HENNING KLEBT FEST! - im Sitzungssaal. Und nun?!
von , veröffentlicht am 24.02.2023Köstlich. Klima-Kleber sind unbequem. Wollen sie ja auch sein. Terroristen sind sie sicher nicht. Durch die Tagespresse gestern ging ein junger Mann mit dem Vornamen Henning, der sich offenbar gegen einen Strafbefehl wehrte. Und wie es sich für einen Klima-Kleber gehört, klebte er sich fest. Diesmal dummerweise im AG Tiergarten. Meldung und Foto HIER. Die weitere Verfahrensweise des Gerichts war laut Presse wohl ein Hinausschaffen und Weiterverhandeln. Den Tisch durfte er sogar behalten und zog mit dem davon. Witzig! Ich fragte mich sofort: Ginge es auch prozessual anders?
Klar. Heißester Tipp für solche Fälle der Hauptverhandlung nach Einspruch gegen den Strafbefehl, wenn die Sitzung schon mit der Klebeaktion beginnt: Einfach kleben lassen. Die Sitzung gem. § 229 StPO für 5 Minuten unterbrechen und in einem anderen Sitzungssaal fortsetzen. Der Angeklagte muss dann zusehen, wie er rechtzeitig da ist. Wenn er eine*n Verteidiger*in hat, kann die/der dann für ihn auftreten, vgl. § 412 StPO. Man könnte die Anordnung des persönlichen Erscheinens dann einfach aufheben.
Wenn Henning sich bereits eingelassen hätte, bedürfte es noch nicht einmal der Aufhebung der Anordnung des persönlichen Erscheinens um normal zu verhandeln. Dann könnte man auch nach Unterbrechung und Fortsetzung 5 Minuten später an anderem Ort ohne ihn so verhandeln...vgl.
§ 232
Durchführung der Hauptverhandlung trotz Ausbleibens des Angeklagten
(1) Die Hauptverhandlung kann ohne den Angeklagten durchgeführt werden, wenn er ordnungsgemäß geladen und in der Ladung darauf hingewiesen worden ist, daß in seiner Abwesenheit verhandelt werden kann, und wenn nur Geldstrafe bis zu einhundertachtzig Tagessätzen, Verwarnung mit Strafvorbehalt, Fahrverbot, Einziehung, Vernichtung oder Unbrauchbarmachung, allein oder nebeneinander, zu erwarten ist. Eine höhere Strafe oder eine Maßregel der Besserung und Sicherung darf in diesem Verfahren nicht verhängt werden. Die Entziehung der Fahrerlaubnis ist zulässig, wenn der Angeklagte in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist.
(2) Auf Grund einer Ladung durch öffentliche Bekanntmachung findet die Hauptverhandlung ohne den Angeklagten nicht statt.
(3) Das Protokoll über eine richterliche Vernehmung des Angeklagten wird in der Hauptverhandlung verlesen.
(4) Das in Abwesenheit des Angeklagten ergehende Urteil muß ihm mit den Urteilsgründen durch Übergabe zugestellt werden, wenn es nicht nach § 145a Abs. 1 dem Verteidiger zugestellt wird.
Diese Möglichkeit könnte man also auch in den Fällen einer normalen Verhandlung nach eröffneter Anklage wählen...
Ich frage mich dann noch, was eigentlich mit dem Tisch ist. Muss Henning den zurückbringen? Darf Henning den Tisch wegwerfen, verschenken, verkaufen? Vielleicht gar als Trophäe? Oder würde er sich etwa wegen Unterschlagung strafbar machen? Und wer entscheidet eigentlich so kurzfristig über das "Verschenken" eines Tisches? Wahrscheinlich bekomme ich darauf hier gar keine Antworten ;-)
Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
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42 Kommentare
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Einen Tisch mit Sekundenkleber zu bestreichen stellt eine Sachbeschädigung nach § 303 StGB dar, und verpflichtet gemäß § 823 BGB zum Schadenersatz (§ 249 BGB, grundsätzlich Naturalrestitution, also Erstattung der Kosten für Kauf und Lieferung und Aufbau bzw. Einbau eines neuen gleichwertigen Tisches).
Außerdem käme wohl der Straftatbestand des § 240 StGB, also der Nötigung, in Bertracht.
Eventuell auch ein Ordnungsgeld?
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Frida Kahlo und ihr Mann (von Beruf ebenfalls Kunstmaler) pflegten, wenn sie zum Essen gingen, gemeinsam die Tischdecke des Restaurants zu bemalen. Ich kenne ja das mexikanische Zivilrecht in diesem Punkt nicht. Aber nach deutschem Zivilrecht hätten Frida Kahlo und ihr Mann gem. § 950 BGB Eigentum an der Tischdecke erworben, wären natürlich im Gegenzug dem Restaurant zum Wertersatz der Tischdecke verpflichtet gewesen. Vielleicht stellen also Henning und der Tisch ein Gesamtkunstwerk dar? Vielleicht geht eines Tages Henning und der Tisch in die Kunstgeschichte ein?
Paddington kommentiert am Permanenter Link
Weil der junge Mann meinte, er habe sich an den Tisch kleben müssen, stellt sich mir eher die Frage ob ihn nicht mal Psychiater anschauen könnte.
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Sie meinen wohl die Anordnung einer MPU? Aber wir wissen doch gar nicht, ob der Täter überhaupt einen Führerschein hat. Und eine Klebeaktion im Gerichtsaal stellt wohl nicht die geistige oder charakterliche Eignung zur Teilnahme am Straßenverkehr oder zum Führen von Kraftfahrzeugen in Frage. Anders wäre es vielleicht, wenn er sich in der Ausfahrt oder Einfahrt zur Tiefgarage des Gerichts auf die Fahrbahn festklebt, oder auf der Straße vor dem Gericht.
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Anderen Quellen zufolge ist der Angeklagte außerdem in Berlin aus politischen Motiven unvermittelt und absichtlich trotz fließendem Verkehr bei Rot über eine Fußgängerampel bzw. über die Straße gelaufen, um die Autofahrer zu Gefahrenbremsungen zu zwingen, so daß es nur durch die Aufmerksamkeit und schnelle Reaktion der Autofahrer nicht zu einem Unfall kam, so daß also möglicherweise auch ein gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr vorliegt, der wohl eine Anordnung einer MPU oder Entziehung der Fahrerlaubnis (und ggf. eine Führerschein-Sperre) rechtfertigen könnte?
Falls der Täter sich mit anderen Mittätern oder Tatbeteiligten (etwa mit Unterstützern welche die Tat filmen und mithilfe der Tat-Videos bei Sympathisanten um Spenden werden) solchen oder gleichartigen Straftaten planmäßig verabredet hat, käme wohl vielleicht sogar auch der Straftatbestand der Bildung einer kriminellen Vereinigung in Betracht?
Paddington kommentiert am Permanenter Link
Nein.
Carsten Krumm kommentiert am Permanenter Link
Falls Blogleser*innen weitere Erfahrungen wünschen, kann man auch beim Protesttraining teilnehmen. HIER
Die letzte Generation hat übrigens getwittert, dass "das Gericht alle Eigentumsrechte an dem Tisch aufgegeben" habe. Der Tisch gehöre jetzt Henning. Schön für ihn.
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Ich hätte gedacht, daß der Tisch im Eigentum des Bundeslandes, zu dem das Gericht gehört, steht.
Daß das Gericht (welches doch wohl keine juristische Person ist?) selber Eigentum an dem Tisch haben soll, und ihn übereignen darf, überrascht mich etwas.
Es ist auch nicht etwa zu erwarten, daß der Tisch im (privat-)Eigentum des Vorsitzenden stünde.
