Geschwindigkeitsbeschränkungsschilder (beidseitig) sieht man eigentlich schon....

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 22.06.2023
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht1|1135 Aufrufe

Eine schon etwas zurückliegende Enstcheidung des OLG Rostock. Der Verteidiger hatte Probleme mit den Urteilsfeststellungen  - das Missachten einmalig beidseitig aufgestellter Zeichen 274 führte nämlich zu einer Vorsatzverurteilung. Das OLG hatte da keine Schwierigkeiten:

 

2. Die näher ausgeführte Sachrüge hat keine Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen aufgezeigt. Nach den amtsgerichtlichen Feststellungen war die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h durch beidseitig aufgestelltes Zeichen 274 festgesetzt. Wenigstens bei beidseitig vorhandenen Schildern dürfen die Gerichte grundsätzlich davon ausgehen, dass der Verkehrsteilnehmer sie bemerkt hat. Bei der festgestellten Geschwindigkeit (149 km/h abzüglich Toleranz) hatte der Betroffene die Schilder bis zur Meßstelle (rund 3 km entfernt) auch vor wenig mehr als einer Minute passiert, so dass sie ihm von daher zur Zeit der Geschwindigkeitsmessung noch präsent waren. Ebenso begegnet der Rückschluss auf vorsätzliche Tatbegehung auch im Lichte modern gedämmter hochpreisiger und hochmotorisierter Pkw keinen Bedenken.

 Der von der Verteidigung eingeführte Gesichtspunkt, der Betroffene sei von einem anderen Fahrzeug „durch dichtes Auffahren offensichtlich bedrängt worden“, brauchte keine Berücksichtigung finden. Zum einen ist nach dem in Bezug genommenen Lichtbild genausogut möglich, dass der andere Pkw sogar zum Überholen des selbst viel zu schnell fahrenden Betroffenen ansetzt, zum anderen hätte angesichts der zwei Fahrspuren je Fahrtrichtung eine (von Gesetzes wegen sowieso geschuldete) Temporeduzierung die „Bedrängnis“ aller Voraussicht nach rasch beendet.

OLG Rostock Beschl. v. 20.1.2023 – 21 Ss OWi 175/22, BeckRS 2023, 919 

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Für Bürger, die an irgeneinem zufälligen Tag gerade mal zufällig auf dem Weg von A nach B sind, ist das befahren dieser Strecke von A nach B nicht der einzige Lebensinhalt, und auch nicht unbedingt der allerwichtigste Lebensinhalt. Es gibt Menschen, die nicht nur wenn sie in ihrer Wohnung sind mit ihren Gedanken bei ihrer Familie sind, oder die nicht nur wenn sie an ihrem Arbeitsplatz sind mit ihren Gedanken bei ihrer Arbeit sind, oder die sich gerade Gedanken über irgendwelche Probleme und potentielle Problemlösungen machen. Alleine schon bereits von daher ist es durchaus möglich, wenngleich natürlich nicht gestattet sondern vorwerfbar fahrlässig,auf einer Autofahrt von A nach B ein Verkehrschild nicht zu sehen. Wer sich ausschließlich auf den Gesichtspunkt fixiert, daß es nicht gestattet ist, ein Verkehrschild zu übersehen, und wer sich diesen einen gesichtspunkt dann auch noch sehr zu Herzen nimmt, und Emotionen und Leidenschaft und Kontollust und Sanktionslust in die Betrachtung dieses Punktes steckt, der wird vielleicht, emotional und psychologisch, von sich selbst dazu verleitet, anzunehmen, daß das, was nicht sein darf, also das Übersehen einen Verkehrsschildes, auch nicht sein kann, und wird dann im Bruston der eigenen ehrlichen Überzeugung eine Fahrlässigkeit verwerfen und stattdessen Vorsatz annehmen. Sowas ist nicht böse, es ist nicht verwerflich, und es ist vielleicht sogar juristisch vertretbar, aber wissenschaftlich wohl nicht haltbar, denn wissenschaftlich-objektiv betrachtet ist objektiv Fahrlässigkeit auch möglich, wenn ein Richter subjektiv nicht dran glaubt. Und die Unschuldsvermutung sollte eigentlich auch nahelegen, daß nicht der Angeklagte oder Beschuldigte das Fehlen eines Vorsatzes beweisen muss, sondern daß die Staatsanwaltschaft bzw. das Gericht das Vorliegen von Vorsatz beweisen muss. Es ist bedauerlich, daß nicht wenige Gerichte behauptete Lebensachverhalte auch dann als "juristisch bewiesen" betrachten, wenn diese Lebensachverhalte nach wissenschaftlichen Maßstäben nicht bewiesen sind. Auch in der gerichtlichen Praxis trifft man leider nicht ganz selten auf Staatsanwälte und Strafrichter, die, im guten Glauben, Recht & Ordnung & Rechtsgüter & die Rechtsordnung gegen die oftmals Schutzbehauptungen aufstellenden unsympathischen Beschuldigten oder Angeklagten und noch unsympathischren Verteidiger durchsetzen zu müssen, und um auch als Staatsanwalt oder als richterliche Amts-Person Überlegenheit und Strenge und Stärke auszustrahlen und zu demonstrieren, für kritische Beobachter manchmal eine gewisse Belastungstendenz erkennen lassen.

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