Tayyip Erdogan versus Jan Böhmermann wegen Beleidigung

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 11.04.2016

In den nächsten Tagen will die Bundesregierung „sorgfältig und so zügig wie möglich“ das Verlangen der türkischen Regierung vom vergangenen Wochenende nach einer Strafverfolgung des Satirikers Jan Böhmermann prüfen. Gegen ihn waren bereits in der vergangenen Woche mehrere Strafanzeigen nach § 103 StGB „Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten“ bei der Staatsanwaltschaft Mainz eingegangen. Das ZDF hat die ZDFneo-Sendung mit dem als „Schmähkritik“ annoncierten Spottgedicht Böhmermanns zwischenzeitlich aus der Mediathek entfernt.

Man darf gespannt sein, wie die Bundesregierung, die sich in einer Zwickmühle befindet, entscheidet. Darüber wurde gestern Abend intensiv bei Anne Will diskutiert.

Das Spottgedicht isoliert betrachtet, erfüllt in meinen Augen den Tatbestand der Beleidigung. Allerdings stellte Böhmermann das Gedicht in den Zusammenhang von Satire einerseits und strafbarer Schmähkritik andererseits. Nach seinen Worten wollte er gerade belegen, was in Deutschland strafbare Schmähkritik wäre. Was da in der Gesamtschau noch straflose Satire oder schon strafbare Schmähkritik war, ist alles andere als einfach zu beantworten. Der subjektive Tatbestand des § 103 StGB erfordert jedenfalls ein zumindest bedingt vorsätzliches Handeln.

Ich vermute, dass die Bundesregierung – schon um den schwarzen Peter auf die Strafverfolgungsorgane weiterzuschieben– dem Verlangen der türkischen Regierung nachgeben und nach § 104a StGB die Ermächtigung zur Strafverfolgung erteilen wird. Dann muss sich die Staatsanwaltschaft Mainz endgültig mit der im vorliegenden Fall rechtlich schwierigen Grenzziehung zur Strafbarkeit bei Satire befassen.

Zum aktuellen Stand hier.

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342 Kommentare

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@Andreas Schwartmann:

 

Meines Erachtens war die in der von Ihnen zitierten Auflage vertretene Auffassung angesichts des Gesetzeswortlauts, der zwei selbständige Varianten formuliert ("Wer ... und wer ..."), schon damals falsch. Ich vermute, dass der Verständnisfehler in der 53. Auflage noch auf die früheren Autoren des Kommentars Tröndle und Dreher zurückzuführen ist und der jetzige Bearbeiter Fischer spätestens mit der Dissertation von Heinen (Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhaupts, 2006) eine Korrektur und Angleichung an die allg. Auffassung vornahm.

 

GL

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Schlimm ist, dass wir mit unseren Gebühren solcherart Straftatbestände auch noch finanzieren müssen und damit eine Art von Beihilfe leisten. Unter normalen Umständen würde man ja ein solches Abonnement jetzt aus Protest kündigen und sich ein seriöses Medium besorgen. Aber unser Gebührenrecht zwingt uns zur Teilnahme an solchen Straftaten.

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Jetzt wird schon von einer "Reform" gesprochen 0_o .

Gar nichts wollen die "Reformieren".....
Das Abschaffen des Paragraph 103 ist keine "Reform".

Dann muss man aber mindestens auch streichen:

§ 90: Verunglimpfung des Bundespräsidenten
- Das Gleiche Gesetz, nur für den Dt. Bundespräsidenten.

§ 90a: Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole
- z.B. mal Bundesdienstflagge Toilette googlen, soll natürlich nur verdeutlichen was man NICHT darf.....

§ 90b: Verfassungsfeindliche Verunglimpfung von Verfassungsorganen
- Das Gleiche Gesetz wie StGB 103, halt nur der Teil mit den Politikern.

§ 166: Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen
- Der berühmte "Gotteslästerungs-Paragraph"

§ 185: Beleidigung

§ 188: Üble Nachrede und Verleumdung gegen Personen des politischen Lebens

§ 189: Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener
- Hitler verunglimpfen ist eigentlich eine Straftat.....

§ 192: Beleidigung trotz Wahrheitsbeweises
- Alles ist Wahr, Schandtaten etc., man hat Beweise, aber kann für die Veröffentlichung belangt werden, weil es die Person beleidigt.....

Aber auch 186, "Verleumdung" und 187, "Üble Nachrede" sind verzichtbar!

Das Problem ist die Selbstverständlichkeit mit der der Deutsche, evt. 80% die Existenz dieser international kritisierten Verstöße gegen die Menschenrechte akzeptiert oder sogar gutheißt:

Auf Deutsch: http://rechtsanwalt-andreas-fischer.de/
In Englisch: http://www.eucars.de/images/stories/insult_eng.pdf

Die Englische Version enthält auch einen Vergleich des Dt. StGB
90a, "Verunglimpfung des Dt. Staates und seiner Symbole" (max. 5 Jahre, jeder SA kann anklagen)
gegen den türkischen
301, "Herabsetzung der türkischen Nation, des Staats der Republik Türkei, der Institutionen des Staates und seiner Organe" (max 3 Jahre, Anklage nur mit Zustimmung des Justizminister).

 

Böhmermann sollte nun auch noch gegen StGB 90a, am besten in Tateinheit mit StGB 90 verstoßen.
Einfach mal wieder ein Musikvideo drehen, diesmal mit BRD-kritischem Text auf die Melodie der Nationalhymne.
Wenn er darinb auch noch den Gauck hocnimmt, schafft er es dass politische Hinterbänkler aus ihren Löchern kriechen, und Bestrafung fordern.
War bei Stefan Raab auch so, und dem sein Text war reiner Nonsens ohne bösartigen Beweggrund.
Da müsste Böhmermann also nicht viel machen, kann echte Kritik am Staat anbringen.

Sogar Erdogan könnte indirekt daran Beteiligung finden.
Diesmal aber nicht als Getroffener, sondern als Dritter der sich darüber freut.
Denn wenn es juristisch verfolgt würde, könnte Erdogan mit dem Finger auf Deutschland zeigen und sagen "seht her, die belangen auch Menschen die die Symbole des Staates beleidigen".
Man erinnere sich an den Jungen der auf einer Demonstration über eine türkische Flaggge lief oder sogar darauf herumtrampelte. Der Aufschrei aus Deutschland als man den wegen "Beleidigung des Türkentum" anklagte.
Was für eine Heuchelei.....