Aber, nunja, wenn Menschen sich schwer verständlich verhalten, schaffen sie nicht selten schwer verständliche Situationen.
Waldemar R. Kolos kommentiert am Permanenter Link
Eine interessante Frage: Wem gehört das Eigentum an sachlicher Ausstattung eines Amtsgerichts und wer darf darüber verfügen?
Zuständig für die sachliche Ausstattung sind in der Regel die Präsidenten der OLGs bzw. ihre Justizverwaltungen. Sie kaufen und verwalten das benötigte Inventar eines Amtsgerichts. Streng genommen sollte sich in jedem Gerichtszimmer und in jedem Gerichtssaal eine Liste befinden, in der alle Ausstattungsgegenstände verzeichnet sind. Sicher kann das in dem einen oder anderen Bundesland anders geregelt sein.
Wenn auch die OLG-Verwaltung über Anschaffung und Aussonderung von Ausstattungsgegenständen entscheidet, dann erwirbt bzw. verfügt sie wohl kaum über das Eigentum des jeweiligen OLG Präsidenten, sondern vermutlich über das Eigentum des jeweiligen Bundeslandes. Die Entscheidung trifft der OLG-Präsident durch den zuständigen Beamten oder (weisungsgebundenen) Richter seiner Verwaltung und nicht ein die Sitzung führender Amtsrichter.
Sollte der Amtsrichter dem Henning tatsächlich erlaubt haben, den Tisch mitzunehmen, dann stellt sich die Frage der Strafbarkeit. Beihilfe zum Diebstahl, Veruntreuung?
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Vermutlich waren die Worte des Richters satirisch gemeint. Er machte sich damit wohl über das Verhalten des Angelagten, der sich im Gerchtsaal an einen Tisch festklebte, lustig. Allerdings scheinen der angeklagte Klimakleber und seine Gruppierung das wohl nicht verstanden zu haben, sondern seine Gruppe äußerte sich im Internet ja wohl quasi stolz darüber, daß der Tisch nun ihnen bzw. dem Angeklagten gehöre (quasi so als sei der Angeklagte ein erfolgreicher Eroberer und der Tisch seine Beute).
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Geldstrafen für Klimaaktivist Henning Jeschke (lto.de)
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Haftstrafe für Aktivistin der letzten Generation (lto.de)
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Klimaaktivistin Carla Hinrichs in Frankfurt verurteilt (msn.com)
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Keine Überprüfung von Schmerzgriff im Eilverfahren (lto.de)
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Sprecherin der "Letzten Generation" verurteilt (lto.de)
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Nach Schmerzgriff: Klatsche für Klima-Kleber vor Gericht - FOCUS online
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Klimaprotest und Notwehr: Wann und in welchem Umfang der Einsatz von Gewalt gegen strassenblockierende Klimaaktivisten zulässig ist und wie sich die Justiz bisher dazu verhält, untersucht die Mo-taz (Christian Rath). Nach Ansicht insbesondere der Berliner Staatsanwaltschaft liege hier in der Regel keine Notwehr vor, weil es "zumutbar" sei, auf ein zeitnahes Eintreffen der Polizei zu warten. In anderen großen Städten gebe es keine so eindeutige Linie wie in Berlin, dort betrachte man jeweils den Einzelfall.
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VG Berlin zu Klimaprotest: Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden, dass die Berliner Polizei kein präventives Verbot aussprechen darf, sich bei Protesten an Straßen des übergeordneten Straßennetzes festzukleben. Dem Verbot sei nicht zu entnehmen, welche Straßen explizit erfasst seien. Die Anlage zum Bescheid über "die Straßen des übergeordneten Straßennetzes" sei so stark verkleinert, dass sie kaum lesbar sei. Es schreibt LTO.
AG Heilbronn zu Klimaprotest: Das Amtsgericht Heilbronn hat zwei Männer und eine Frau, die Aktivist:innen der "Letzten Generation" sind, wegen Nötigung zu Freiheitsstrafen von fünf, vier und drei Monaten ohne Bewährung verurteilt, weil sie wenige Stunden nach einer vorherigen Verurteilung wieder eine Straße blockiert hatten. Das erste Urteil sei nicht zum Anlass genommen worden, das eigene Verhalten zu hinterfragen, so die Richterin. Bei dem Urteil handelt es sich um das bislang härteste, das in Deutschland gegen Mitglieder der Gruppierung verhängt wurde. Es schreibt spiegel.de.
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AG Heilbronn zu Klimaprotest: Nach der Verurteilung von Mitgliedern der "Letzten Generation" zu Haftstrafen wegen Straßenblockaden stellt bild.de (Hagen Stegmüller) Amtsrichterin Julia Schmitt als "Deutschlands härteste Richterin" vor. Die von ihr vertretene Rechtsansicht, parallele neue Ermittlungsverfahren gegen Angeklagte seien strafverschärfend zu berücksichtigen, sei umstritten.
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Klimaproteste und Notstand: Ronen Steinke (SZ) behauptet im Feuilleton, die Bundesregierung verstoße gegen das Pariser Abkommen zum Klimaschutz und erwägt, ob daraus den Aktivist:innen der Letzten Generation deshalb "nicht ein Recht zusteht, selbst einzuschreiten". Derzeit gelte aber noch: wenn jemand zu 'zivilem Ungehorsam' greife, gehöre dazu, "dass man seine Strafe annimmt." Mit zunehmender Dringlichkeit des Klimaschutzes könne sich dies aber ändern.
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Klimaproteste/Buschmann: Anlässlich der von der "Letzten Generation" angekündigten Intensivierung der Protestaktionen insbesondere in Berlin hat Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) eine historische Parallele zu den Straßenprotesten vor hundert Jahren gezogen. In den 1920er und 1930er Jahren habe es in Berlin straßenschlachtartige Zustände gegeben, weil sich Menschen am linken und rechten politischen Rand selbst ermächtigt fühlten, sich über die Rechtsordnung zu stellen und die eigenen Vorstellungen mit der Faust durchzusetzen, wird Buschmann auf LTO zitiert.
"Man muss den Satz mehrfach lesen, denn er wird jedes Mal dümmer" – so das harsche Urteil von Patrick Bahners (Sa-FAZ). Der Unterschied, so Bahners: "Die SA verachtete die Verfassung und wollte sie mit Gewalt abschaffen, die „Letzte Generation“ will dem Grundgesetz, so, wie sie es versteht, zur Geltung verhelfen." Zivilen Ungehorsam zu diesem Zweck könne man kritisieren, aber nicht mit dem dummen Spruch, Recht sei Recht und müsse durchgesetzt werden. Auch Maximilian Steinbeis (Verfassungsblog) wundert sich über die Äußerung: "Die Letzte Generation in Zusammenhang mit ausgerechnet dem Roten Frontkämpferbund zu setzen, wäre eine wahrhaftig sagenhaft bescheuerte Idee und eine Parallele zwischen irgendwelchen aufgelösten Autofahrern und der SA schon sowieso", schreibt er in seinem Editorial.
Klimaproteste/Verkehrsblockaden: Lars Nielsen stellt im JuWissBlog die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Sitzblockaden vor und stimmt ihr zu. Es sei richtig, dass im Einzelfall zwischen dem Beeinträchtigungsmittel und dem Kommunikationszweck abgewogen werden muss.
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AG Berlin-Tiergarten zu Klimaprotest: Nun berichten auch zeit.de und LTO, dass das Amtsgericht Berlin-Tiergarten erstmals in Berlin eine (viermonatige) Freiheitsstrafe ohne Bewährung gegen eine Klima-Aktivistin ausgesprochen hat. Die aus Bayern stammende Frau hatte sich im vergangenen Sommer in der Berliner Gemäldegalerie am Holzrahmen eines Gemäldes festgeklebt und sich zudem an einer Straßenblockade beteiligt.
