Ein Verteidiger zu viel: Verfahrensrüge versemmelt...

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 06.10.2012
Rechtsgebiete: VerfahrensrügeStrafrechtVerkehrsrecht2|3906 Aufrufe

Der Angelagte hatte wohl Revision einlegen lassen. Der Verteidiger tat dies auftragsgemäß und erhob schon mal die Sachrüge. Da braucht es ja auch keiner großen Begründung. Dann hat der Angeklagte wohl Panik bekommen und einen anderen Verteidiger beauftragt. Der hat dann unter Überschreitung der Revisonsbegründungsfrist noch die Verfahrensrüge erhoben. Wiedereinsetzung gab`s dafür freilich nicht.

 

 

 

 

1. Das Wiedereinsetzungsgesuch ist bereits deshalb unzulässig, weil die Revision des Angeklagten infolge der rechtzeitig erhobenen Sachrüge frist- und formgerecht begründet worden ist (vgl. BGHSt 1, 44; BGHR StPO § 44 Verfahrensrüge 3, 7; BGH, Beschluss vom 15. März 2001 - 3 StR 57/01). In solchen Fällen kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Nachholung von Verfahrensrügen nur ausnahmsweise bei besonderen Verfahrens-lagen in Betracht, in denen dies zur Wahrung des Anspruchs des Beschwerde-führers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) unerlässlich erscheint (vgl. BGHR StPO § 44 Verfahrensrüge 8; Beschluss vom 25. September 2007 - 1 StR 432/07). Eine solche Ausnahmesituation liegt nicht vor. Insbesondere genügt es hierfür nicht, dass sich für den Angeklagten nunmehr ein bislang am Verfahren nicht beteiligter Rechtsanwalt als Verteidiger gemeldet hat. Denn bei der Revision des Angeklagten handelt es sich unabhängig von der Anzahl der Verteidiger um ein einheitliches Rechtsmittel mit einer einheitlichen Begründungsfrist (§ 37 Abs. 2 StPO; vgl. BGHR StPO § 345 Abs. 1 Fristbeginn 4).
2. Die umfassende Prüfung des angegriffenen Urteils auf die Sachrüge hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).

 

BGH, Beschluss vom 23.8.2012 - 1 StR 346/12

 

Vielleicht kann ja mal der ein oder andere Leser aus der Anwaltschaft berichten, wie er es macht. Sicherheitshalber schon mit der Einlegung des Rechtsmittels die Sachrüge erheben oder alle Rügen auf einmal begründen (getrennt von der Einlegung des Rechtsmittels).

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2 Kommentare

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Rechtsmitteleinlegung und -begründung gehören m. E. voneinander getrennt. Man kennt ja bei Einlegung des Rechtsmittels die Urteilsgründe noch gar nicht. Die Sachrüge zu erheben (mit welchen Anträgen eigentlich?), bevor man das Urteil überhaupt gelesen hat, hätte für meine Begriffe wenig Stil.

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Da es schon mehrfach vorgekommen ist, daß das Urteil meinem Mandanten wesentlich früher zugestellt wurde als mir als Verteidiger - ohne daß ich das mitbekommen habe - und sich hieraus Probleme der Fristberechnung ergeben konnten, erhebe ich die allgemeine Sachrüge zumeist bereits mit der Revisionseinlegung. Dann ist man auf jeden Fall auf der sicheren Seite.  Für "Stilfragen" ist angesichts der Strenge des Revisionsrechts aus meiner Sicht kein Raum. Die allgemeine Sachrüge gehört, wenn die Revision durchgeführt werden soll, ohnehin immer erhoben. In nicht wenigen Fällen kommen die zuständige Senate ja auf (seltsame?) Ideen, die in den Vorinstanzen keinem anderen Verfahrensbeteiligten - einschließlich des Verteidigers - in den Sinn gekommen sind.

 

Wenn sich nach Studium der Akte und der schriftlichen Urteilsgründe ergibt, daß die Revision nicht durchgeführt werden soll, kann man sie immer noch zurücknehmen. Das ist immer noch besser als eine Frist zu versäumen. Wird allein die allgemeine Sachrüge erhobe, bedarf es auch keines gesonderten Antrags.

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