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Sehr geehrter Herr RA Schwartmann, sehr geehrter Herr Claren

Herr Schwartmann schreibt:

Fischer, StPO, 53. Auflage, § 103 Rz. 1

Zumindest 2006 war Fischer also noch der Meinung, dass sich auch das Staatsoberhaupt zur Tatzeit im Inhalt aufgehalten haben muss. Gibt es mittlerweile entgegenstehende Entscheidungen oder andere bekannte Gründe, weshalb diese Meinung nicht mehr vertretbar sein sollte?

Ich habe, weil diese Auslegung immer wieder verbreitet wurde, fast alle  einschl. Kommentare zum StGB  (jeweils neueste Aufl.) und auch einige ältere Auflagen des Fischer angeschaut, die 53. Auflage (müsste ca. 10 Jahre alt sein) war leider nicht dabei. Alle anderen von mir eingesehenen Kommentare (auch die neueren von Fischer) haben die Norm so interpretiert, dass das Staatsoberhaupt sich nicht im Inland aufhalten muss, um geschützt zu sein, also der Schutz ggü. den einfachen Regierungsmitgleidern erweitert ist.

Herr Claren schreibt:

Das haben auch sehr viele Bürger so verstanden, wärend einige Juristen in vollster Überzeugung (der dumme Bürger versteht es nur nicht) verbreiteten, das gelte nur für die einfachen Politiker.....

(...)

Warum sollen "Fischer" oder "Beck" oder Schröder oder wie sie heissen irgendeine Art Deutungshoheit haben?

Wer macht die Gesetze, private Verlage?

Nein, natürlich nicht. Es sind die jeweiligen Autoren - meist Rechtswissenschaftler oder Richter - für die Kommentierungen verantwortlich. Wenn die Autoren kommentieren, beachten sie die Materialien, die Rechtsprechung, die allg. wissenschaftliche Diskussion zu einer Norminterpretation. In den Kommentaren wird auch nciht nur die Meinung des jeweiligen Autors verbreitet, sondern regelmäßig darauf hingewiesen, wenn eine Interpretation umstritten ist. Für den schnellen und aktuellen  alltäglichen Gebrauch genügt der verbreitete Fischer-Kommentar. Für eine eingehende wissenschaftliche Betrachtung einer praktisch selten vorkommenden Norm  ist er als "Kurzkommentar" aber nicht so gut geeignet.

In diesem Fall ist nichts umstritten. Es gibt auch eindeutige Hinweise aus den Gesetzgebungsmaterialien, nämlich aus Protokollen des Rechtsausschusses aus dem Jahr 1953.

Ich zitiere einmal:

„LGR Dr. Lackner (BMdJ) führt aus, § 104 [das ist der heutige § 103, HEM] enthalte als Tatbestand nur Beleidigung, und Voraussetzung sei, daß der Beleidigte im Inland zu Gast sei. Das Staatsoberhaupt allerdings werde auch geschützt, wenn es sich nicht in der Bundesrepublik aufhalte.“

Quelle: Deutscher Bundestag, 23. Ausschuss Protokoll der 246. Sitzung (…) am 13.03.1953, 9.30, Bonn, Bundeshaus, S. 17, S. 19.

Teleologischer Hintergrund ist, dass das Staatsoberhaupt (ebenso wie Flagge o.ä.) nicht nur als Privatperson, sondern als Symbol für den Staat angesehen wird. Eine ähnliche Regelung (an der sich lt. den Protokollen der damalige BT orientieren wollte) findet sich im Schweizer StGB (Art. 296).

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

Wenn es sprachlich nicht mal für einen Germanisten eindeutig wäre, dann ist jede Interpretation eines Rechtswissenschaftlers, Urteile von Gerichten irrelevant.
Gerade wo Juristen doch so gerne betonen das es in Deutschland keine Präzendenztfälle gibt.

Man müsste schon ganz klar beweisen was damals beabsichtigt war. Wenn das hier nachweisbar ist, OK.
Und auch dann ist ein Gesetz eigentlich dem Wortlaut nach gültig.
Und wenn das hier nicht der Fall ist, wäre es ein Fall für Juristen, nicht für Sprachwissenschaftler.

 

"Teleologischer Hintergrund ist, dass das Staatsoberhaupt (ebenso wie Flagge o.ä.) nicht nur als Privatperson, sondern als Symbol für den Staat angesehen wird."

Es ist allerdings nicht strafbar die Türkei als Staat selbst zu verunglimpfen.
Also hinkt diese Erklärung etwas.....

Nicht dass man mich hier falsch verstelt, ich bin "nicht" für die Abschaffung von StGB 103, sondern für die Abschaffung von StGB 90, 90a, 103, 166, 185, 186, 187, 188, 189 und 192.
Inkl. aller dazu gehörenden Gesetze (104a etc.).
Wenn die Abschaffung von 186 und 187 die größte Hürde daran wäre, dann erst mal der Rest.
Allerdings sind auch 186 und 187 verzichtbar bzw. sehr stark einschränkbar.

Dazu:
http://rechtsanwalt-andreas-fischer.de/wp-content/uploads/2010/01/die-be...

http://www.eucars.de/images/stories/insult_eng.pdf

Udo Vetter twitterte vor Tagen noch 185 würde nicht für Menschen im Ausland gelten.
Wenn Ich also von Deutschland aus eine Person im Ausland beleidige, per Brief, Telefon, Webseite, TV-Sendung etc., dann kann die Person keine Strafanzeige erstatten.

Real sah das aber in den letzten Tagen nicht so aus.
Es sah eher so aus, als wenn der 185 Anwendung gefunden hätte, hätte man nicht 103 zugelassen.....

Was für eine Nichtstrafbarkeit gesprochen hätte, sind die auch in Deutschland gesendeten Beleidigungen von Prominenten.

Wie z.B. Paris Hilton, die in South Park als "dumme verzogene Hure" oder "Stupid Spoiled Whore" bezeichnet wird. Nicht zu vergessen das Bild des Sperma-hustens auf der Bühne bei der Eröffnung einer "Stupid Spoiled Whore"-Filiale (nuttige Kleidung für Kinder).

Oder Madonna, die in Familiy Guy innerhalb eines Gesprächs zwischen drei Personen zusammen gefasst (nur die Beleidigungen) hiermit versehen wurde:
Peter: ... die ist wirklich ziemlich dumm
Francis: ... die ist völlig bescheuert (im Original "pretty stupid"), völlig bescheuert...
Brian: ... Die ist nicht nur dumm, die lügt auch noch (weil "La Isla Bonita" keine echte Insel ist).
Francis: ... Sie ist widerwärtig
Peter: ... Widerwärtig, ne widerwärtige Frau.
Francis: ... Und sie ist ne Hure.
Brian: ... Ein Drecksstück, ja
Peter: ... Die machts doch mit jedem

Und das ist die TV-Version, die scheinbar auch in Deutschland gesendet wird.
In den USA ist nur die DVD-Version unzensiert. Allerdings könnten das auch Dinge sein, die in Deutschland kein rechtliches Problem wären. Maximal die Sendezeit betreffen würden.