Klimaprotest/Notwehr: Auf dem JuWiss-Blog gibt der Diplomjurist Lars Nielsen eine Replik auf einen Blog-Beitrag von Jendrik Wüstenberg vom 11. April, der die mediale Berichterstattung über Klimaproteste kritisierte, die ein Notwehrrecht der Autofahrer:innen relativiere und aushöhle. Nielson weist darauf hin, dass gerade die Existenz einer Notwehrlage und die Gebotenheit der Notwehrhandlung in Frage stehen und durch die mediale Berichterstattung versucht werde, eine Putativnotwehr oder einen intensiven Notwehrexzess zu vermeiden.
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Klimaprotest/Wissing: Im Leitartikel kritisiert Reinhard Müller (FAZ) das Treffen von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) mit Mitgliedern der "Letzten Generation". Im demokratischen Rechtstaat sei es selbstverständlich, miteinander zur reden. Ebenso offen stünden Möglichkeiten, Anliegen öffentlich und im Rahmen rechtsstaatlicher Verfahren voranzutreiben. Der von der Gruppe beschrittene Weg schade jedoch den Menschen, verhöhne den Rechtsstaat und beinhalte die Gefahr einer Willkürschaft.
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Klimaprotest und Rechtsstaatlichkeit: Der akademische Mitarbeiter Mathias Honer befasst sich in der FAZ mit dem Begriff der Rechtsstaatlichkeit. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass dieser immer wieder angeführt werde, um ein härteres Vorgehen gegen Klimaaktivist:innen zu fordern, stellt der Autor klar, dass sich der Begriff nicht für den Rechtsgehorsam der Bürger:innen ins Feld führen lasse. Denn der Rechtsstaat verlange nicht die Rechtsbindung der Bürger:innen, sondern die Rechtsbindung des Staates im Interesse individueller Selbstbestimmung.
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Klimaprotest/Bezahlung fremder Geldstrafen: Nachdem der ethisiche Investment-Anbieter Ökoworld AG zunächst angekündigt hatte, Geldstrafen und Gebührenbescheide gegen Klimaaktivist:innen der "Letzten Generation" uneingeschränkt zu übernehmen, ist der Vorstandsvorsitzende der Ökoworld AG nun zurückgerudert, wie taz.de (Christian Rath) berichtet. Er begründete den Schritt mit massiven Anfeindungen. Stattdessen will er nun mit Unterstützung anderer Privatpersonen 20.000 Euro Privatvermögen an den Umwelt-Treuhandfonds überweisen, der Klimaaktivist:innen mit Rechtsrat und auch bei Geldstrafen unterstützt.
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Klimaprotest vor Gericht: Die "Gangart" der Gerichte gegen die Aktivist:innen der Letzten Generation werde härter, schreibt Rechtsprofessor Arnd Diringer in seiner WamS-Kolumne "Recht behalten". Lange Zeit konnte der Eindruck entstehen, die Aktivist:innen müssten nur Geldstrafen befürchten, nun aber verhängten mehrere Amtsgerichte auch Freiheitsstrafen zwischen zwei und fünf Monaten. Schon so mancher habe vor Gericht eine größere Klappe gehabt, als nach einem Gefängnisaufenthalt, schreibt Diringer. Und vielleicht werden sich auch andere nun genauer überlegen, ob sie sich an den Straftaten der Letzten Generation beteiligen.
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VG Berlin zu Klimaprotesten/Schmerzgriff: Das Verwaltungsgericht Berlin hat den Antrag eines Aktivisten der "Letzten Generation" abgelehnt, der im Eilverfahren die Feststellung der Rechtswidrigkeit der gegen ihn von der Polizei zur Vollstreckung eines Platzverweises angewendeten "Handbeugetransporttechnik" begehrte. Die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer erledigten behördlichen Maßnahme könne grundsätzlich nur im Hauptsacheverfahren erreicht werden. Die Ausnahme einer Wiederholungsgefahr sei hier nicht gegeben – obwohl der Aktivist angekündigt hat, an weiteren Sitzblockaden teilzunehmen. Es berichten taz-Berlin und LTO.
AG Frankfurt/M. zu Klimaprotest: Die Sprecherin der "Letzten Generation", Carla Hinrichs, ist vom Amtsgericht Frankfurt/M. wegen Nötigung zu zwei Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt worden. Nach einer Straßenblockade im April 2022 wurde die 26-Jährige im März per Strafbefehl zu einer Geldstrafe von 1.800 Euro verurteilt, wogegen sie Einspruch einlegte. Im Hauptverfahren, in dem sie sich selbst verteidigte, wurde sie nun zu der Bewährungsstrafe verurteilt. LTO berichtet.
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Möllers zu Wahlrecht und Klimaprotest: In einem ausführlichen Interview mit der WamS (Thorsten Jungholt/Jacques Schuster) zeigt sich Rechtsprofessor Christoph Möllers grundsätzlich zufrieden mit der Reform des Bundestagswahlrechtes, an der er als Sachverständiger auch selbst beteiligt war. Er regt an, statt über die Wiedereinführung der Grundmandatsklausel besser über eine Vier-Prozent-Hürde nachzudenken – das wäre, so meint er, "juristisch schlüssiger". Die Verkehrsblockaden von Klimaaktivist:innen bewertet Möllers als "politisch keine gute Strategie". Es sei aber auch "nicht der Weisheit letzter Schluss" auf Protest im öffentlichen Raum mit dem Strafrecht zu reagieren. Er sei kein Anhänger der Klebeaktionen, aber verfassungsrechtlich sei es nicht so trivial, das als Straftat abzuhandeln, so Möllers.
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LG Potsdam zu "Letzte Generation": Das Landgericht Potsdam hat den Anfangsverdacht bestätigt, dass es sich bei der "Letzten Generation" um eine kriminelle Vereinigung handeln könnte und wies damit die Beschwerde eines Aktivisten gegen einen von der Staatsanwaltschaft Neuruppin veranlassten Durchsuchungsbeschluss zurück. Der Beschluss bezog sich auf Aktionen gegen eine Raffinerie in Schwedt. Es schreibt der Tsp (Julius Geiler).
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LG Potsdam zu "Letzter Generation": Reinhard Müller (FAZ) begrüßt in einem Kommentar die vom Landgericht Potsdam bestätigte Annahme eines Anfangsverdachts gegen die "Letzte Generation", dass es sich bei dieser um eine kriminelle Vereinigung handeln könnte. Dies liege nahe, wenn die Gruppe die Begehung von Straftaten bezwecke. Der Rechtsstaat könne "sich nicht auf der Nase herumtanzen lassen."
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AG Augsburg – Klimaprotest: Das Amtsgericht Augsburg erließ Haftbefehle gegen zwei Klimaaktivist:innen, die nicht zum Prozess erschienen sind. Sie sind wegen Hausfriedensbruch und übler Nachrede gegen Personen des öffentlichen Lebens angeklagt, wie bild.de berichtet.
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LG Berlin zu Klimaprotest: Auf dem Verfassungsblog analysiert Rechtsprofessor Martin Heger den nun veröffentlichten Beschluss des Landgerichts Berlin vom 31. Mai, mit dem die Verurteilung eines Mitglieds der "Letzten Generation" wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte – nicht jedoch wegen Nötigung – bestätigt wurde. Der Beschluss deute an, dass der Ausgangspunkt für eine Strafbarkeit nach § 113 StGB bereits darin liegen könne, sich während der Vollstreckungshandlung immer wieder auf die Fahrbahn niederzulassen. Damit werde der Umstand, dass aber nur der Widerstand mittels Gewalt gegen den Vollstreckungsbeamten (oder der Drohung mit Gewalt) tatbestandsmäßig sein kann, "möglicherweise nicht gebührend berücksichtigt."
