krepiert wegen des Haushalts, die USA hat inzwischen ihre Truppenstärke in Auslandseinsätzen vergrößert und ein Ende ist immer noch nicht absehbar. Hinzu kommt noch der Einsatz in Libyen. Wirtschaftlich haben sich die USA auch noch nicht erholt, es gibt weiterhin keine weltweiten Anstrengungen für die Kontrolle des Finanzmarkts, usw. usw.

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Für einen Überblick über Obamas Wahlversprechen und den Stand der Umsetzung empfehle ich PolitFact Obameter. Derzeitiger Stand von ca. 500 Wahlversprechen wurden 134 gehalten, 41 gebrochen, andere endeten im Kompromiss oder es wird noch dran gearbeitet. Das sagt natürlich nichts über die jeweilige Wichtigkeit aus.  Für uns dürften auch die innenpolitischen Versprechen weniger interessant sein. Und: Wird Obama (nicht) wiedergewählt, dürfte es kaum an Guantanamo liegen.

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