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Tobias Claren schrieb:

Und wenn das hier nicht der Fall ist, wäre es ein Fall für Juristen, nicht für Sprachwissenschaftler.

Korrektur, es sollte natürlich heissen:
Und wenn das hier nicht der Fall wäre, wäre es ein Fall für Sprachwissenschaftler, nicht für Juristen.

Den Doppelten kann man evtl. noch löschen...
 

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Tobias Claren schrieb:

Wenn es sprachlich nicht mal für einen Germanisten eindeutig wäre, dann ist jede Interpretation eines Rechtswissenschaftlers, Urteile von Gerichten irrelevant.
Gerade wo Juristen doch so gerne betonen das es in Deutschland keine Präzendenztfälle gibt.

Die Auslegung von Gesetzen und ihre Anwendung auf den Einzelfall ist in einem demoratischen Rechtsstaat Aufgabe der Judikative (also der Gerichte) und nicht der Sprachwissenschaft.

Präzedenzfälle, also Leitentscheidungen zur Auslegung und Anwendung von Gesetzen, gibt es natürlich auch in Deutschland. Was die Juristen, mit denen Sie da sprechen, vielleicht meinen ist, dass diese Entscheidungen einen anderen rechtlichen Stellenwert haben als in den USA oder UK. Aber natürlich gibt es das auch bei uns.

 

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Markus schrieb:

Tobias Claren schrieb:

Wenn es sprachlich nicht mal für einen Germanisten eindeutig wäre, dann ist jede Interpretation eines Rechtswissenschaftlers, Urteile von Gerichten irrelevant.
Gerade wo Juristen doch so gerne betonen das es in Deutschland keine Präzendenztfälle gibt.

Die Auslegung von Gesetzen und ihre Anwendung auf den Einzelfall ist in einem demoratischen Rechtsstaat Aufgabe der Judikative (also der Gerichte) und nicht der Sprachwissenschaft.

 

Das stimmt zwar, aber in diesem Fall führt eigentlich schon das genaue Lesen zum Erfolg. Das doppelte "Wer" zeigt nämlich, dass nach dem ersten "oder" ein neuer Teilsatz kommt, es also keine fortgesetzte Aufzählung ist, so dass sich die Inlandsbedingung logisch nur auf die Objekte in diesem Teilsatz beziehen kann. Davon gibt es nur eins, nämlich dass "Mitglied einer ausländischen Regierung".

Diese Teilsätze haben am Ende zwar auch Aufzählchakter, aber dann müsste sich die Bedingung auf den Täter beziehen, der sich dann amtlich im Inland aufhalten müsste, was sinnlos wär und auch gramamtisch falsch, weil quasi ein Bezug quer durch die Satzhiearchie.

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Ein Gesetz hat eindeutig zu sein, und nicht "Auslegung"ssache!

Das ist nicht besser als ein "Gummiparagraph".

Hat was von einem Honeypot.
Wenn mir ein Sprachwissenschaftler sagt dass der Präsident im Land sein müsste, das mit seiner Expertise schriftlich gibt, und ich mache das, und werde angeklagt, so ist das nicht in Ordnung.
Es ist völlig irrelevant was man moralisch davon halten mag.

 

Die Grünen waren auch mal dafür StGB 185, Beleidigung ganz abzuschaffen.
Evtl. noch 186 und 187. Das ist eine legitime Forderung.

Mal ganz abgesehen davon, dass damit endlich viele der Verstöße gegen die Menschenrechte (das KSZE kritisiert diese Verstöße anhaltend) abgeschafft wären.
Andere Baustelle, aber auch Verstöße wären dann die Gesetze zur Verfolgung von "Nazidioten" aufgrund Symbolen, Gesten, Ausrufen etc..

Damit wäre das GG dann (fast) frei von Menschenrechtsverstößen.

 

Als da wären:

 

§ 90: Verunglimpfung des Bundespräsidenten
- Das Gleiche Gesetz, nur für den Dt. Bundespräsidenten.

§ 90a: Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole
- z.B. mal Bundesdienstflagge Toilette googlen, soll natürlich nur verdeutlichen was man NICHT darf.....

§ 90b: Verfassungsfeindliche Verunglimpfung von Verfassungsorganen
- Das Gleiche Gesetz wie StGB 103, halt nur der Teil mit den Politikern.

§ 166: Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen
- Der berühmte "Gotteslästerungs-Paragraph"

§ 185: Beleidigung

§ 186: Verleumdung

§ 187: Üble Nachrede

§ 188: Üble Nachrede und Verleumdung gegen Personen des politischen Lebens

§ 189: Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener
- Hitler verunglimpfen ist eigentlich eine Straftat.....

§ 192: Beleidigung trotz Wahrheitsbeweises
- Alles ist Wahr, Schandtaten etc., man hat Beweise, aber kann für die Veröffentlichung belangt werden, weil es die Person beleidigt.....

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Tobias Claren schrieb:

Ein Gesetz hat eindeutig zu sein, und nicht "Auslegung"ssache!

Das ist nicht besser als ein "Gummiparagraph".

Hat was von einem Honeypot.
Wenn mir ein Sprachwissenschaftler sagt dass der Präsident im Land sein müsste, das mit seiner Expertise schriftlich gibt, und ich mache das, und werde angeklagt, so ist das nicht in Ordnung.
Es ist völlig irrelevant was man moralisch davon halten mag.

 

§ 103 StGB ist im Hinblick auf das "im Inland" vollkommen eindeutig. Um das zu erkennen muss man nichts auslegen, es reicht die dt. Sprache zu beherrschen. Deshalb gibt es darüber auch keine Meinungsverschiedenheiten in den Kommentaren.

 

Wenn heute schon Journalisten Probleme mit Sätzen haben in denen mehrere Kommas vorkommen und diese ihre eigene Unfähigkeit sogar zum Gegenstand von Artikeln machen, kann es natürlich auch gut sein, dass Sie so einen Sprachwissenschaftler finden. Besser Sie fragen ihre alte Grundschullehrerin.

 

Übrigens, wenn die Grünen etwas legalisieren wollen deutet das normalerweise eher darauf hin dass es keine gute Idee ist, siehe Pädophilie.