AG Berlin-Tiergarten zu Klimaprotest: spiegel.de (Wiebke Ramm) berichtet über ein Urteil des Amtsgerichts Berlin-Tiergarten zu Wolfgang Metzeler-Kick, einem 48-Jährigen Aktivisten der Letzten Generation, der wegen Nötigung in fünf Fällen zu einer Geldstrafe in Höhe von 120 Tagessätzen à 15 Euro verurteilt wurde. Gegen Metzeler-Kick gibt es etwa 80 offene Strafverfahren und er rechnet damit, irgendwann im Gefängnis zu landen.
AG Berlin-Tiergarten mit Abteilungen für Klimaproteste: Wie die Staatsanwaltschaft Berlin mitteilte, sollen sich am Amtsgericht-Tiergarten fortan bis zu fünf Abteilungen alleine mit beschleunigten Verfahren zu Straftaten von Aktivist:innen der Letzten Generation beschäftigen. Besetzt sind vorerst zwei Abteilungen mit zwei jungen Richtern auf Probe. Bei Bedarf sollen weitere Richter:innen abgeordnet werden. Zuvor hatte die StA mitgeteilt, die Aktivist:innen im beschleunigten Verfahren anzuklagen. taz-Berlin (Erik Peter) berichtet.
Waldemar R. Kolos kommentiert am Permanenter Link
"Mit der Garantie des gesetzlichen Richters will Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG der Gefahr vorbeugen, dass die Justiz durch eine Manipulation der rechtsprechenden Organe sachfremden Einflüssen ausgesetzt wird. Es soll vermieden werden, dass durch eine auf den Einzelfall bezogene Auswahl der zur Entscheidung berufenen Richter das Ergebnis der Entscheidung - gleichgültig von welcher Seite - beeinflusst werden kann." (St. Rspr. des BVerfG)
Aus dem Geschäftsverteilungsplan 2023 des AG Tiergarten vom 7.12.2022 sind für beschleunigte Verfahren (§ 417 ff. StPO) auf Antrag der Staatsanwaltschaft die Abteilung 223 und 224 zuständig, beide jeweils mit einer halben Richterstelle besetzt. Wäre nur eine Abteilung mit einer ganzen Richterstelle für alle beschleunigten Verfahren zuständig, dann hätte die Staatsanwaltschaft selbst in der Hand, mit ihrem Antrag auch den gesetzlichen Richter zu bestimmen. Das wäre kaum mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen an den gesetzlichen Richter vereinbar. Wenn nach dem aktuellen Stand des Geschäftsverteilungsplans die Staatsanwaltschaft mit ihrem Antrag die Auswahl auf zwei Richter von einer Unmenge an Strafrichtern beim AG Tiergarten beschränkt, dann dürfte sehr fraglich sein, ob damit noch der gesetzliche Richter garantiert ist.
Waldemar R. Kolos kommentiert am Permanenter Link
"Die beiden Beschuldigten sind wegen gegen Personen des politischen Lebens gerichtete üble Nachrede und Hausfriedensbruch angeklagt." (Bild)
Über Augsburger Justiz kann man ja immer wieder staunen. Anklage wegen Hausfriedensbruch und üble Nachrede? Üblicherweise werden diese Delikte mit dem Strafbefehl geahndet. Es scheint aber kein Redaktionversehen der Bild sein. Es wird tatsächlich Anklage erhoben worden sein. Denn ansonsten würde das mit dem Haftbefehl bei Terminsäumnis nicht passen. Im Strafbefehlverfahren wird der Einspruch (zwingend) verworfen, wenn der Angeklagte zu HV nicht erscheint.
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LG Berlin zu Klimaprotest: Rechtsanwältin Annika Dießner analysiert im Verfassungsblog eine Entscheidung des Landgerichtes Berlin, in der der Tatbestand der Nötigung in Bezug auf eine Blockade durch Aktivisten der "Letzten Generation" verneint, ein Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte dagegen bejaht wurde. Ursache für die "heterogen anmutende Entscheidung" könnte sein, dass der Beschluss nicht einstimmig erfolgt sei, vermutet Dießner.
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Klimaprotest: Der Politikwissenschaftler Andreas Püttmann kritisiert im FAZ-Einspruch die Vorstellung, der zivile Ungehorsam der Letzten Generation könne rechtlich gerechtfertigt werden. Er wendet sich auch gegen eine funktional-demokratische Grundrechtstheorie, die politisch orientierten Freiheitsgebrauch gegenüber nicht politischem favorisieren will. Es gebe kein Recht zur Schikane von Mitbürgern. Der Autor warnt zudem vor Eskalationen. Denn, wenn es gegen die Vernichtung der Menschheit durch die Klimaapokalypse gehe, könnten nicht nur begrenzte Regelverletzungen als verhältnismäßig erscheinen, sondern auch Gewaltakte als kleineres Übel.
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Telefonüberwachung gegen Letzte Generation: Nach Recherchen der Sa-SZ (Ronen Steinke) haben bayerische Strafverfolgungsbehörden bei ihren Ermittlungen gegen Aktivist:innen der als kriminelle Vereinigung eingestuften Letzten Generation offenbar monatelang deren private Mobiltelefone sowie das Pressetelefon der Organisation abhören lassen. Insgesamt sollen 13 Telefonanschlüsse überwacht worden sein. Die bayerischen Ermittler:innen hätten sich darüber hinaus auch die Genehmigung geholt, die Standortdaten von Handys zu ermitteln, die entsprechenden Mailboxen von Aktivisten abzuhören und deren E-Mails "in Echtzeit" mitzulesen. Die Maßnahmen waren im Oktober 2022 vom Amtsgericht München vorab genehmigt und im Januar 2023 verlängert worden. Laut sz.de kritisierten SPD und Linke die Abhörmaßnahmen.
Katharina Riehl (Sa-SZ) kommentiert: Zum einen zeige die Abhöraktion den Furor, mit dem die bayerische Justiz gegen die "Letzte Generation" vorgehe, Zum anderen halte die bayerische Justiz den Schutz der freien Presse offenbar für verzichtbar, wenn sie ihr gerade im Weg stehe. Als "rücksichtslos und illegal" bezeichnet Christian Rath (Mo-taz) das Abhören des Pressetelefons, das selbst nach der impliziten Logik der Ermittler:innen keinen Sinn mache: Eine konspirative Gruppe teile ihre internen Drahtzieher:innen ganz sicher nicht der Presse mit.
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Letzte Generation: Klage gegen Schmerzgriff eingereicht (lto.de)
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Carla Hinrichs (* 7. Februar 1997[1] in Bremen) ist eine deutsche Klimaschutzaktivistin, die als eine Sprecherin des Klimabündnisses Letzte Generation bekannt wurde.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Carla Hinrichs wuchs mit jüngeren Geschwistern[2] in einer Kleinstadt bei Bremen auf. Als Schülerin engagierte sie sich für Amnesty International.[3][4] Nach dem Abitur absolvierte sie ein Praktikum am Landgericht Bremen und wollte Richterin werden. Ab 2015 studierte sie Jura an der Universität Bremen[5] und auch in Portugal.[3] Im Sommer 2021 zog sie nach Berlin.[6] Vor dem ersten juristischen Staatsexamen[3] und vor dem Beginn des Wintersemesters 2021/22 brach sie das Jurastudium nach sechs Jahren erfolglos ab, um „Recht anzuwenden“, damit „die Welt gerechter wird“.[4] Nachdem sie sich zunächst bei der Umweltschutzbewegung Extinction Rebellion engagiert hatte, es ihrer Meinung aber „noch etwas [brauchte], was den Druck erhöht“,[2] gründete Hinrichs noch 2021 mit anderen das Bündnis Letzte Generation, das seit Anfang 2022 Blockaden organisiert, bei denen sich Aktivisten auf den Straßen festkleben. Hinrichs wurde von Spendengeldern unterstützte[4] Vollzeitaktivistin und eine Pressesprecherin der Organisation[7][8] und trat als solche in einigen Talkshows öffentlicher und privater Fernsehsender auf.
