Schweigen ist nicht immer Gold

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 25.08.2011

 

Ein Ehepaar trennt sich. Die Kinder bleiben in der Obhut des Vaters.

Der Vater verlangt von der barunterhaltspflichtigen Mutter zunächst außergerichtlich Auskunft über ihre Einkünfte.

Die Mutter schweigt.

Der Vater beantragt Verfahrenskostenhilfe für einen Stufenantrag gegen die Mutter. Das Gericht leitet den Antrag der Mutter formlos gemäß § 118 I 1 ZPO zur Stellungnahme zu.

Die Mutter schweigt.

Das Gericht bewilligt dem Vater VKH und stellt den Stufenantrag zu.

Jetzt meldet sich die Mutter, beantragt ihrerseits VKH und beruft sich (wohl berechtigt) auf Leistungsunfähigkeit.

Das OLG Celle hat den VKH-Antrag der Mutter wegen Mutwilligkeit abgelehnt.

Einer Bewilligung von VKH steht der Gesichtspunkt der Mutwilligkeit entgegen, wenn dem Rechtssuchenden eine einfachere und billigere Möglichkeit der Geltendmachung offensteht, die auch ein selbst für die Rechtsverfolgungs- bzw. verteidigungskosten aufkommender Beteiligter vernünftigerweise wählen würde.

Es ist schlichtweg selbstverständlich, dass sich eine in beliebig rechtserheblicher Weise in Anspruch genommene Person dem - soweit dies aus ihrer Sicht zu Unrecht erfolgt - entgegenstellt und - je nach den persönlichen Fähigkeiten mehr oder wenig substantiiert und qualifiziert - den für unberechtigt gehaltenen Anspruch zurückweist. Dies gilt auch und erst recht für eine Inanspruchnahme, für die ein Anspruchsteller erst um Prozess bzw. Verfahrenskostenhilfe nachsucht, so dass der in Anspruch Genommene vorab durch das ersichtlich als neutrale Instanz tätig werdende Gericht ausdrücklich zu einer entsprechenden Stellungnahme zur Verteidigung aufgefordert wird.

In einer solchen Situation bedarf es daher einer besonderen Rechtfertigung, wenn der in Anspruch Genommene von der ihm ausdrücklich nahegelegten Möglichkeit der Stellungnahme nicht zumindest in einer solchen Weise Gebrauch macht, wie dies ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten ohne weiteres und ohne Auslösung wesentlicher Kosten - namentlich etwa für die erstmalige Einschaltung eines Rechtsanwaltes - möglich und zumutbar ist. auch ein selbstzahlender Betroffener würde vernünftigerweise bereits in diesem Frühstadium entsprechend tätig werden, schon um das mit einer eigentlichen gerichtlichen Inanspruchnahme unabhängig vom Ausgang des Verfahrens stets verbundene Kostenrisiko zu vermeiden. Unterlässt der in Anspruch Genommene dagegen ohne triftigen Grund die ihm in diesem Sinne obliegende Stellungnahme, so stellt sich eine erst nach dadurch verursachter Rechtshängigkeit des Verfahrens erfolgende Geltendmachung der entsprechenden Einwendungen als verfahrenskostenrechtlich mutwillig dar. Demgegenüber erweist sich auch der Hinweis auf ein anfänglich noch fehlendes Prozessrechtsverhältnis als unerheblich - einer Beurteilung als mutwillig steht gerade nicht entgegen, dass ein entsprechendes Verhalten prozess- bzw. verfahrensrechtlich zulässig wäre.

OLG Celle vom 12.08.2011 - 10 WF 299/10

PS: Die Mutter wird - auch wenn sie in der Hauptsache gewinnen sollte - die Kosten des Verfahrens tragen müssen (§ 243 S. 2 Nr. FamFG)

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4 Kommentare

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Und was macht es für einen Sinn, einer nicht zahlungsfähigen Mutter die Verfahrenskosten aufzuerlegen, die sie nicht wird bezahlen können??? Doch wohl keinen. Stattdessen wird mal wieder gemahnt werden, die Beitreibung in die Wege geleitet, gepfändet, Konto blockiert usw. usf. Mit einem solchen Pyrrhusurteil macht sich die Justiz einfach nur lächerlich. Aber die deutsche Justiz zeigt mal wieder der Welt, was alles "Recht" sein kann....

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Leider ist im Gegensatz zur Überschrift eine Bezugnahme oder gar Auseinandersetzung mit dem Beitrag in Mayers blog "Schweigen ist Gold ..." -http://blog.beck.de/trackback/39003- und dem darin berichteten Beschluß des OLG Köln nicht enthalten. Diese Entscheidung ist mit tragenden Gründen überzeugend.

Das OLG Celle ruft hier ausdrücklich dazu auf, im VKH-Prüfungsverfahren sich zu äußern, aber nicht anwaltlicher Hilfe zu bedienen, und wer das nicht kann, der bekommt auch später keine VKH, denn danach ist es mutwillig, sich ohne Anwalt nicht zu äußern.

@Burschel: Daß sie später die Kosten auferlegt bekommen kann, liegt wohl nicht an dieser Problematik, denn die Grundsätze der §§ 234, 235 FamFG sind nicht die des VKH-Prüfungsverfahrens. (siehe OLG Köln) Ihr PS erscheint in diesem Zusammenhang. Vielmehr könnte hier § 243 Nr. 2 FamFG greifen, weil sie -wie zitiert- auf vorgerichtliche Aufforderung bereits nicht reagiert hatte.

Ihr entgegenstehender Einwand, der Ast habe von vornherein von ihrer Mittellosigkeit gewußt, wird mangels VKH nun nicht mehr geprüft werden können, es sei denn, die Mittellose prozessiere auf eigene Kosten.

Ist es das, was diese Rechtsprechung erreichen will?

Bezeichnend übrigens, daß sich Celle mit der Kölner Entscheidung nicht auseinandersetzt und wie unterschiedlich Fischer in MDR 06, 661 ff für die jeweils gegenteilige Ansicht zitiert wird. Seine Schlußfolgerung, eine rechtliche Pflicht zur Äußerung sei nicht zu begründen, blendet Celle gekonnt aus.

Den Beitrag von Herrn Mayer zur Entscheidung des OLG Köln kannte ich nicht. Danke für den Hinweis.

Ich behaupte nicht, dass die Entscheidung aus Celle richtig ist.

Man sieht, dass es zu der Frage mehrere Auffassungen gibt. Das muss der Anwalt bei seiner Entscheidung, sich im VKH-Verfahren zu äußern (oder auch nicht) berücksichtigen.

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