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Ich habe jetzt noch einmal in die 53. Auflage des Fischer geschaut. Herr Schwartmann, bitte schauen Sie genau hin! Sie haben sich die Kommentierung zu Paragraf 102 durchgelesen, die auf der gleichen Seite steht wie die zu Paragraf 103. Da in der Kolumne der Seite, also im Seitenkopf, auch "103" steht, haben Sie vermutlich die Kommentierung zu 102 dem 103 zugeordnet. Bei 103 steht das, was Herr Professor Müller hier völlig zutreffend wiedergibt.

 

GL

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Liebe Fans des NEO MAGAZIN ROYALE,

Mein Team und ich haben es uns in den vergangenen drei Jahren zur Aufgabe gemacht, die Top-Themen aus Politik, Feuilleton und Boulevard satirisch einzuordnen. In den vergangenen zwei Wochen haben wir es geschafft jedes dieser drei Presse-Levels selber einmal durchzuspielen.

Daher habe ich mich entschlossen eine kleine Fernsehpause einzulegen, damit sich die hiesige Öffentlichkeit und das Internet mal wieder auf die wirklich wichtigen Dinge wie die Flüchtlingskrise, Katzenvideos oder das Liebesleben von Sophia Thomalla konzentrieren kann. Denn es gibt möglicherweise bedeutsamere Themen, als die Diskussion um ein in einer Satire-Sendung vorgetragenes Gedicht. Darüber hinaus ist die Redaktion davon überzeugt, dass ein weiterer Song von Dieter „Didi“ Hallervorden zum Thema unbedingt zu verhindern ist. Das, und darin sind sich hier alle einig, MUSS oberste Priorität haben!

Vom Saarland bis nach Sachsen fühle ich eine Solidarität für die Sendung von der überwältigenden Mehrheit derjenigen, die nicht Präsident Erdogan sind, und dafür möchte ich mich von Herzen bedanken. Es bringt mich aber auch in eine schwierige Situation: Wenn selbst Beatrix von Storch auf einmal mit erhobenem Mauszeiger auf Seiten der Satire kämpft, über wen soll ich dann noch Witze machen? Nicht auszudenken, wenn sich auch noch Til Schweiger zwischen zwei Flaschen Emma Cuvé aus dem mallorquinischen Frühling melden würde, um mir beizustehen oder Campino und Bob Geldof plötzlich mit einem Charity-Song um die Ecke kämen.

Daher verlasse ich jetzt erstmal das Land, lasse mir beim Twerk&Travel durch Nordkorea die Sache mit der Presse- und Kunstfreiheit nochmal genau erklären, bevor ich noch ein paar Tage mit meinem Segway auf dem Jakobsweg pilgere, um mich selbst zu finden.

Euer Jan

 

 

 

https://www.facebook.com/jboehmermann/posts/1174196975946157

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Die Auslegung von Gesetzen und ihre Anwendung auf den Einzelfall ist in einem demoratischen Rechtsstaat Aufgabe der Judikative (also der Gerichte) und nicht der Sprachwissenschaft.

Da sprechen Sie ein höchst problematisches Wort sehr gelassen aus. Jeder der in staatlicher oder sonst sozialer Gemeinschaft mit Gesetzen lebt, legt Gesetze aus und wendet sie auf den Einzelfall (mehr oder weniger richtig) an. Sogar Böhmermann und Germanisten, manchmal auch Rechtswissenschaftler. Nur die letztlich verbindliche Auslegung obliegt den zuständigen Gerichten.

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Ein Gesetz hat eindeutig zu sein, und nicht "Auslegung"ssache!

Ein ganz klein wenig Ahnung, nur so ein Mikrogramm oder ein ppm oder ggf. auch zur Not sogar die Hälfte weniger, sollte man schon haben, wenn man sich in einem Juraforum zu Wort meldet, vgl.: https://goo.gl/jSZQuP

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Gast schrieb:

Ein Gesetz hat eindeutig zu sein, und nicht "Auslegung"ssache!

Ein ganz klein wenig Ahnung, nur so ein Mikrogramm oder ein ppm oder ggf. auch zur Not sogar die Hälfte weniger, sollte man schon haben, wenn man sich in einem Juraforum zu Wort meldet, vgl.: https://goo.gl/jSZQuP

Angemessener im Sinne von Rechtstaatlichkeit in einem juristischen System wäre ja gewesen: 

"Ein Gesetz SOLLTE eindeutig sein, die richterliche Auslegung eine sorgfältig zu begründende Ausnahme."

Aber auch das passt dem Juristen-Mainstream ja nicht. Textdeutung sieht man als einzige Aufgabe der Rechtsleere. Die Rechtswissenschaft wird nur als Textdeutungswissenschaft proklamiert und damit die Realität der Rechtpflege als ein geschlossenes System mit seinen strukturellen Merkmalen und Mechanismen ausgeblendet. Mit solchen Realitäten möchte sich Gelehrte und "Ahnungshabende" offensichtlich lieber nicht öffentlich auseinandersetzen.

Nun vermischen sich im vorliegenden Fall als Problemknäuel politisch-herrschaftlich motivierte Gesetzgebung (Diplomatie oder Herrscherschutz?), Selbstermächtigung der Richterschaft (freies Ermessen vs. Willkürverbot) und substanzlose Medienpraxis (am Zaun und an der Leine Kläffen, wenn Herrchen oder Frauchen nichts dagegen sagen). 3 Mal verdruckst Unnützes und Dysfunktionales als ständiges Beschäftigungsmodell. 

Was ist überhaupt Satire? Wenn die ziemlich einsame Sendung "Die Anstalt" im ZDF verleugnete Realitäten nahe den Tatsachen inszeniert oder wenn ein Hofnarr mit großem Tara einem unbeliebten, aber fernen Politiker mit dem substanzlosen Abseiern von Ferkeleien huldigt?

Beides ist in meinen Augen keine Satire. Ersteres ist die ertragbar humorvoll dargestellte und pointierte Realität. Leider viel zu selten. Letzteres ein Blick in die übliche Güllegrube der Medienlandschaft - nämlich substanzlose und in der Sache folgenlose Majestätsbeleidigung als Placebo für behauptete Meinungsvielfalt und Freiheit. In einem solchen "Gedicht" zeigt der angeblich so kritische und freigeistige Medienzirkus sein dümmliches Gesicht. Es ist nebensächlich, ob Erdogan wegen dieser Gülle nur das Placebo angreift oder die ganze Meinungsfreiheit meint. Es ist auch unerheblich, ob Erdogan eine Zumutung ist oder ein wirtschaftlicher Heilsbringer in der Türkei, wie es B. Lucke meint.

Was ist eigentlich eine Beleidigung?