Wegen Nötigung im Rahmen einer Straßenblockade im Februar 2022 in Berlin wurde Hinrichs im März 2023 vom Amtsgericht Tiergarten zu einer Geldstrafe von 600 Euro (20 Tagessätze zu je 30 Euro) verurteilt.[5] Nach einer Straßenblockade im April 2022 in Frankfurt am Main wurde Hinrichs zunächst ein Strafbefehl über 1800 Euro (60 Tagessätze) zugestellt. Nachdem Hinrichs dagegen Einspruch eingelegt hatte, kam es am 11. Mai 2023 vor dem Amtsgericht Frankfurt am Main zur Hauptverhandlung. Hinrichs verteidigte sich selbst und wurde wegen Nötigung zu zwei Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Die Strafe wurde für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt.[9] Beide Urteile sind noch nicht rechtskräftig (Stand 11. Mai 2023).[10] Weitere Dutzende Strafverfahren gegen Carla Hinrichs laufen aktuell.
Am 24. Mai 2023 wurde die Wohnung von Hinrichs von Polizeibeamten durchsucht, nachdem die Generalstaatsanwaltschaft München Ermittlungen gegen sie und sechs weitere Mitglieder der Letzten Generation wegen Verdachts auf Bildung einer kriminellen Vereinigung aufgenommen hatte.[11]
TV-Auftritte
WeblinksCommons: Carla Hinrichs – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Einzelnachweise
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VG Berlin – Klimaprotest/Polizeilicher Schmerzgriff: Darf die Polizei Klimakleber der Letzten Generation unter Anwendung eines sogenanntes Schmerzgriffs von der Straße bringen? Mit dieser Frage beschäftigt sich das Verwaltungsgericht Berlin aufgrund einer LTO (Max Kolter) vorliegenden Feststellungsklage. Einen Eilantrag hatte das Gericht bereits Anfang Mai wegen Erledigung abgewiesen. Der Kläger legte nun dar, dass der Schmerzgriff unverhältnismäßig und auch nicht von Normen zum unmittelbaren Zwang gedeckt gewesen sei. Auch seien Grundrechte der körperlichen Unversehrtheit und Versammlungsfreiheit sowie das Verbot unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung im Sinne der Europäischen Menschenrechtskonvention verletzt. Ein Verhandlungstermin sei noch nicht bekannt.
AG München – Letzte Generation als kriminelle Vereinigung: Der SZ (Ronen Steinke) liegt interner Schriftverkehr mehrerer Ermittlungsbehörden vor, der zeigt, dass die Staatsanwaltschaften (inklusive Generalbundesanwalt) bis in den letzten Herbst die Einstufung der "Letzten Generation" als kriminelle Vereinigung ablehnten. Erst die Generalstaatsanwaltschaft München habe dann ein entsprechendes Ermittlungsverfahren eingeleitet. Eine in diesem Zusammenhang veranlasste Überwachung des Pressestelefons der Gruppe sei indes im April nicht mehr verlängert worden. Dies beruhe auf einer veränderten Einschätzung der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme. Über letzteres berichtet auch LTO. Im Interview mit der taz (Adenfunmi Olanigan) erklärt Rechtsanwältin Renate Schmid die Voraussetzungen der Abhörmaßnahme und deren grundrechtliche Problematik.
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Juristische AufarbeitungRechtliche Einordnung der Aktionen
Im Nachgang der Aktionen wird diskutiert, ob nach deutschem Recht Straftatbestände wie Sachbeschädigung (§ 303 StGB) bei der Beeinträchtigung von Kunstgegenständen oder Einrichtungen zu deren Schutz, Hausfriedensbruch (§ 123 StGB) durch das Betreten von bspw. Museen oder Flughäfen mit der Absicht, durch Aktionen gegen die Haus- oder Sicherheitsordnungen dieser Orte zu verstoßen, die gefährlichen Eingriffe in den Bahn-, Schiffs-, Straßen- und Luftverkehr (§ 315 und § 315b) durch das Schaffen von Hindernissen beim Festkleben oder Abseilen sowie die Nötigung (§ 240 StGB) der von Aktionen betroffenen Personen, verwirklicht wurden. Im Zusammenhang mit einer Blockade einer Straße in Berlin im Oktober 2022 wurde in der Öffentlichkeit auch die Behinderung von hilfeleistenden Personen (§ 323c Abs. 2 StGB) diskutiert.[98][99]
Für die Strafbarkeit einer Tat als Nötigung muss im deutschen Strafrecht die Rechtswidrigkeit der Tat positiv festgestellt werden und wird nicht, wie bei vielen anderen Straftatbeständen, automatisch bereits dann angenommen (indiziert), wenn der Tatbestand erfüllt wurde. Rechtswidrig ist eine Nötigung vielmehr nur dann, wenn Mittel oder Zweck[100] beziehungsweise die Mittel-Zweck-Relation[101] als verwerflich angesehen werden können.
In der neueren juristischen Fachliteratur wird insofern vertreten, dass Straßenblockaden durch Klimaaktivisten keine verwerfliche Nötigung darstellten,[102] aber auch, dass ziviler Ungehorsam allein auf der Ebene der Strafzumessung[103][104] zu berücksichtigen sei. Die eine Verwerflichkeit ablehnende Ansicht stellt dabei auf den „Kommunikationszweck als Zwischenziel“ ab.[102] Dagegen stellt der ehemalige Vorsitzende Richter am Bundesgerichtshof Thomas Fischer in einer Kolumne allein auf das Blockieren als Ziel ab und kommt so zu einer Verwerflichkeit und Strafbarkeit wegen Nötigung.[105]
Der Verfassungsrichter am Verfassungsgerichtshof in Koblenz, Michael Hassemer, bewertet in einem Interview die Proteste unter Umständen bis zu einem gewissen Maß als gerechtfertigt. Hassemer versteht den Klimawandel als Notstand. Die etwaigen Straftaten der Letzten Generation könnten somit als nicht rechtswidrig gemäß § 34 StGB gewertet werden, weil dies einen rechtfertigenden Notstand beschreibe.[106]
Der Jurist und Journalist Ronen Steinke machte im April 2023 die Bundesregierung dafür verantwortlich, gesetzliche Klimaziele zu verfehlen, und bezeichnete die Aktionen der Letzten Generation als zivilen Ungehorsam von der „bravsten Sorte“. Nichtsdestotrotz seien ihre Aktionen illegal und „Klima-Selbstjustiz“. Allerdings spitze sich die klimapolitische Situation zu und bei „Aussichtslosigkeit behördlichen Einschreitens“ könne ausnahmsweise doch ein rechtfertigender Notstand nach § 34 StGB denkbar sein, wie bezüglich des Widerstandes gegen langanhaltende illegale Zustände in der Massentierhaltung schon geurteilt wurde.[107]
Stand Mai 2023 wurden nach dortigen Angaben knapp 2000 Verfahren gegen Klimaaktivisten in Berlin bei der Staatsanwaltschaft geführt, davon rund 1790 gegen Aktivisten der Letzten Generation. Bei den Verfahren seien bislang 86 Urteile gesprochen worden, 40 davon seien rechtskräftig. In der Regel würde zu Geldstrafen verurteilt, meist wegen Nötigung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte. Dabei sei aber auch ein Freispruch und eine Freiheitsstrafe ohne Aussetzung zur Bewährung. Meist gehe die Staatsanwaltschaft im Strafbefehlsverfahren vor, so sei in 690 Fällen gegen Mitglieder der Letzten Generation vorgegangen worden. 23 Mal seien Anklagen erhoben worden. Knapp 90 Verfahren seien offen. In rund 310 Fällen habe es eine Einstellung gegeben; mit Blick auf weitere Vorwürfe oder weil Beweise nicht ausreichten.[108]
