Auch Rauchen gehört zum Unterhaltsbedarf

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 29.02.2012

Sie hatte in der Firma ihres Mannes als „die Frau vom Chef“ gearbeitet. Ehe und Arbeitsverhältnis wurden beendet.

Er verdient so viel, dass sich der zu zahlende Ehegattenunterhalt nicht nach der üblichen 3/7-Quote, sondern nach dem konkreten Bedarf berechnet.

Ihn erzürnte, dass das OLG (OLG Karlsruhe FamRZ 2010, 655) dabei auch die Kosten für eine Kosmetikerin (106 € im Monat) und für den Tabakkonsum der Ex berücksichtigte.

Der BGH hatte damit keine Probleme:

 

Dass die Antragstellerin nach der Trennung keine Repräsentationspflichten als Unternehmergattin mehr treffen, stellt die Angemessenheit dieser Aufwendungen [Kosmetikerin] nach den ehelichen Lebensverhältnissen nicht in Frage. Schließlich macht die Antragstellerin auch die Kosten ihres Zigarettenkonsums mit Recht geltend. Der Ansatz dieser Position entspricht dem ehelichen Lebensbedarf. Die Ansicht der Revision, eine Finanzierung des Tabakkonsums sei mit einem Alkohol- oder Drogenmissbrauch vergleichbar und verstoße gegen Treu und Glauben, entbehrt der Grundlage.

 

Streitig war zwischen Eheleuten auch, wer zu beweisen hat,, dass sie (Jahrgang 1952, ungelernt) keine adäquate Arbeitsstelle mehr finden kann. Dazu der BGH:

 

Der unterhaltsberechtigte Ehegatte trägt im Rahmen des Unterhaltsanspruchs wegen Erwerbslosigkeit die Darlegungs- und Beweislast nicht nur dafür, dass er keine reale Chance auf eine Vollzeitarbeitsstelle hat, sondern auch dafür, dass dies in gleicher Weise für eine geringfügige Beschäftigung (sog. Mini-Job) und auch für eine Erwerbstätigkeit im Rahmen der Gleitzone nach § 20 Abs. 2 SGB IV (sog. Midi-Job) zutrifft.

 

BGH v. 18.01.2012 - XII ZR 178/09, grafisch schön aufbereitet im Fokus-Familienrecht

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13 Kommentare

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@ Herr Burschel

Kam das für sie überraschend? Für mich ehrlich gesagt ziemlich. Das mit der Kosmetikerin seh ich ja ein, aber Zigarettenkonsum???

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Zu den Erwerbsmöglichkeiten: Das hat der BGH doch vor Jahren in einem Grundsatzurteil festgestellt, oder? Hat jemand die Fundstelle?

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Darf ich als Ehemann auch meinen hohen Bedarf an 30 Jahre altem schottischem Single Malt Whisky und Cohiba Zigarren einkommensmindernd in Rechnung stellen? Ich kann leider nicht leben ohne dieses Zeug und bin schuldlos daran, daß jedes Fläschchen/Kästchen davon 250,00 Euro kostet. Von den Kosten meiner Kosmetikerin und des Maßschneiders ganz zu schweigen...

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Ralf schrieb:

Darf ich als Ehemann auch meinen hohen Bedarf an 30 Jahre altem schottischem Single Malt Whisky und Cohiba Zigarren einkommensmindernd in Rechnung stellen?

Da einkaufen, wo es al di preisgünstigen Getränke gibt ...

Hopper schrieb:

Ralf schrieb:

Darf ich als Ehemann auch meinen hohen Bedarf an 30 Jahre altem schottischem Single Malt Whisky und Cohiba Zigarren einkommensmindernd in Rechnung stellen?

Da einkaufen, wo es al di preisgünstigen Getränke gibt ...

 

Und dann geht das?