Wenn Böhmermann einem hilflosen Hartz IV-Empfänger ein solches "Gedicht" gewidmet hätte, die zuständigen Juristen nach ihrem freien Ermessen dem Moderator und den Ziegen Glauben schenkten, um den armen Tropf für die behaupteten Schweinereien an armen Ziegen strafrechtlich zu belangen, wäre das wohl nahe der deutschen Rechtswirklichkeit. Das Arbeitsamt würde das ggf. auch über die sozialen Netze ermitteln wollen. Nun ist Erdogan kein Hartz IV-Empfänger und belangt werden könnte er auch nur in der Türkei. Aber was wäre, wenn es deutsche Ziegen gewesen sein sollten bzw. die Ziegen wenigstens deutsche Vorfahren haben? Verändert das nicht alles? Lässt sich da nicht noch etwas juristisch auslegen? Juristen bekämen das sicher hin, mit Auslegung und freiem Ermessen. Zumindest langwierige Prozesse über mehrere Instanzen und unendliche Rechtsdiskussionen. Das Ergebnis wäre am Ende gar nicht so wichtig.

Aber die Diplomatie, die politischen Abhängigkeiten lassen das nun gar nicht zu. Ach wenn bloß die Politik nicht wäre. Schade eigentlich. Wenigstens kann man aber den Wirbel dafür nutzen, viele Floskeln und Worthülsen zu kommunizieren und von tatsächlich Wichtigem abzulenken. Das übliche Anstaltsleben eben. Nur Wenige fühlen sich angesichts solcher Realitäten beleidigt. Die Mehrheit findet das genau richtig und diskutiert nur, wie das "Das" ausgelegt werden könnte. Ich finde aber, genau das ist tatsächlich eine Beleidigung. 

1

Das VG Berlin hat sich hinsichtlich des - isoliert betrachtet - Gedichts festgelegt: Schmähkritik und diesen Standpunkt in seiner Entscheidung zur Demonstration vor der türkischen Botschaft zugrunde gelegt:

 

http://rsw.beck.de/aktuell/meldung/vg-berlin-untersagt-das-gedicht-schma...

bernd.heintschel-heinegg schrieb:

Das VG Berlin hat sich hinsichtlich des - isoliert betrachtet - Gedichts festgelegt: Schmähkritik [...]

Das sieht, soweit mir bekannt, auch niemand anders.

Ohne darüber letztendlich entscheiden zu müssen, tendiert das VG Berlin aber wohl dazu, bei dem Gedicht inkl. Kontext, wie von Böhmermann vorgetragen, der Meinungsfreiheit den Vorrang zu geben.

Quote:

Hierbei bleibt ausdrücklich offen, ob die von ... [Böhmermann, Anm. MT] selbst getätigten Äußerungen ihrerseits einen Straftatbestand erfüllen oder wegen ihres Kontextes noch von der Meinungsfreiheit gedeckt sind. Entscheidend dürfte insoweit der Umstand sein, dass ... sein Gedicht in einen „quasi-edukatorischen Gesamtkontext einbettet-, um so die Grenzen der Meinungsfreiheit zu verdeutlichen (Thiele in: http://verfassungsblog.de/erlaubte-schmaehkritik-die-verfassungsrechtlic...).

https://openjur.de/u/882545.html Rn. 47

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Entscheidend dürfte insoweit der Umstand sein, dass ... sein Gedicht in einen „quasi-edukatorischen Gesamtkontext einbettet-, um so die Grenzen der Meinungsfreiheit zu verdeutlichen

Auch eine in einen "edukatorischen Gesamtkontext eingebettete" Ohrfeige eines Lehrers ist eine Körperverletzung und das "edukatorische" Ausbremsen eines anderen Verkehrsteilnehmers und ein "edukatorisches" Vogel- oder Stinkefingerzeigen sind strafbar. Der "(quasi-) edukatorische" Zweck heiligt nicht die verbotenen Mittel. Andernfalls ist demnächst wieder die "edukatorische" Hexenverbrennung und die edukatorische Steinigung störrischer Ehefrauen erlaubt.

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Gast schrieb:

Entscheidend dürfte insoweit der Umstand sein, dass ... sein Gedicht in einen „quasi-edukatorischen Gesamtkontext einbettet-, um so die Grenzen der Meinungsfreiheit zu verdeutlichen

Auch eine in einen "edukatorischen Gesamtkontext eingebettete" Ohrfeige eines Lehrers ist eine Körperverletzung und das "edukatorische" Ausbremsen eines anderen Verkehrsteilnehmers und ein "edukatorisches" Vogel- oder Stinkefingerzeigen sind strafbar. Der "(quasi-) edukatorische" Zweck heiligt nicht die verbotenen Mittel. Andernfalls ist demnächst wieder die "edukatorische" Hexenverbrennung und die edukatorische Steinigung störrischer Ehefrauen erlaubt.

Ihr Argument ist richtig. Sie stellen auf die Missbrauchsgefahr dieser Argumentation ab. 

 

Allgemeiner könnte man wohl auch noch folgendes einwenden:

Ein edukativer Zweck, der etwas verdeutlichen soll, reicht für sich genommen nicht aus, um einen ausreichenden Sachbezug herzustellen. Vielmehr hätte B. sich dann auch irgendwie mit den Grenzen der Meinungsfreiheit auseinandersetzen müssen. Er hätte z.B. die Aussage damit verbinden können, dass solche Aussagen erlaubt sein sollten. Hat er aber nicht. Er kritisiert ja gar nichts an den Grenzen der Meinungsfreiheit. Insofern kann diese Uminterpretation nicht überzeugen.

4

Etwas Wasser auf die Mühlen der Böhmermann-Kritiker:

Quote:

Zwar nicht in genau derselben Form, aber so ähnlich ist schon vor mehr als 20 Jahren Schmähkritik vorgetragen worden, und zwar von mir selbst in der Titanic vom Mai 1993. Im Heft davor hatten wir den damaligen schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Björn Engholm auf dem Titel in die Barschel-Wanne gelegt, und darunter geschrieben „Sehr lustig, Herr Engholm.“ Engholm hatte daraufhin eine Pressekonferenz einberufen, und behauptet, dieser harmlose Titel sei „Schmutz total“; er würde dagegen klagen.

