Fahrerlaubnisentziehung bei Jugendlichen: Genauso wie beim Erwachsenen! Genau!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 15.11.2011

"Jugendliche werden bei der Fahrerlaubnisentziehung nicht anders behandelt, als Erwachsene", so in etwa lautet das Resümee der nachfolgend dargestellten Entscheidung des OLG Nürnberg. Wäre ja auch noch schöner, wenn das gesetzliche Kriterium der Ungeeignetheit gegen den Erziehungsgedanken ausgetauscht würde. Wer ungeeignet ist, der soll halt auch nicht fahren, oder?

 

"I.
Das Amtsgericht – Jugendgericht – Amberg hat den Angeklagten am 22.3.2011 wegen Bedrohung in Tatmehrheit mit vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs, rechtlich zusammentreffend mit Nötigung verurteilt und ihm die Auflage erteilt, 600,00 € an das E… B… A… zu zahlen. Zudem hat es dem Angeklagten die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und eine Sperrfrist von sechs Monaten festgesetzt.

Mit seiner (Sprung-) Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts.

 Die Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg beantragt die Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Amberg.

II.
Die (Sprung-) Revision des Angeklagten ist zulässig (§§ 333, 335, 341 Abs. 1, 344 Abs. 1, 345 StPO, § 55 i.V.m. § 109 Abs. 2 S. 1 JGG) und hat in der Sache – zumindest vorläufig – Erfolg.

1. Das Jugendgericht hat sein Urteil in abgekürzter Form gem. § 267 Abs. 4 StPO i.V.m. § 2 JGG abgesetzt, obwohl die Voraussetzungen hierfür nicht vorlagen. Daraus resultiert eine unzulängliche Darlegung der Beweiswürdigung. Dies ist bereits auf die Sachrüge hin zu beachten (vgl. BGH NStZ-RR 1999, 45).

Unter Ziffer III. (Urteil S. 4) führt das Jugendgericht aus: „Der Sachverhalt gem. Ziffer II. steht fest aufgrund des Geständnisses des Angeklagten sowie der Aussagen der Zeuginnen D…, W… und R… sowie der auszugsweisen Verlesung des schriftlichen Sachverständigengutachtens des Sachverständigen T… L…, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Forensische Psychiatrie vom 17.09.2010 (Bl. 43 bis 61 d. A.).“

Die Voraussetzungen für die Abfassung des Urteils in abgekürzter Form gem. § 267 Abs. 4 StPO i.V.m. § 2 JGG sind jedoch nicht gegeben.

Der Angeklagte hat gegen das Urteil vom 22.3.2011 mit Schriftsatz vom 29.3.2011, eingegangen bei dem Gericht am selben Tag, fristwahrend Rechtsmittel eingelegt. Ein Rechtsmittelverzicht (§ 302 StPO) ist nicht erklärt worden. Liegen aber die Vorausset-zungen von § 267 Abs. 4 StPO (i.V.m. § 2 JGG) nicht vor, so bedarf es in den Urteils-gründen einer Gesamtwürdigung der in der Hauptverhandlung festgestellten Tatsachen (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl. 2011, § 267 Rn. 12). Dies gilt auch dann, wenn der Tatrichter das Urteil irrig für rechtskräftig gehalten hat (vgl. KG, Beschl. v. 29.1.2011 – (4) 1 Ss 9/01 [15/01] - juris).

 Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Die Beweiswürdigung erschöpft sich vorliegend in einer bloßen Auflistung der herangezogenen Beweismittel. Eine solche vermag jedoch keinen Beweis zu erbringen (vgl. Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. 2001, § 267 Rn. 2). Bereits dieser sachlich-rechtliche Mangel muss zur Aufhebung des Urteils führen (vgl. BGH a.a.O.).

2. Bei dieser Sachlage kommt es auf die weitergehenden Sachrügen nicht an.

3. Für das weitere Verfahren weist der Senat allerdings auf Folgendes hin:

 a) Im Falle einer erneuten Verurteilung wegen Straßenverkehrsgefährdung werden aller Voraussicht nach auch Feststellungen zur Schuldform erforderlich sein. Der Tatbestand der Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c StGB) kann sowohl vorsätzlich, als auch fahrlässig begangen werden. In derartigen Fällen sind Feststellungen zur inneren Tatseite nur dann ausnahmsweise entbehrlich, wenn die Darstellung des äußeren Sachverhalts eindeutig den Schluss auf die Merkmale des inneren Tatbestands zulässt (vgl. OLG Saarbrücken, NJW 1974, 1391, 1392).

b) Aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden ist die Anordnung der Maßregel der Entziehung der Fahrerlaubnis durch das Jugendgericht ohne einzelfallbezogene Begründung. Die Regelvermutung des § 69 Abs. 2 StGB gilt auch im Rahmen des § 7 JGG (i.V.m. § 105 Abs. 1 JGG) uneingeschränkt (vgl. Altenhain, in: Münchener Kommentar StGB, 2006, § 7 JGG Rn. 20 m.w.N.). Auch die Dauer der Sperrfrist gem. § 69 a StGB ist allein an der Ungeeignetheit des Jugendlichen bzw. Heranwachsenden auszurichten. Sie darf nicht allein aus erzieherischen Gründen verkürzt werden (vgl. Altenhain, aaO., § 7 JGG Rn. 22 m.w.N.), weswegen es hierzu auch keiner Ausführungen in den Urteilsgründen bedarf." 

 

OLG Nürnberg, Beschl. v. 26.08.2011 - 1 St OLG Ss 156/11

 

 

siehe hierzu auch Hentschel/Krumm, Fahrerlaubnis und Alkohol, Rn. 519 ff.

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