Im Oktober 2022 lehnte ein Richter am Amtsgericht Tiergarten in Berlin einen Antrag der Staatsanwaltschaft für einen Strafbefehl ab und bezog sich dabei ausdrücklich auf die Klimakrise. Diese sei eine „objektiv […] dringliche Lage“ und „wissenschaftlich nicht zu bestreiten“. Bei einer Bewertung des Protestes sei das nur „mäßige politische Fortschreiten“ der Klimamaßnahmen zu berücksichtigen. Die Handlungen der Beschuldigten, die für dreieinhalb Stunden die Kreuzung am Frankfurter Tor blockiert haben sollen, seien daher „nicht verwerflich“. Der Richter nahm Bezug zu einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2021.[109][110][111] Auf Beschwerde der Staatsanwaltschaft hob eine Große Strafkammer am Landgericht Berlin jedoch diese Entscheidung im November 2022 auf und verwies das Verfahren zur Entscheidung an einen anderen Amtsrichter. Nach Ansicht dieser Großen Strafkammer hätten die Anliegen und „Fernziele“ der Aktivisten bei der Bewertung außer Betracht zu bleiben, was zum hinreichenden Tatverdacht hinsichtlich der Verwerflichkeit der Blockade führe.[112][113] Zudem bestehe hinreichender Tatverdacht hinsichtlich Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte.[112]
Ein Richter am Amtsgericht Freiburg im Breisgau urteilte am 21. November 2022 ähnlich wie sein Kollege aus Berlin, verneinte die Verwerflichkeit der Nötigung und sprach den Angeklagten frei. Die zuständige Staatsanwaltschaft kündigte daraufhin an, Berufung einzulegen.[114][115] Dagegen bejahte nur einen Tag später eine andere Richterin am selben Amtsgericht die Verwerflichkeit, verneinte einen rechtfertigenden Notstand insbesondere wegen des „Vorrang[s] staatlicher Abhilfemaßnahmen“ und verurteilte zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 10 Euro wegen Nötigung.[116][115] Ähnlich entschied das AG Freiburg am 13. Dezember 2022 und verhängte wegen zweier Blockaden eine Gesamtstrafe von 30 Tagessätzen zu je 10 Euro. Die Verwerflichkeit der Nötigungen sei insbesondere wegen des nicht engen Sachzusammenhangs zwischen dem Thema „Essen retten Leben retten“ und der Blockade sowie wegen der „Instrumentalisierung der Autofahrer zum Objekt der eigenen Meinungsäußerung“ zu bejahen.[117]
In einem Eilverfahren am Amtsgericht München im November 2022 zu wiederholten Straßenblockaden teilte der Richter die Ansichten der drei Angeklagten der Letzten Generation zum Klimawandel und zum Unvermögen der Politik, ihn wirksam zu bekämpfen. Er widersprach aber der Wahl ihrer Mittel, die den demokratischen Rechtsstaat aushebelten, und verurteilte die Angeklagten wegen Nötigung zu einer Geldstrafe von jeweils 25 Tagessätzen.[118] Später wurde eine entsprechende Entscheidung des Amtsgerichts München im Volltext veröffentlicht, vermutlich in derselben Sache.[119] Auch in anderen Fällen wurde von Gerichten kein rechtfertigender Notstand gesehen und die Taten als verwerflich (siehe § 240 Abs. 2 StGB) eingestuft.[120]
Am 18. Januar 2023 wurde erstmals ein Strafurteil in einer Berufung gesprochen. Die Jugendkammer am Landgericht Berlin bestätigte die Verurteilung durch das Amtsgericht Tiergarten wegen der Blockade einer Straße zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen von je 20 Euro. Die Rettung des Klimas sei als Fernziel nicht zu berücksichtigen.[121][122] Die Prüfung der Zweck-Mittel-Relation im Rahmen der Rechtswidrigkeit der Nötigung ergebe, „dass der Einsatz des Nötigungsmittels der Gewalt (gewaltsame, gezielte Blockade der Verkehrsteilnehmer) zu dem angestrebten Zweck (öffentlich-mediale Aufmerksamkeit erlangen) als verwerflich anzusehen“ sei.[123]
Am 6. März 2023 wurden erstmals zwei Mitglieder der Letzten Generation für die Teilnahme an einer Straßenblockade vom Amtsgericht Heilbronn wegen Nötigung zu Freiheitsstrafen von zwei bzw. drei Monaten ohne Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt.[124] Zur Begründung für die Freiheitsstrafen wurde genannt, dass die beiden Verurteilten nach eigener Aussage schon wegen ähnlicher Taten vor Gericht gestanden hätten und auch in Zukunft sich weiter so verhalten wollten.[125][126] Die Verurteilung sei zur „Einwirkung auf die Täterpersönlichkeit“ nötig. Sogenannte kurze Freiheitsstrafen unter sechs Monaten dürfen im Strafrecht nach § 47 Abs. 1 StGB nur in Ausnahmefällen verhängt werden.[127] Drei Mitangeklagte, die zuvor nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten waren, wurden zu Geldstrafen von je 60 Tagessätzen verurteilt.[125] Am 17. April 2023 verhängte das Amtsgericht Heilbronn erneut Freiheitsstrafen von drei, vier und fünf Monaten ohne Bewährung gegen zwei Männer und eine Frau. Hintergrund war, dass die drei Aktivisten sich nur wenige Stunden, nachdem sie das letzte Mal verurteilt worden waren, erneut auf der Straße festklebten und im Gerichtssaal ankündigten, dies bei nächster Gelegenheit wieder zu tun. Eine vierte Person wurde zu drei Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Die Urteile sind (Stand April 2023) noch nicht rechtskräftig.[128][129][130]
Am 26. April 2023 verurteilte mit dem Amtsgericht Tiergarten erstmals in Berlin ein Gericht eine Aktivistin der Letzten Generation zu einer Freiheitsstrafe. Vier Monate Freiheitsstrafe ohne Aussetzung zur Bewährung verhängte das Gericht gegen eine Demonstrantin für gemeinschädliche Sachbeschädigung an einem Gemälderahmen sowie für Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und versuchte Nötigung im Rahmen einer Straßenblockade. Der Verteidiger legte Rechtsmittel ein. Bis zum 20. April waren vom Amtsgericht Tiergarten 63 Entscheidungen (Urteile und Strafbefehle) gegen Mitglieder der Letzten Generation ergangen.[131]
Seit Anfang April 2023 wird in Österreich vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein Landesverweis gegen eine deutsche Studentin geprüft. Ihr wird u. a. vorgeworfen, durch das Verschütten von Öl auf einer Straße eine Gefährdungslage hervorgerufen zu haben.[132][133]