Als Engholm sich mit dieser Klage Zeit liess, entschied sich die Redaktion dazu, Engholm einmal zu zeigen, wie wirklich schlimmer, totaler Schmutz aussehen könnte. Ich demonstrierte das dann anhand einiger Fotokollagen ( die Achim Greser montierte). Unter anderem trat Engholm hier als Long Dong Silver auf (untenrum nackt mit extrem langer Rute) und als Polizeichef von Saigon, der gerade einen Vietcong abknallt. Beschriftet wurde das ganze mit einem Text, der sinngemäß erklärte: „Wenn wir wirklich Schmutz total hätten bringen wollen, hätte das so ausgesehen. Haben wir aber nicht.“

Das war in etwa der Dreh, den sich jetzt auch Böhmermann zu eigen gemacht hat. Dieser „Schmutz total“-Beitrag – und nicht wie vielfach geglaubt, der Badewannentitel, der einfach nur verboten wurde – hat die Titanic 40.000 DM Schmerzensgeld für Engholm gekostet.

http://www.prinzessinnenreporter.de/schmutz-total/

Dabei scheint es sich um OLG Frankfurt*, Az. 3 U 296/93, zu handeln (http://verfassungsblog.de/erlaubte-schmaehkritik-die-verfassungsrechtlic...). Das Urteil kann ich leider nicht einsehen.

Im Unterschied zu Böhmermann scheint es aber so zu sein, dass bereits das ursprünglich von Engholm kritisierte Titelbild auf der April-Ausgabe unzulässig war (https://www.titanic-magazin.de/heft/klassik/1993/april/ "Dieses Heft darf nur noch in zensierter Form ausgeliefert werden: Björn Engholm hatte gegen das Titelbild geklagt, dieses wurde entfernt."). Die weiteren Fotomontagen in der Mai-Ausgabe haben dem ganzen dann noch "die Krone aufgesetzt".

Herr Engholm brauchte also keine Nachhilfestunde in Sachen Meinungsfreiheit, denn bereits seine Kritik an der April-Ausgabe war berechtigt.

Der Extra 3 Beitrag, um den es im Fall Böhmermann geht, ist dagegen klar von der Meinungsfreiheit gedeckt.

* Möglicherweise auch OLG Hamburg http://www.rechtsportal.de/Rechtsprechung/Rechtsprechung/1994/OLG-Hambur...

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MT schrieb:

Etwas Wasser auf die Mühlen der Böhmermann-Kritiker:

Quote:

Zwar nicht in genau derselben Form, aber so ähnlich ist schon vor mehr als 20 Jahren Schmähkritik vorgetragen worden, und zwar von mir selbst in der Titanic vom Mai 1993. Im Heft davor hatten wir den damaligen schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Björn Engholm auf dem Titel in die Barschel-Wanne gelegt, und darunter geschrieben „Sehr lustig, Herr Engholm.“ Engholm hatte daraufhin eine Pressekonferenz einberufen, und behauptet, dieser harmlose Titel sei „Schmutz total“; er würde dagegen klagen.

Als Engholm sich mit dieser Klage Zeit liess, entschied sich die Redaktion dazu, Engholm einmal zu zeigen, wie wirklich schlimmer, totaler Schmutz aussehen könnte. Ich demonstrierte das dann anhand einiger Fotokollagen ( die Achim Greser montierte). Unter anderem trat Engholm hier als Long Dong Silver auf (untenrum nackt mit extrem langer Rute) und als Polizeichef von Saigon, der gerade einen Vietcong abknallt. Beschriftet wurde das ganze mit einem Text, der sinngemäß erklärte: „Wenn wir wirklich Schmutz total hätten bringen wollen, hätte das so ausgesehen. Haben wir aber nicht.“

Das war in etwa der Dreh, den sich jetzt auch Böhmermann zu eigen gemacht hat. Dieser „Schmutz total“-Beitrag – und nicht wie vielfach geglaubt, der Badewannentitel, der einfach nur verboten wurde – hat die Titanic 40.000 DM Schmerzensgeld für Engholm gekostet.

http://www.prinzessinnenreporter.de/schmutz-total/

Dabei scheint es sich um OLG Frankfurt*, Az. 3 U 296/93, zu handeln (http://verfassungsblog.de/erlaubte-schmaehkritik-die-verfassungsrechtlic...). Das Urteil kann ich leider nicht einsehen.

Wobei man jetzt nicht so ohne Weiteres zivilrechtliche Schadensersatzansprüche mit Straftaten gleichsetzen sollte. Insofern müsste man sich schon genauer angucken, ob man die Argumentation wirklich übernehmen kann.

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Markus schrieb:

Wobei man jetzt nicht so ohne Weiteres zivilrechtliche Schadensersatzansprüche mit Straftaten gleichsetzen sollte. Insofern müsste man sich schon genauer angucken, ob man die Argumentation wirklich übernehmen kann.

Die verfassungsrechtlichen Aspekte sind mWn bei der strafrechtlichen Beurteilung auf Rechtfertigungsebene die gleichen wie bei der zivilrechtlichen Prüfung.

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Ich war seinerzeit rechtzeitiger Käufer beider Titanic-Hefte und habe das auch noch irgendwo daheim. Die Entscheidung des OLG Hamburg blieb seinerzeit nicht kritiklos und es ist ja auch bezeichnend, dass Engholm die Geschichte nach Hamburg gelegt hat. In Frankfurt wäre das mutmaßlich auch damals schon anders entschieden worden. Insbesondere das Barschel-Bild war schon ziemlich offensiv, wenn auch inhaltlich böse treffend. Engholm hat m.W. damals auch Strafantrag gestellt, die Sache scheint strafrechtlich aber im Sande verlaufen zu sein. Die Bilder aus der Mai Ausgabe (einschließlich des genialen Titelbilds "Nein diese Engholms, sie lassen sich das Baden nicht verbieten" mit einer Fotomontage aus einem 60er/70er-Jahre Softporno-Ausschnitt in der Badewanne), waren jetzt wirklich nicht besonders schlimm und die Art der Einbettung war eine ganz andere. Quasi-edukativ war da gar nichts, schmerzensgeldpflichtig war m.E. nach allein der Umstand, dass Engholm vortragen ließ die implizite Aufforderung den mutmaßliche Suizid Barschels nachzumachen verletze seine Menschenwürde. Dass das Engholm tiefer getroffen haben mag, als Erdogan realistischerweise die total überzogenen Sprüche von Zoophilie treffen sollten, kann ich sogar verstehen. Das mit der Badewanne hat ja einen deutlich größeren Realitätsbezug als irgendwelche Ziegenfickersprüche.

 

Dass Christian Schmidt jetzt die Meinung vertreten zu scheint, dass es niemand besser haben dürfe, weil er damals (m.E. auch zu Unrecht) eins aufs Dach bekommen hat, ist schon schwach. Ist das Niveau von "Ich bin als Kind auch geschlagen worden, dem tuen ein paar Prügel ganz Recht!"

 

Schade!

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Eine Verantwortung für das bewusste Missverstehen eines aus dem Kontext gelösten Inhalts kann man Böhmermann aus literaturwissenschaftlicher Sicht nicht zuweisen.

