LAG Düsseldorf: Fehlerhafte Betriebsratsanhörung

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 15.06.2022
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht1|2442 Aufrufe

1. Die ernsthafte Bedrohung des Vorgesetzten und seiner Familie mit körperlicher Gewalt rechtfertigt eine fristlose Kündigung.

2. Gibt die Arbeitgeberin in einem solchem Fall aus Versehen in der Betriebsratsanhörung die Sozialdaten des Klägers unzutreffend an (ledig, keine Kinder anstelle zutreffend verheiratet, ein Kind) und waren dem Betriebsrat im Zeitpunkt der Einleitung der Anhörung die zutreffenden Sozialdaten bekannt, führt dies nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung aufgrund fehlerhafter Betriebsratsanhörung.

Das hat das LAG Düsseldorf entschieden.

Der Kläger ist Busfahrer bei der Beklagten, die im Auftrag der Stadtwerke Neuss den Öffentlichen Personennahverkehr bedient. Er ist verpflichtet, Einnahmen aus dem Barverkauf von Fahrausweisen bei Erreichen eines Wertes von 350 Euro, spätestens aber nach drei Kalendertagen einzuzahlen. Wegen Verstoßes gegen diese Anordnung ist er mehrfach abgemahnt worden. Am 12.2.2020 kam er nach dem Vortrag der Beklagten in den Betrieb, um eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung abzugeben. Er sei ohne Begrüßung an dem Vorgesetzten B. vorbei gegangen und habe dann gesagt, dass er zum letzten Mal mit ihm sprechen wolle. Sie hätten sich dann hingesetzt und der Kläger habe angefangen, Herrn B. zu beschimpfen. Dann habe er Herrn B. gefragt, wer die Abmahnung in seinen Briefkasten geworfen habe. Als Herr B. geantwortet habe, dass er dies gemeinsam mit einem Kollegen aus Mönchengladbach gewesen sei, habe der Kläger mit den Worten reagiert:

Ihr Ochsen, wenn ich noch einmal einen von euch vor meiner Haustür oder meinem Briefkasten sehe, werde ich euch schlagen, dann kann nicht mal die Polizei euch helfen.

Im Anschluss habe der Kläger sich über die Einteilung im Dienstplan geärgert und mitgeteilt, dass er gemobbt werde. Zudem habe er im weiteren Verlauf des Gespräches zu Herrn B. gesagt:

Ochse, Du musst in Zukunft auf dich und deine Familie achten, ich werde euch fertig machen.

Daraufhin hörte die Beklagte den bei ihr gebildeten Betriebsrat zur beabsichtigten außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung an. In dem Anhörungsschreiben gab die Beklagte die Sozialdaten des Klägers versehentlich und unzutreffend wie folgt an: "Familienstand: ledig; Kinder: keine". Dem Betriebsrat war bekannt, dass der Kläger, welcher selbst jahrelang Mitglied des Betriebsrats gewesen war, tatsächlich verheiratet war und ein Kind hatte. Der Betriebsrat hörte den Kläger zu den Vorwürfen an. Am 25.2.2020 nahm der Betriebsrat abschließend Stellung. Er widersprach den beabsichtigten Kündigungen und wies die Beklagte u.a. darauf hin, dass der Kläger verheiratet und einem Kind gegenüber unterhaltspflichtig sei. Mit Schreiben vom 26.2.2020 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos, hilfsweise fristgerecht zum 30.6.2020 sowie hilfsweise zum nächst zulässigen Termin.

Die Kündigungsschutzklage blieb in erster und zweiter Instanz erfolglos. Die Revision wurde zugelassen.

LAG Düsseldorf, Urt. vom 19.1.2022 – 12 Sa 705/21, Volltext hier

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1 Kommentar

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Eine interessante Entscheidung des LAG Düsseldorf. Die Betriebsratsanhörung war zwar objektiv fehlerhaft, das soll aber nach Auffassung des LAG unbeachtlich sein. Die Begründung ist aus meiner Sicht nicht voll überzeugend. Das LAG hat - ausdrücklich im Hinblick auf die Betriebsratsanhörung - die Revision zugelassen. Bin gespannt, was das BAG sagt...

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