Mit Beschluss vom 21. April 2023[134] verwarf das Bayrische Oberste Landesgericht (BayObLG) die Revision eines Heranwachsenden gegen ein Urteil des Amtsgerichts München. Der Angeklagte war für das Ankleben auf der und Blockieren der Frauenstraße in München jugendstrafrechtlich wegen Nötigung verwarnt worden. Weder über das Widerstandsrecht noch aufgrund Notstandes oder aufgrund zivilen Ungehorsams ist die Tat nach dem BayObLG gerechtfertigt. Das Urteil des Amtsgerichts ist damit rechtskräftig.[135][136]
Am 10. Mai 2023 lehnte das Verwaltungsgericht Berlin einen Antrag eines Aktivisten der Letzten Generation ab, die Rechtswidrigkeit der Anwendung von Schmerzgriffen beim Entfernen aus einer Straßenblockade festzustellen. Eine Feststellung sei nicht im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes möglich. Zudem habe der Antragssteller eine Wiederholungsgefahr nicht nachgewiesen, so dass auch eine stattgebende Entscheidung bei Umdeutung auf einen Antrag zu vorläufiger Verpflichtung gegen zukünftige Schmerzgriffe nicht möglich sei.[137] Gegen den Beschluss kann Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eingelegt werden.[138]
Am 11. Mai 2023 verurteilte das Amtsgericht Frankfurt am Main die Sprecherin der Letzten Generation, Carla Hinrichs, aufgrund einer Straßenblockade zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten und setzte diese Strafe zur Bewährung aus. Hinrichs erklärte, sie werde wahrscheinlich in Berufung gehen.[139] Sie hatte gegen einen Strafbefehl wegen Nötigung mit einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen à 30 Euro Einspruch eingelegt. Zuvor war sie im März wegen einer Straßenblockade in Berlin zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen à 30 Euro verurteilt worden. Auch dieses Urteil ist noch nicht rechtskräftig (Stand 11. Mai 2023).[140]
Das Amtsgericht München verurteilte am 16. Mai 2023 drei Aktivisten wegen Nötigung jeweils zu Geldstrafen von 10 Tagessätzen. Für den Jesuitenpater Jörg Alt wurde dabei nach eigenen Angaben ein Tagessatz in Höhe von einem Euro festgesetzt. Die Verurteilten hatten Ende Oktober 2022 eine Straße vor dem bayerischen Justizministerium blockiert.[141]
Am 19. Mai 2023 verurteilte das Amtsgericht Regensburg sieben Aktivisten wegen gemeinschaftlicher Nötigung zu je 40 Tagessätzen à 15 bzw. 40 Euro. Sie hatten im morgendlichen Berufsverkehr durch eine Straßenblockade einen langen Stau verursacht und sich während des Prozesse bei den als Zeugen geladenen geschädigten Autofahrern entschuldigt.[142]
Mit Urteil vom 22. Mai 2023 wurden drei Aktivisten der Letzten Generation vom Amtsgericht München wegen gemeinschädlicher Sachbeschädigung zu Geldstrafen verurteilt. Zwei Verurteilte hatten sich an den Rahmen eines Rubens-Gemälde in der Alten Pinakothek geklebt, einer hatte die Aktion gefilmt. Die Richterin bejahte eine Notstandslage, verneinte aber einen Zusammenhang zwischen der Beschädigung und dem Klimaschutz.[143]
Verdacht auf Bildung einer kriminellen Vereinigung
Am Morgen des 13. Dezembers 2022 gab es durch die Staatsanwaltschaft Neuruppin betriebene Razzien und Hausdurchsuchungen an elf Orten im gesamten deutschen Bundesgebiet[144] bei einer „niedrige[n], zweistellige[n] Anzahl von Personen“.[145] Es bestehe der Verdacht auf Bildung einer kriminellen Vereinigung und Störung öffentlicher Betriebe.[146] Hintergrund ist offenbar das mehrmalige Zudrehen von Notfallventilen einer Rohöl-Pipeline, die von Rostock nach Schwedt/Oder führt, bei mehreren Protestaktionen gegen die brandenburgische PCK-Raffinerie in Schwedt/Oder im April und Mai 2022. Diese gelten als kritische Infrastruktur. Die Protestaktionen auf Straßen und in Museen sind nicht Teil des Verfahrens.[145] Die Letzte Generation bezeichnete die Razzien als ein neues Niveau der Einschüchterungsversuche und stellte erneut ihre Ansichten klar, dass der Rechtsbruch auf Seiten der Bundesregierung liege, weil deren Handeln verfassungswidrig und kriminell sei.[146] Die gegen die Durchsuchungen und die Sicherstellungen von Beweismitteln erhobene Beschwerde eines Betroffenen wiesen das Amtsgericht Neuruppin und Ende April 2023 das Landgericht Potsdam (Staatsschutzkammer) als unbegründet ab und bestätigten damit das Vorliegen eines Anfangsverdachts in Bezug auf beide vorgeworfenen Straftatbestände.[147] Die Staatsanwaltschaft Neuruppin bestätigte daraufhin, dass die Klimaaktivisten nun mit einer Verfolgung gemäß § 129 StGB („Bildung krimineller Vereinigungen“) rechnen müssten.[148] Hintergrund der Ermittlungen seien die Aktionen bei der Raffinerie PCK Schwedt.[149] Republikanischer Anwaltsverein, Humanistische Union und Komitee für Grundrechte und Demokratie mit drei weiteren Organisationen formulierten mangelnde Verhältnismäßigkeit im Vorgehen der Staatsanwaltschaft.[150]
Im Juni bzw. November 2022 hatten die Berliner Staatsanwaltschaft bzw. Generalstaatsanwaltschaft noch einen Anfangsverdacht in Bezug auf Bildung einer kriminellen Vereinigung in Bezug auf die Letzte Generation verneint und das Einleiten eines entsprechenden Ermittlungsverfahrens abgelehnt.[151] Stand 17. Mai 2023 lag für die Berliner Staatsanwaltschaft noch immer keine kriminelle Vereinigung vor.[152] Auch in der juristischen Fachliteratur wird vertreten, dass die Letzte Generation keine kriminelle Vereinigung darstelle, vor allem wegen der fehlenden Erheblichkeit der geplanten Straftaten.[153] Am 20. Mai wurde daraufhin bekannt, dass die neue Berliner Justizsenatorin Felor Badenberg eine Bewertung der Letzten Generation als kriminelle Vereinigung prüfen lassen will.[154]
Nachdem laut Generalstaatsanwaltschaft München „zahlreiche Strafanzeigen“ eingegangen waren, wurden am 24. Mai 2023 in sieben Bundesländern Razzien in insgesamt 15 Gebäuden durchgeführt.[155] Gleichzeitig wurden Konten beschlagnahmt, Vermögenswerte sichergestellt und die Internetseite der Bewegung abgestellt. Die Ermittlungen werden von der Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus (ZET) bei der Generalstaatsanwaltschaft München geleitet.[156] Die Letzte Generation gab eine Erklärung ab, in der sie u. a. darlegte, warum der Vorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung ihrer Meinung nach haltlos ist.[157][158][159] Die Ermittlungen richteten sich auch gegen eine Person ohne direkten Kontakt zur Letzten Generation,[160] die eine Überweisung des FFF-Finanzierungsvereins Alle fürs Klima e.V. über einen Zahlungsdienstleister und Anbieter von Gruppenkonten[161] erhalten hatte, den auch die Letzte Generation nutzte, bis das Konto im März 2023 gekündigt wurde.[160]
Fehlerhafter erster Hinweis der Generalstaatsanwaltschaft München zur Beschlagnahmung der deutschen Webpräsenz der Letzten Generation.