 

http://www.internet-law.de/2016/04/schmaehgedicht-und-rezeptionstheorie....

 

Eine derartiges Verständnis ist doch nur getragen von dem beseelten Wunsch Böhmermann von seiner Verantwortung freizusprechen. In quasi zu entmündigen.

 

Er wusste also weder, was er tat, noch was er sagte.

 

Unter dem Deckmantel "Das ist jetzt aber nicht erlaubt!" wird eine Fiktion vorangestellt zum Zwecke der Exkulpation. Solcherart ist kindisch und unstatthaft.

 

Exkulpierend kann eine solche Einlassung nur ausgelegt werden, wenn sie unabhängig davon wirkt, ob sie vor- oder nachgestellt wird.

 

Dies ist nicht der Fall. 

 

Abgesehen davon habe ich wirklich als Jugendlicher im Deutschunterricht so wie Böhmermann argumentiert:

"Wenn ich könnte, wie ich wolte und es nicht verboten wäre, dann würde ich jetzt sagen ´Du bist ein Affena...´"

Mit 16 Jahren haben ich dann diese Argumentation dann auch irgendwann abgelegt.

 

 

 

 

astroloop schrieb:

Unter dem Deckmantel "Das ist jetzt aber nicht erlaubt!" wird eine Fiktion vorangestellt zum Zwecke der Exkulpation. Solcherart ist kindisch und unstatthaft.

Zumal es ja, selbst wenn es ein zulässiges Argument wäre, hier gar nicht stimmt. B. macht in dem Gedicht ja auch Aussagen, die er offenkundig sehr ernst meint. "Christen hauen, Kurden treten" zum Beispiel. Die Behauptung, man müsse den Rahmen als Distanzierung vom Inhalt verstehen, greift doch nicht. Tatsächlich ist doch alles genau so wie es scheint: B. findet, dass E. ein Arsch ist. Nicht mehr, nicht weniger. Bitteschön. Darf er gerne. Darf er auch gerne mit anderen Worten ausdrücken. Aber halt nicht so.

 

Schöner Beitrag für alle Hyperventilierer:

http://www.br.de/mediathek/video/sendungen/quer/160414-quer-thema-boehme...

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Was sagen die Nicht-Kontextler eigentlich zur Wiedergabe des Böhmermann-Gedichts in diversen Mainstream Medien?

Z.B. die Verantwortlichen bei SPON (http://www.spiegel.de/kultur/tv/jan-boehmermann-das-sind-die-fakten-der-...) oder bz (http://www.bz-berlin.de/deutschland/so-erklaerte-boehmermann-den-untersc...) müssten sich nach der Meinung wegen Beleidigung strafbar gemacht haben, denn sie haben das Gedicht im Volltext bzw. die schmähenden Passagen zitiert. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung ist nicht gegeben, weil auch die Pressefreiheit hinter den nicht abwägungsfähigen, absolut geschützten Kern der Menschenwürde zurücktritt. Zudem ist der Kontext Presseberichterstattung unbeachtlich.

Das Ergebnis mutet doch etwas seltsam an.

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MT schrieb:

Was sagen die Nicht-Kontextler eigentlich zur Wiedergabe des Böhmermann-Gedichts in diversen Mainstream Medien?

Es behauptet ja niemand, dass jeder Kontext unzureichend ist. Ich habe z.B. oben geschrieben "B. findet, dass E. ein Arsch ist." Das ist offentlichtlich keine Beleidigung von E. Kontext ist natürlich wichtig. Das Problem ist, dass der Kontext von Bs Gedicht eben kein legitimer Kontext ist, sondern ein vorgeschobener Rahmen, um sich strafrechtlich zu immunisieren.

 

Wie an anderer Stelle geschrieben, kann die Rechtsordnung das schon deshalb nicht zulassen, weil dann in Zukunft jeder Internettroll seine rassistischen Ausfälle so rechtfertigen wird. Dann schreiben die halt Dinge wie: "Also in einem freien Land würde ich jetzt sagen, dass Flüchtlinge Schmarotzer und Vergewaltiger sind, aber das darf man hier ja nicht." Es will ja hoffentlich niemand ernsthaft argumentieren, dass wir sowas dann als legitime Meinungsäußerung über die Grenzen der Meinungsfreiheit hinnehmen müssen.

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Das ernsthafte (also nicht nur vorgeschobene) Zitat einer fremden Beleidigung ist schon tatbestandsmässig keine Beleidigung, nämlich kein vorsätzlicher Angriff auf die Ehre durch eine Kundgabe von Missachtung.

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Gast schrieb:

Das ernsthafte (also nicht nur vorgeschobene) Zitat einer fremden Beleidigung ist schon tatbestandsmässig keine Beleidigung, nämlich kein vorsätzlicher Angriff auf die Ehre durch eine Kundgabe von Missachtung.

Quelle?

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Gast schrieb:

MT schrieb:

Quelle?

Selbst. Denkender gelerner Jurist.

Fairer Einwand.

Sie haben auch wenigstens im Ergebnis bzgl. der Strafbarkeit Recht. Wenn nicht schon beim Tatbestand, ist spätestens auf Rechtfertigungsebene die Wiedergabe durch die Presse i.d.R. gerechtfertigt:

Quote:

So liegt es hier aber nicht. Tragfähig stellt das Kammergericht darauf ab, dass der Artikel nach seinem Sachzusammenhang keine Billigung der wiedergegebenen Fremdäußerung erkennen lässt. Durch die verwandten Anführungszeichen werde deutlich auf die Äußerung eines Dritten hingewiesen (dazu vgl. allgemein Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 4. Aufl., 1994, Rz. 4.103).

https://www.bverfg.de/e/rk20030930_1bvr086500.html#abs13

Das spricht aber dafür, dass der Kontext in jedem Fall zu beachten ist - selbst bei Schmähkritik (lag in der zitierten BVerfG Entscheidung vor, Rn. 12).

Weiterhin müssen bei mehreren möglichen Auslegungsvarianten immer alle nicht zur Verurteilung führenden Bedeutungen einer Aussage mit schlüssigen Gründen ausgeschlossen werden (https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/201...). Das muss m.E. auch für den Kontext gelten.