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Interessant im Urteil auch der Hinweis zu den geltend gemachten Kosten zukünftiger kosmetischer Operationen:

"Demgegenüber greifen auch die von der Revisionserwiderung gegen die Bedarfsermittlung des Berufungsgerichts erhobenen Beanstandungen nicht durch. Das Berufungsgericht hat die von der Antragstellerin geltend gemachten Kosten künftiger kosmetischer Operationen (1.800 € pro Jahr) zu Recht als Sonderbedarf angesehen, welcher für jeden Einzelfall geltend zu machen ist (vgl. Senatsurteil vom 15. Februar 2006 - XII ZR 4/04 - FamRZ 2006, 612). Dass die Operationen aufgrund altersbedingter Erscheinungen notwendig werden, welche zwangsläufig auftreten, stellt das Ergebnis des Berufungsgerichts nicht in Frage, schon weil sich eine feste Zeitspanne zur Erneuerung bestimmter Maßnahmen (etwa Fettabsaugen) nicht festlegen lässt und eine Pauschalierung untunlich ist."

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Wenn auch nicht ganz zum Thema, habe ich eine Frage, bei der der eine oder andere hier evtl. behilflich sein kann. Es betrifft den Versorgungsausgleich und die Bagatellgrenze bei privater Altersvorsorge.

Fall: Ehemann hat private Altersvorsorge mit aktuellem Wert 5.000

Ehefrau hat (bei derselben Versicherung) private Altersvorsorge mit aktuellem Wert 3.000

Stimmt es, dass Ehefrau im Rahmen des Versorgungsausgleichs 2.500 vom Guthaben des Ehemannes übertragen bekommt, während er von ihrem nicht die Hälfte erhält, weil 3.000 unter die Bagatellgrenze fallen?

Gilt hier der Halbteilungs- und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht?

Auch ein erhöhter Verwaltungsaufwand ist nicht erkennbar, da die beiden ja bei der selben Versicherung sind.

Für ein kurzes Feedback wäre ich dankbar.

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@ JFW

Es wäre an einen Ausschluss beider Versicherungen nach § 18 I VersAusglG zu denken.

Im Übrigen kann hier eine Rechtsberatung im Einzelfall nicht erfolgen

Das Berufungsgericht hat die von der Antragstellerin geltend gemachten Kosten künftiger kosmetischer Operationen (1.800 € pro Jahr) zu Recht als Sonderbedarf angesehen, welcher für jeden Einzelfall geltend zu machen ist (vgl. Senatsurteil vom 15. Februar 2006 - XII ZR 4/04 - FamRZ 2006, 612

 

 Soll also heißen, es wird  nicht pauschal über mehrere, sondern über jede einzelne Operation gestritten?

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Ich meine, das hat nichts mit Streitschlichtung, oder Streitvermeidung, sondern mit ABM für Juristen zu tun ( zu denen ich mich auch bald zählen werde ). Trotzdem falsch.

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Ich muss ausnahmsweise Herrn Untermann mal zustimmen. Was man alles an Bedarf anmelden kann, weil es angeblich die Lebensverhältnisse geprägt hat und mit welchem Kleinsch...  sich neben FamG und OLG dann auch noch der BGH befasst...:

Wir leben eben im Land der unbedingten Einzelfallgerechtigkeit und haben daher neben dem Unterhaltsrecht auch das Steuerrecht, das wir verdienen.

Andererseits klingt die Argumentation des Ehemannes in dem entschiedenen Fall, wonach die Frau ja jetzt nicht mehr das repräsentative Unternehmerfrauchen sein muss, auch nicht gerade so, als würde er nicht alle Register ziehen wollen.

 

@Herr Burschel:

Wenn der Ehemann sein der Unterhaltsberechnung zugrunde liegendes Einkommen nur durch günstigen Einkauf des Lebensbedarfs (Scotch bei Al di) mindern darf, kann er dann umgekehrt die Ehefrau auf Aldi-Zigaretten und kosmetische Operationen beim günstigen osteuropäischen Falten- und Schwartendoktor verweisen?

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Dass mit al di sollte ein Scherz sein. Der Ehemann verfügt über ein Einkommen, dass ihm trotz des Unterhalts für die Ex noch genügend Spielraum für Single Malt aus dem Fachgeschäft lässt.

Die Entscheidung zu den "Rauchwaren" (und das sind hier nicht Pelze) hat mich überrascht. Auf Facebook hat jemand vorgeschlagen, er habe eine Entwöhnungstherapie anbieten sollen.

Wir leben eben im Land der unbedingten Einzelfallgerechtigkeit und haben daher neben dem Unterhaltsrecht auch das Steuerrecht, das wir verdienen.

So ist es wohl.

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