Kurzzeitig war die Letzte Generation von der Generalstaatsanwaltschaft München auf der beschlagnahmten Internetseite entgegen der Unschuldsvermutung mittels eines Warnhinweises bereits als kriminelle Vereinigung bezeichnet worden. Die Generalstaatsanwaltschaft München räumte dies als Fehler ein.[162] Dieses Vorgehen und die Abschaltung der Internetseite wurden von der Neuen Richtervereinigung, der LTO und mehreren Personen des öffentlichen Lebens kritisiert.[163][164][162][165] In Bayern stellte ein Bündnis der Parteien Die Linke, Mut und Die Urbane sowie der Organisation noPAG Strafanzeige gegen den Ministerpräsidenten Markus Söder, Justizminister Georg Eisenreich, Innenminister Joachim Herrmann und den Münchner Generalstaatsanwalt Reinhard Röttle. Das Bündnis wirft ihnen aufgrund der kurzzeitigen Vorverurteilung im Warnhinweis der Internetseite Verleumdung und Beleidigung vor.[166]
Hintergrund der Maßnahmen ist ein Anfangsverdacht gegen sieben Beschuldigte auf Bildung beziehungsweise Unterstützung einer kriminellen Vereinigung. In diesem Zusammenhang soll auch die Finanzierung der Letzten Generation untersucht werden.[167] Den Beschuldigten wird vorgeworfen, eine Spendenkampagne zur Finanzierung „weiterer Straftaten“ für die Letzte Generation organisiert zu haben, die über deren Homepage beworben wurde. Dadurch sollen mindestens 1,4 Millionen Euro an Spendengeldern eingesammelt worden sein. Zwei der sieben Beschuldigten sollen zudem im Jahr 2022 an einem Sabotageversuch gegen die Pipeline Triest–Ingolstadt beteiligt gewesen sein.[168]
Im Juni 2023 berichtete die Süddeutsche Zeitung, dass die Generalstaatsanwaltschaft München ab Oktober 2022 über Monate hinweg dreizehn Telefone der Letzten Generation durch das Bayerische Landeskriminalamt abhören ließ. Abgehört und anderweitig überwacht wurde nach Beschlüssen des Amtsgerichts München der offizielle Festnetzanschluss (das sogenannte Pressetelefon) der Gruppe wie auch Mobiltelefone von führenden Personen.[169][170]
Sonstige juristische Aufarbeitung
In Berlin wurden von Januar bis Mai 2023 nach Angabe der dortigen Polizei 66 Ermittlungsverfahren von Amts wegen aufgrund mutmaßlicher Straftaten eingeleitet, die sich gegen die Aktivisten der Letzten Generation richteten; im Jahr 2022 waren es 18 Ermittlungsverfahren. Die Letzte Generation selbst stellte keine Anzeigen.[171]
Nach zwei aufeinander folgenden Verkehrsblockaden am Stachus in München vom 3. November 2022 wurde von mehreren Richtern am Amtsgericht München für zwölf Aktivisten der Letzten Generation Unterbindungsgewahrsam von dreißig Tagen angeordnet, zwei kamen noch am selben Tage wieder frei, einer musste bis zum 9. November in Gewahrsam bleiben.[172] Nach einer Blockade am Mittleren Ring in München ordnete ein Richter im Dezember 2022 für vier Aktivisten der Letzten Generation vier bzw. dreißig Tage Unterbindungsgewahrsam an, zum Teil über Weihnachten. Begründet wurde dies mit der Gefahr „beharrlicher Wiederholung“. Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann verteidigte den längerfristigen Gewahrsam, weil es sich um „unbelehrbare Wiederholungstäter“ handele.[173] In einer Entscheidung vom 7. Dezember 2022 des Amtsgerichts München wurde dagegen die Fortdauer des Unterbindungsgewahrsams abgelehnt. Der Gewahrsam sei nicht geeignet, verstoße gegen das Übermaßverbot und es sei zweifelhaft, ob das Festkleben auf der Fahrbahn als Nötigung zu bewerten sei.[174] In einer anderen veröffentlichten Entscheidung[175] des Amtsgerichts München vom vorhergehenden Tage wurde nach einer Straßenblockade die Fortdauer des Gewahrsams bis zum 11. Dezember angeordnet, in einer weiteren[176] vom 5. Dezember für einen Monat (insbesondere weil kürzlich ein Gewahrsam von drei Wochen vorangegangen war).
Am 14. April 2023 hob das Verwaltungsgericht Berlin in einer Eilentscheidung das von der Berliner Polizei gegenüber einer Person ausgesprochene Verbot auf, sich auf bestimmten Straßen in Berlin festzukleben. Bei Verstoß gegen das Verbot drohte die Polizei ein Zwangsgeld von 2000 Euro an. Das Verbot war nach dem Verwaltungsgericht zu unbestimmt, insbesondere weil die Anlage mit den Straßen, auf die sich das Verbot beziehe, nicht ausreichend lesbar sei. Zur sonstigen Rechtmäßigkeit des Verbotes machte das Gericht keine Ausführungen.[177][178] Die Beschwerde der Polizei zum Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg wurde am 28. April abgewiesen.[179]
Die Polizei in München kündigte an, künftig die Polizeikosten zu verlangen, wenn klebende Aktivisten von der Straße gelöst werden und sie weggetragen oder weggeführt werden müssen.[180] Ob Aktivisten für Schäden wegen Beeinträchtigung des Flugbetriebs aufkommen müssen, ist rechtlich ungeklärt und streitig.[181][182] In London wurden zwei Aktivisten der vergleichbaren dortigen Gruppe Just Stop Oil im Februar 2023 verurteilt, umgerechnet knapp 4.000 Euro Entschädigung für Neubemalung und Reinigung an Madame Tussauds Wachsfigurenkabinett zu zahlen, weil sie dort einem Abbild von König Charles III. veganen Schokoladenkuchen ins Gesicht gedrückt hatten.[183]
Waldemar R. Kolos kommentiert am Permanenter Link
Hassemer sagte dem SWR: "Ich kann den Klimawandel ohne weiteres als Notstandssituation verstehen."
"Hassemer hält den Freispruch eines Baumbesetzers unter Berufung auf §34 StGB vor dem Amtsgericht Flensburg für richtig." (SWR - Presseportal)
Gemeint ist die Entscheidung des Amtsgerichts Flensburg, Urteil vom 07.11.2022 - 440 Cs 107 Js 7252/22.
Der Freispruch eines Baumbesetzers durch das AG Flensburg ist sicherlich vertretbar, aber auf Straßen- oder Autobahnkleber nicht übertragbar. Der Baumbesetzer hatte Hausfriedensbruch begangen, um die Rodung eines Hektar Waldes zu verhindern. Wälder wirken gegen Klimawandel. Die Bindung des Treibhausgases CO2 ist wissenschaftlich erwiesen. Die Frage aber war, ob die Erhaltung eines Hektar Waldes auch geeignet ist, um das Fortschreiten von Klimawandel und Erderwärmung zu verhindern.
In Teilen der Rechtsprechung und der Rechtsliteratur wird die Meinung vertreten, dass eine nur geringfügige, kaum messbare Erhöhung einer Chance zur Beseitigung der Gefahren nicht ausreichend sei, um geeignet zu sein im Sinne des Notstandsrechts. Diese Meinung teilte die Amtsrichterin nicht, und zwar mit überzeugenden Argumenten. Um messbar das Fortschreiten von Klimawandel und Erderwärmung zu reduzieren, bedarf es eine Unmenge an Maßnahmen. Eine Einzelmaßnahme vermag das nicht. Gleichwohl kann sie nützlich sein. Es reichte der Amtsrichterin aus, dass die Tat sich nicht als gänzlich nutzlos zur Abwendung der Gefahr darstellt.
Mit Festkleben an Straßen oder Autobahnen verursachen die Aktivisten Autostaus, um betroffene Autofahrer auf den Klimawandel aufmerksam zu machen. Es erscheint schon zweifelhaft ob die Klimaaktivisten die gewünschte Aufmerksamkeit bekommen. Jedenfalls erscheint die Bildung von Autostaus gänzlich nutzlos, um das Fortschreiten von Klimawandel und Erderwärmung zu reduzieren. Autostaus sind für das Klima weder nützlich noch klimaneutral, sie sind klimaschädlich.