Es lässt sich aber kaum schlüssig ausschließen, dass Böhmermann nicht einen edukativen Zusammenhang - Grenze der Meinungsfreiheit - darstellen wollte. Dazu ist der Bezug zu Extra 3 zu aktuell. Das Gedicht ist zwar zugegebenermaßen nicht ganz kurz, der Kontext überwiegt aber sehr deutlich (s. bz http://www.bz-berlin.de/deutschland/so-erklaerte-boehmermann-den-untersc...). Böhmermann stellt das Gedicht vorher, nachher und mittendrin immer wieder in den Kontext Grenze der Meinungsfreiheit. Bei den türkischen Untertiteln nur unter dem Gedicht ist m.E. die satirische Anspielung auf Extra 3 zu beachten. Das dortige Lied wurde nachträglich untertitelt, nachdem die Einbestellung des deutschen Botschafters bekannt wurde. Das persifliert Böhmermann, indem er es sofort tut. Und letztlich wurde der deutsche Botschafter auch nicht nur wegen Extra 3 einbestellt, sondern 2016 insgesamt drei Mal - aus deutscher Sicht unberechtigt -  im Zusammenhang mit Meinungsfreiheit (https://www.tagesschau.de/ausland/tuerkei-botschafter-103.html).

Danach ergibt sich m.E. in der Gesamtschau keine Strafbarkeit.

 

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MT schrieb:

Weiterhin müssen bei mehreren möglichen Auslegungsvarianten immer alle nicht zur Verurteilung führenden Bedeutungen einer Aussage mit schlüssigen Gründen ausgeschlossen werden (https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/201...). Das muss m.E. auch für den Kontext gelten.

Es lässt sich aber kaum schlüssig ausschließen, dass Böhmermann nicht einen edukativen Zusammenhang - Grenze der Meinungsfreiheit - darstellen wollte. 

Der erste Punkt ist richtig, hier aber mE nicht schwierig, denn es gibt keine sinnvolle Auslegungsvariante außer der, dass B E halt beleidigen wollte. Wenn Sie sagen, es gäbe einen sinnvollen Zusammenhang, müssen Sie auch sagen, worin dieser konkret besteht. Also nicht nur sagen, es hat etwas mit Meinungsfreiheit zu tun, sondern konkret erklären, worin die Aussage bestehen soll.

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Geht man von der Rechtfertigungsidee aus müsste es eigentlich auch noch auf andere Fragen ankommen:

 

Zuerst müsste man die Frage stellen: Hätte Böhmermann seine Meinung, soweit schützenswert, nicht auch auf eine Weise ausdrücken können, die Erdogans Ehre weniger beeinträchtigt? Wenn ja, dann war Böhmermann unnötig grausam und es wär zu überlegen, warum der überschiessende Teil von der Meinungsfreiheit gedeckt sein sollte, insbes. soweit er vorsätzlich war (die "edukativen Absicht" allein hätte z.B. wohl ganz ohne Beleidigung realisiert werden können).

Hat man eine Lösung ermittelt, die das Meinungsausdrucksbedürfnis voll erfüllt und minimal invasiv ist bzgl. der Ehrverletzung, müsste man eigentlich noch fragen, ob die Sache verhältnismässig ist. Also: Wär es z.B. gerechtfertigt jemandes Ehre so total wie hier zu zerstören, wenn man eigentlich nur seine Meinung über etwas vollkommen triviales (z.B. wo es den besten Döhner gibt) ausdrücken will.

 

Wenn das kleinste Quantum an Sachbezug oder Belehrungswille ausreicht um beliebige Ehrverletzungen zu rechtfertigen, ist das eigentlich keine Abwägung mehr sondern die vollständige Überlagerung eines Grundrechts durch ein anderes. 

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Erstaunlich finde ich, dass im Verfassungsblog nach meiner Wahrnehmung erstmalig der Begriff des "edukativen Charakters" verwendet wurde und diese Wortschöpfung nun geradezu begierig als Rechtfertigung allerorts dient.

 

Ein Gast hat das Gedicht eben noch im Volltext zitiert und es wurde gleich gelöscht (ich war es nicht)

 

Was ich bedingt schade finde, aber es ist umgehend einsichtig, dass die Verbalinjurien des Gedichtes selbst keinen Kontext zu erzeugen vermögen. Anders ist dies Beispielsweise bei den Spitzen eines Volkers Pispers. Dessen Programm kann auch in reiner Textform als Satire wahrgenommen werden.

 

Wenn der Kontext darin bestehen soll, dass sich einer eine Narrenkappe aufzieht oder einfach sagt: "An diesem Sendeplatz mache ich jede Woche schlechte Witze.", dann wäre das eine überbordende Freisprechungsregel.

 

Der Mann hat überzogen. Solcherlei Aktionen bedürfen keines Schutzes.

 

Insbesondere wenn er selbst voranstellt, die Grenzen der Meinungs- und Kunstfreiheit austesten zu wollen.

 

Soll dass Gericht ihn halt mal "edukativ" darin bestätigen, dass derlei in Deutschland verboten ist.

 

Und nebenbei: Bei §103 gleich abwertend von Majestätsbeleidigung zu sprechen, da Erdogan der Privatklageweg offensteht, ist auch nicht zielführend.

 

Dann können wir ja auch den Sinn von Staatsbegräbnissen in Frage stellen. Das macht Herr Maas aber nicht, schliesslich findet er es geil, medienwirksam in der ersten Reihe zu sitzen.

 

Ich denke, es könnte eine Rolle spielen, dass die türkischsprachige Übersetzung nur das Gedicht betraf, nicht den Kontext. D.h. für eine bestimmte Zielgruppe (Menschen, die nur türkisch verstehen, nicht deutsch) gab es gar keinen "Kontext", ob  nun "edukativ" gemeint  oder nicht. Zumindest für diese Empfängergruppe könnte dann eine Beleidigung gegeben sein, selbst wenn dies für deutsch verstehende Menschen nicht der Fall wäre.  Es ist eine bewusste Entscheidung, nur Teile einer Sendung zu untertiteln. Ob Herr Böhmermann diese Entscheidung getroffen hat, weiß ich nicht. Insofern wird auch nach dem Vorsatz zu fragen sein.

Henning Ernst Müller schrieb:

Ich denke, es könnte eine Rolle spielen, dass die türkischsprachige Übersetzung nur das Gedicht betraf, nicht den Kontext. D.h. für eine bestimmte Zielgruppe (Menschen, die nur türkisch verstehen, nicht deutsch) gab es gar keinen "Kontext", ob  nun "edukativ" gemeint  oder nicht. Zumindest für diese Empfängergruppe könnte dann eine Beleidigung gegeben sein, selbst wenn dies für deutsch verstehende Menschen nicht der Fall wäre.  Es ist eine bewusste Entscheidung, nur Teile einer Sendung zu untertiteln. Ob Herr Böhmermann diese Entscheidung getroffen hat, weiß ich nicht. Insofern wird auch nach dem Vorsatz zu fragen sein.

Und ansonsten hielten Sie den Kontext für ausreichend?

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